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Afrikaner auf dem Wiener Arbeitsmarkt
Afrikanische Beschäftigte in Wien und Österreich
Im Jahr 2001 verfügten 2366 Afrikaner in Österreich über eine Arbeitsgenehmigung. Leider sind keine detaillierten Zahlen für Wien verfügbar. Da etwa die Hälfte der afrikanischen Zuwanderer in Wien lebt, postulieren wir, daß der gleiche Anteil der arbeitsberechtigten Afrikaner in Wien tätig ist. Über die meisten Arbeitsgenehmigungen verfügen Nigerianer und Ghanaer, die beiden größten Zuwanderergruppen, mit einem Anteil von ca. 2/3 an den Gesamtbewilligungen.
Tabelle 63: Beschäftigte afrik. Zuwanderer in Österreich
LAND | Anzahl | Anz. | Anz. | ||
Angola | 38 | Kongo | 37 | Sudan | 50 |
Äqu. Guinea | 1 | Liberia | 49 | Swasiland | 3 |
Äthiopien | 59 | Madagaskar | 3 | Tansania | 21 |
Benin | 13 | Malawi | 1 | Togo | 43 |
Botswana | 2 | Mali | 16 | Tschad | 2 |
Burkina Faso | 10 | Mauretanien | 7 | Uganda | 20 |
Burundi | 3 | Mauritius | 12 | ZAR | 1 |
Cote-d’Ivoire | 15 | Mosambik | 3 | Sonst. Staaten | 3 |
Dschibuti | 1 | Namibia | 4 | GESAMT | 2366 |
Eritrea | 2 | Niger | 25 | ||
Gambia | 15 | Nigeria | 843 | ||
Ghana | 624 | Ruanda | 42 | ||
Guinea | 20 | Sambia | 2 | ||
Guinea-Bissao | 2 | Senegal | 20 | ||
Kamerun | 41 | Sierra Leone | 32 | ||
Kap Verde | 0 | Simbabwe | 9 | ||
Kenia | 55 | Somalia | 22 | ||
Kongo, DR | 92 | Südafrika | 103 |
Stand: 1.10.2001, Quelle: AMS.
Leider ist keine Auflistung der Erwerbsarten und –bereiche der Zuwanderer aus den Ländern Afrikas erhältlich. In der uns vorliegenden Wien-spezifischen Statistik werden nur die Herkunftsländer Nigeria, Südafrika und Sudan genannt (Ghanaer sind stärker über ganz Österreich verstreut, die Nigerianer konzentrieren sich vorwiegend auf Wien). Durch die eklatante zahlenmäßige Dominanz nigerianischer Arbeitnehmer in Wien wird daher in der Folge die Verteilung nigerianischer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt gezeigt und vorsichtig postuliert, daß auch andere afrikanische Länder eine ähnliche Verteilung aufweisen:
Arbeitsverhältnisse nigerianischer Arbeitender (Quelle: Statistisches Zentralamt, 1991)
- 3 Selbständige mit Arbeitnehmern;
- 6 Selbständige ohne Arbeitnehmer;
- 1 mithelfender Familienangehöriger;
- 92 Angestellte;
- 29 Facharbeiter;
- 62 angelernte Arbeiter;
- 100 Hilfsarbeiter
Schon aus diesen offiziellen Quellen erkennt man den hohen Anteil afrikanischer Arbeitnehmer in Berufsfeldern mit geringerer Qualifikation, die der eigenen Qualifikation oft kaum entspricht. Die spezifische Struktur der Vorurteile (siehe S. 53ff) macht es Afrikanern vor allem bei der Suche nach qualifizierten Arbeitsplätzen nicht leicht. Laxheit, Traditionalismus, Fatalismus, Mangel an Intelligenz, Mangel an Power und Dynamik… Vorurteile, die sich verheerend auswirken können, wenn man die diametral entgegengesetzten Erfordernisse für moderne qualifizierte Jobs betrachtet. In diesen erwartet man Persönlichkeiten, die nie aufgeben, die widrige Umstände überwinden können, die sich durchsetzen, weil sie Ellbögen und Raffinesse besitzen, die sich schnell an neue Situationen anpassen können, innovativ sind, das Alte hinter sich lassen können… Afrikaner werden aber nur selten mit diesen Attributen assoziiert. Es ist daher kein Wunder, daß Afrikaner besonders bei Bewerbungen für qualifizierte Arbeitsplätze häufig Enttäuschungen erleben.
Afrikaner, die wie der Anlageberater Tassere Zoubga aus Burkina Faso in hochqualifizierten Bereichen arbeiten, lösen oft Überraschung aus:
„Am Anfang sind die Leute oft sehr überrascht, einen Afrikaner zu treffen, der sehr gut Deutsch spricht und qualifiziert ist. Viele Leute haben Vorurteile. Haben sie Vertrauen gefaßt, teilen sie uns auch mit, daß sie Afrikanern diese qualifizierte Arbeit nicht zugetraut hätten. Wir dürfen auf derartige Vorurteile keinesfalls mit Aggression antworten, sondern sollten eher versuchen, die Motive der Vorurteile herauszufinden. Ich habe Österreicher beim ersten Kontakt häufig gefragt, welchen Beruf ich wohl ausübe. Sie antworteten mit Straßenkehrer und Ähnlichem.“
Die Situation am Arbeitsmarkt nach afrikanischer Einschätzung
Viele in Wien lebende Afrikaner sind verbittert. Sie haben den Eindruck, daß sie auf dem Wiener Arbeitsmarkt kaum je ihren Fähigkeiten und Qualifikationen entsprechende Arbeitsplätze finden. Trotz der nach Eigenangaben hohen Bildung (siehe Bildung der Zuwanderer, S. 10) haben sie nur beschränkte Chancen am qualifizierten Arbeitsmarkt, leiden an einer deutlich höheren Arbeitslosigkeit und erhalten viel seltener die Chance auf eine Vollzeitstelle:
Tabelle 64: Beschäftigungsausmaß von Afrikanern
Arbeitsumfang der in Wien arbeitenden Afrikaner | ||
Häufigkeit | Prozent | |
Gelegenheits-/Teilzeitarbeit | 26 | 22,81 |
regelmäßige Arbeit | 51 | 44,74 |
arbeitslos | 15 | 13,16 |
Arbeit neben Studium | 20 | 17,54 |
eigener Betrieb | 2 | 1,75 |
Gesamt | 114 | 100,00 |
Nach Eigenangaben sind somit 74,0% der in Wien lebenden Afrikaner an Arbeit interessiert. Deutlich weniger als die Hälfte von ihnen ist regelmäßig beschäftigt, 13,2% sind arbeitslos. Klammert man Unternehmer und hauptsächlich Studierende aus, steigt die Arbeitslosigkeit auf 16,3%. Aber auch beschäftigte Afrikaner beklagen nahezu übereinstimmend, daß sie nicht ihren Qualifikationen entsprechend beschäftigt werden:
Tabelle 65: Entspricht die Tätigkeit, die Sie ausüben, Ihrer Qualifikation?
Häufigkeit | in % | |
Arbeit ist unter meiner Qualifikation | 75 | 74,3 |
Arbeit entspricht Qualifikation | 26 | 25,7 |
n= | 101 | 100,0 |
¾ der in Wien lebenden Afrikaner geben somit an, unter ihrer Qualifikation zu arbeiten. Tatsächlich zeigt ein direkter Vergleich des von ihnen angegebenen Ausbildungsgrades mit den aktuellen Tätigkeiten große Diskrepanzen. So gaben besser ausgebildete Afrikaner als aktuelle Berufe an:
Tabelle 66: Konkrete Beschäftigung von Bessergebildeten
Ausbildung | ||
Arbeit in Wien | Matura | Akademiker |
Angestellte | 1 | |
Apotheker | 2 | |
arbeitslos | 5 | 5 |
Babysitter | 1 | |
Barkeeper | 1 | |
Bürohilfskraft | 2 | |
Bürokaufmann | 1 | |
Chemiker | 1 | |
Controlling | 1 | |
Gastgewerbe | 2 | 1 |
Hilfsarbeiten | 1 | 2 |
Informatiker | 2 | |
Küchenhilfe | 1 | 1 |
Lagerarbeit | 3 | 3 |
Nachhilfe | 1 | |
Nachtportier | 1 | |
Postamt | 1 | |
Putzfrau, Reiniger | 2 | 2 |
Redakteur | 1 | |
Seelsorge (Pastor) | 1 | |
Straßendienst | 1 | |
Taxifahrer, Chauffeur | 5 | 4 |
UNO-Angestellter | 5 | |
Verkäuferin | 2 | |
Verkäuferin (Boutique) | 1 | |
Versicherungsmakler | 1 | |
Werbezettelverteiler | 2 | |
Zeitungsausträger | 1 | |
Gesamt | 31 | 36 |
Afrikanische Akademiker werden selten, aber deutlich häufiger als Maturanten ihren Qualifikationen entsprechend eingesetzt. Mehr als ein Viertel der Akademiker arbeitet beruflich auf der Ebene von Hilfsarbeitern, nur ca. 40% agieren in Bereichen akademischer Qualifikation. Ohne die United Nations Vienna, die Afrikanern weit bessere Beschäftigungschancen bietet, wäre die Beschäftigungsbilanz der Afrikaner in Wien noch um einiges trister[1].
Zwei von drei Afrikanern (64%) arbeiten in multikulturellen Umgebungen, haben also vorwiegend Zuwanderer als Arbeitskollegen, da unqualifizierte Arbeitsplätze großteils an (billigere) Zuwanderer vergeben werden. 19,6% der Befragten gaben an, sich auf dem Arbeitsplatz von den Kollegen nicht akzeptiert zu fühlen, 12,8% fühlten sich vom Arbeitgeber nicht akzeptiert. Eine Reihe von Afrikanern sieht sich am Arbeitsplatz besonders von denjenigen mißachtet, zu denen ein besonders starkes Konkurrenzverhältnis am Billiglohn-Sektor besteht: Viele befragte Afrikaner erwähnten vor allem Türken und (Ex-)Jugoslawen.
Die Erklärungen der Afrikaner für ihre Ablehnung auf dem Arbeitsmarkt
Wir fragten die afrikanischen Interviewpartner (110 Antwortende), wie viele von 10 Wiener Arbeitgebern Afrikanern einen Arbeitsplatz verweigern würden. Die Antwort fiel drastisch aus: 6 von 10 Wiener Arbeitgebern würden Afrikanern absagen (Median).
Tabelle 67: Wieviele Wiener verweigern Afrikanern Topjobs? (n=154 Afr.)
79% der Afrikaner meinen somit, daß mindestens die Hälfte der Wiener Afrikanern qualifizierte Arbeitsplätze vorenthalten würde. Persönliche Erfahrungen bzw. Kenntnisse beeinflussen dieses Urteil in stärkerem Maße:
Sprachkenntnisse: Besser Deutschsprechende halten die Wiener am Arbeitsplatz für weniger Afrikaner-feindlich;
Tabelle 68: Deutschkenntnisse und Einschätzung von Wienern als Arbeitgeber
Qualität der Beschäftigung: Wer unter seiner Qualifikation beschäftigt ist, hält eine wesentlich größere Zahl von Arbeitgebern für Afrikaner-feindlich[2];
Tabelle 69: Beschäftigungsqualität und Arbeitschanceneinschätzung
Alter: Mit steigendem Alter verbessern sich die Meinungen über die Akzeptanz am qualifizierten Arbeitsmarkt: 42,9% der über 35-jährigen, 15,6% der 26-35jährigen, aber nur 11,8% der unter 25jährigen glauben, daß eine Mehrheit von Wienern Afrikaner am qualifizierten Arbeitsmarkt akzeptiert;
Nationalsprache: Englischsprachige Afrikaner fühlen sich am qualifizierten Arbeitsmarkt viel leichter zurückgewiesen als Frankophone[1]:
[1] 39,3% der anglophonen Afrikaner glauben, daß zumindest 80% der Wiener Afrikanern qualifizierte Jobs verweigern; diese Meinung wird von 19,2% der frankophonen geteilt. Dies kann zumindest teilweise mit der oft besseren Beherrschung der deutschen Sprache durch Frankophone und den damit einhergehenden besseren Jobchancen erklärt werden.
Grad der Integration: Je besser die Integration des Afrikaners, desto weniger negativ die Einschätzungen. 40,7% der Nichtintegrierten halten Wiener am Arbeitsmarkt für hochgradig Afrikaner-feindlich, aber nur 5,9% der Integrierten[1].
[1] Als nicht/kaum integriert wurden Personen klassifiziert, die weder akzeptabel Deutsch sprachen, noch über engere Freundschaften mit Österreichern verfügten, noch ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt waren, gut Integrierte wurde mit dem jeweiligen Gegenteil definiert. Als Maßstab für eine hochgradige Verurteilung der lokalen Gesellschaft im Arbeitsbereich bezeichneten wir die Annahme von Interviewten, daß mehr als 80% der Wiener Afrikanern qualifizierte Tätigkeiten verweigern würde.
Nationalsprache: Englischsprachige Afrikaner fühlen sich am qualifizierten Arbeitsmarkt viel leichter zurückgewiesen als Frankophone[3]:
Vermutete Gründe der Ablehnung:
Wir interviewten die Afrikaner über die Gründe ihrer mangelnden Akzeptanz auf dem qualifizierten Wiener Arbeitsmarkt (Mehrfachantworten möglich):
Tabelle 70: Gründe für Ablehnung von Afrikanern bei Topjobs (n=154 Afr.)
Warum wird Afrikanern bei qualifizierten Stellen oft abgesagt? | in % |
Afrikaner gelten als wenig motiviert | 64,9 |
Afrikaner werden für weniger intelligent eingeschätzt | 64,3 |
Wiener sind rassistisch | 64,3 |
Die Ausbildung von Afrikanern wird unterschätzt | 63,0 |
Afrikaner gelten als unzuverlässig | 59,7 |
Afrikaner gelten als wenig belastbar | 33,1 |
Afrikaner sind wirklich unpünktlich | 25,3 |
Afrikaner sind tatsächlich oft wenig motiviert | 17,5 |
Afrikaner sind wirklich oft unzuverlässig | 11,0 |
Afrikaner sind wirklich weniger belastbar | 1,3 |
Die Befragten nehmen somit als Gründe ihrer Zurückweisung am Arbeitsplatz im wesentlichen die Klischees an, die auch die Berichterstattung der europäischen Afrikareisenden der letzten Jahrhunderte dominierte. Dazu kommt die Erfahrung, daß afrikanische Ausbildungswege nur wenig geschätzt werden, auch weil manche in Afrika vergebenen akademischen Grade (wie z.B. der von den Briten übernommene B.A.) in Österreich weitgehend unbekannt sind.
Die individuelle Akzeptanz am Arbeitsplatz hat enorme Auswirkungen auf diese Urteile. Rassismus als wesentlicher Ablehnungsgrund wird vor allem von Afrikanern angenommen, die ihrer Ansicht nach unterqualifiziert eingesetzt werden[5] und ist somit vor allem ein Argument der Ausgeschlossenen. Integrierte neigen deutlich häufiger zur Differenzierung, ohne deshalb weniger kritisch zu sein. Sie nehmen in fast allen Detailfragen stärker ausgeprägte Vorurteile der lokalen Bevölkerung an als nicht integrierte Afrikaner. Sie sehen keine pauschale und undifferenzierte Vorverurteilung von Afrikanern, sondern empfinden sich durch Vorurteile in einigen wesentlichen Bereichen beeinträchtigt. Integrierte haben eher die Einstellung: „Diese Gesellschaft glaubt, daß ich in manchen Bereichen aufgrund verschiedener Vorurteile weniger nützlich und brauchbar bin. Wenn ich gut bin, kann ich sie vielleicht vom Gegenteil überzeugen.“ als „Diese Gesellschaft mag mich nicht! Daher ist es sinnlos, mich um Integration zu bemühen. Sie wird nie gelingen.“ Integrierte haben eher einen utilitaristischen, nüchternen Zugang und sind häufig auch kritischer gegenüber ihren eigenen Brüdern und Schwestern. Sie meinen, daß manche Vorurteile wie z.B. mangelhaftes Zeitmanagement teilweise begründet sein könnten.
Tabelle 71: Integrationsgrad und Arbeitsmarkteinschätzung
Afrikaner erhalten keine qualifzierte Jobs, weil | Integrierte Afrikaner in % | Weniger integr. Afrikaner in % |
A. für faul gehalten werden | 86,4 | 62,9 |
A. als wenig fleißig gelten | 27,3 | 14,5 |
A. als wenig intelligent gelten | 77,3 | 69,4 |
A. als schlecht ausgebildet betrachtet werden | 81,8 | 54,8 |
A. als unzuverlässig gelten | 72,7 | 64,5 |
A. oft unzuverlässig sind | 18,2 | 9,7 |
A. als unbelastbar gelten | 68,2 | 27,4 |
Ö. rassistisch sind | 40,9 | 74,2 |
A. wirklich unpünktlich sind | 36,4 | 25,8 |
A. wirklich kaum belastbar sind | 4,5 | 0 |
Vergleichende Reaktionen auf afrikanische und österreichische Stellensuchende: eine Feldstudie
Ergebnisse und Erfahrungen konkreter Bewerbungen
Friedarike Santner, Eva Adam-Maxová und Erwin Ebermann
In einer nächsten Stufe wollten wir in einer beschränkten Feldstudie herausfinden, ob sich die vermuteten Vorurteile auch im konkreten Verhalten von österreichischen Personalmanagern und Arbeitgebern wiederfinden. Wir wählten dazu folgenden Versuchsansatz:
Wir bewarben uns für reale Stellenangebote mit jeweils 2 Bewerbungen, eine im Namen von AfrikanerInnen, eine im Namen von ÖsterreicherInnen. Um Chancengleichheit zu schaffen und um im Vorhinein das billige Argument zu entkräften, daß man zwar nichts gegen AfrikanerInnen habe, aber keine Probleme mit fehlenden, allzu eingeengten oder problematischen Arbeitsgenehmigungen wolle, gaben wir bei den afrikanischen Bewerbungen an, daß eine österreichische Staatsbürgerschaft und dementsprechend auch unlimitierte Arbeitsgenehmigung vorläge. Gleichermaßen seien durch lange Verweildauer in Österreich auch die Deutschkenntnisse praktisch perfekt.
Wir achteten darauf, daß die austro-afrikanischen Bewerbungen qualitativ zumindest auf dem gleichen Niveau wie die österreichischen Bewerbungen lagen, d.h. daß zumindest ähnliche Qualifikationen und Berufserfahrungen angegeben wurden, wobei nach unserer Einschätzung sogar eine geringfügig höhere Qualifikation bei den fiktiven AfrikanerInnen vorlag. Um auszuschließen, daß eine Ausbildung in Afrika gegen den Kandidaten spräche, gaben wir bei den austro-afrikanischen Bewerbungen weiters an, daß der wesentliche Teil der Ausbildung in Österreich erfolgte. Jeder in den Stellenausschreibungen verlangte Punkt wurde in den austro-afrikanischen Bewerbungen zur Gänze erfüllt, mit Photos wurde eine plastische Vorstellung von den BewerberInnen gegeben. Damit sollten nur mehr zwei Faktoren unterschiedliche Bewerbungserfolge erklären können: unterschiedliches Aussehen (wesentlich von der Hautfarbe dominiert) sowie unterschiedliche Herkunft, besonders am Namen erkenntlich.
Afrikanische Männer auf dem Wiener Arbeitsmarkt
Friedarike Santner und Eva Adam-Maxová[6]
Wir sind beide durch Studium, außeruniversitäres Engagement in menschenrechtlichen und sozialen Fragen, Freundschaften, Erfahrungen in Familie und weitere persönliche Kontakte für die Probleme von AfrikanerInnen auf dem Wiener Arbeitsmarkt sensibilisiert. Wir waren daher bereits vor dieser Untersuchung gezwungen, uns intensiv mit den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. durch Flüchtlingsberatung) und Problemen bei Integrationsprozessen zu beschäftigen. Wie schwer es als AfrikanerIn ist , einen adäquaten Job zu finden, wissen wohl alle, die mit AfrikanerInnen befreundet sind. Eine Arbeit zu haben, ist eine der notwendigen Voraussetzungen für erfolgreiche Integration.
Art und Adressaten der Bewerbungen
Aufgrund der Tatsache, daß es zum Zeitpunkt der Studie mehr afrikanische Männer als Frauen in Österreich gab, untersuchten wir die Akzeptanz austro-afrikanischer Männer auf dem Wiener Arbeitsmarkt, wobei der Sozialbereich bei den Bewerbungen einen besonderen Schwerpunkt bildete. Abgesehen davon, daß zwei unserer Freunde in diesem Bereich derzeit ihre Wirkungsstätte haben, lagen die Gründe in unserer Annahme, daß der soziale Bereich Multikulturalität und interkulturelle Kommunikation für sich beansprucht und deshalb zumindest theoretisch eine Nachfrage nach qualifizierten afrikanischen Mitarbeitern bestehen sollte. Es fiel uns auch leichter, inhaltlich überzeugende Bewerbungen abzugeben, die von Sachkenntnis und Erfahrung zeugten. Aus unseren persönlichen Beobachtungen geht auch hervor, daß Absolventen dieser Studienrichtungen bessere Chancen im immer neoliberaler ausgerichteten Arbeitsmarkt haben. Bei der Auswahl der Annoncen entschieden wir uns dafür, etwa gleich viele größere und kleinere Firmen, Vereine und Institutionen anzuschreiben, da wir einen unterschiedlichen Diskriminierungsgrad für möglich hielten.
Weiters versuchten wir, bei den Bewerbungen eine gewisse Streuung durch die Grobunterteilung in Handwerksberufe, Berufe auf Maturaniveau (HTL, HAK) und Berufe, für die akademische Ausbildung erforderlich ist, zu erreichen. Durch die Überbetonung des Sozialbereichs wurden überproportional häufig Bewerbungen für Arbeitsstellen mit akademischer Qualifikation verfaßt.
Zur Gestaltung der Bewerbungen
Bei den Arbeitssuchenden handelte es sich um Personen mit „tadellosem Leumund“, die sowohl über fundierte Berufsausbildung als auch Praktika und einige Jahre Berufserfahrung verfügen, diese wurden im Lebenslauf und Motivationsschreiben geschildert. Da wir beim Afrikaner eine Benachteiligung postulierten, achteten wir bei der Erstellung der Bewerbungen darauf, ihm einen kleinen Bonus (z.B. eine Spur mehr Praxiserfahrung) zu verschaffen.
Der Rücklauf
Als positiv wurden von uns Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch gewertet.. Das Ausmaß der Diskriminierung lag nach den ersten Reaktionen unter unseren Erwartungen, doch nahm sie mit Fortdauer des Projekts zu, v.a. in Anzahl und Art der Reaktionen auf die Bewerbungen des Österreichers und des Austro-Afrikaners. Meist erhielten wir innerhalb einer Woche die Antwort auf das Bewerbungsschreiben. Im Arbeitsbereich mit Qualifikation auf mittlerem Bildungsniveau / Maturaniveau konnten wir kein Vorurteil der Marke „Afrikaner nehmen wir nicht“ feststellen.
ImBereich der Sozialarbeit wird offensichtlich eine telefonische Kontaktaufnahme bevorzugt. Nicht verständigt zu werden, bedeutet nach unserer Erfahrung in dieser Branche, daß man als Bewerber nicht in die engere Auswahl gekommen ist.
Beispiele von Bewerbungen und Reaktionen
Betriebsberatungsagenturen / Consulting
Ad (10) Eine Agentur ließ uns in einem Schreiben wissen, daß sie unsere Bewerbungen mit dem potentiellen Arbeitgeber besprechen würden. Keiner unserer beiden Bewerber wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Nach einiger Zeit wurde dem Österreicher eine andere „hereingekommene“ Stelle angeboten, der Afrikaner wurde hingegen nicht verständigt, obwohl diese Agenturen zum Teil für mehrere Firmen Personal rekrutieren.
Sozialbereich
Ein Austro-Afrikaner mit entsprechender Qualifikation ging tatsächlich zu den Vorstellungsgesprächen und berichtete uns ausführlich darüber. Hier seine Erfahrungen:
Ad (14) Bei diesem Job handelte sich um eine Karenzvertretung, allerdings wurde nicht bekanntgegeben, ob eine Frau oder ein Mann gesucht wurde. Das Vorstellungsgespräch verlief in sehr angenehmer Atmosphäre, zufällig waren der Personalchef und der Arbeitssuchende schon vorher einander bekannt. Bei diesem Gespräch wurde mitgeteilt, daß die Personalentscheidung zuerst im Team diskutiert wird und das Ergebnis in der Folge an die Zustimmung übergeordneter Entscheidungsträger gekoppelt ist.
Nach dem Vorstellungsgespräch fanden mehrmals Telefonate mit / und seitens der Firma statt, darüber hinaus wurde der afrikanische Bewerber zu einer detaillierten Einzelführung durch den Betrieb eingeladen. Dadurch entwickelte sich eine positive Erwartungshaltung, sowohl bei uns, als auch beim afrikanischen Sozialpädagogen. Unser Bewerber erhielt letztendlich dennoch eine Absage und war dementsprechend enttäuscht. Die Ablehnung wurde an eine männliche Person adressiert, allerdings lautete die Anrede: „Sehr geehrte Frau Musser, …“.
Ad (15) Da wir bis dahin relativ schnelle Reaktionen auf unsere Bewerbungen erhalten hatten, beschlossen wir nach einem Monat Wartezeit, bei einer sich als multikultureller Vernetzungseinrichtung präsentierenden Organisation mit blendendem Teamwork nachzufragen. Am 17.10.2000 konnten wir folgenden per Telefon geführten Dialog niederschreiben:
Männliche Stimme: „Multikulturelles … …“ Anschließend meint er auf unsere Anfrage, ob sie von uns weitere Unterlagen brauchen bzw. wie es mit unserer Bewerbung ausschaut, folgendermaßen: „Da bin ich nicht zuständig, da muß ich zuerst nachfragen.“ Der Mann geht weg und fragt kurz nach; wir erhalten folgende Antwort: „Die Stellen sind schon vergeben.“ Auf unsere Frage, warum wir weder schriftlich noch telefonisch verständigt wurden, obwohl e-Mail-Adresse, Telefonnummer und Adresse mitgeliefert wurden, reagierte er: „Das weiß ich nicht. Der Chef ist nicht da.“Auf unseren Kommentar, daß sein Unwissen wohl nicht auf Professionalität, bzw. gelebten Teamgeist schließen läßt, meinte er zögerlich: „Na ja …“ Und wir beendeten somit das Gespräch.
Ad (18) Unser Afrikaner war, wie beim Bewerbungsgespräch freimütig zugegeben wurde – abgesehen von unserem fiktiven Österreicher – der einzige Interessierte. Seine Bewerbung für Streetwork mit Drogenabhängigen am Karlsplatz wurde mit folgenden Worten positiv kommentiert: „Es ist gut, wenn sich Menschen mit dunklerer Haut für solche Stellen interessieren …“. So könne man dem Stereotyp vom drogendealenden „Schwarzen“ entgegenwirken. Der Afrikaner wurde auf mögliche Gefahren (HIV/AIDS, Behinderung der Arbeit durch Polizeikontrollen) in Verbindung mit der Arbeit aufmerksam gemacht und bekam eine Überlegungsfrist von einem Monat. Da der Bewerber zur Zeit eine weniger riskante und vom Zeitaufwand her vergleichbare Arbeit hat, blieb er bei der alten Arbeitsstelle. Diese Bewerbung war die einzige erfolgreiche.
Gespräche mit Afrikanern über ihre Erfahrungen bei der Jobsuche
Während der Durchführung unserer Studie unterhielten wir uns öfters mit afrikanischen Freunden, besprachen ihre Erfahrungen und baten sie um Feedback.
Nach Erfahrung eines afrikanischen Gesprächpartners (Ch. A.) erwies es sich als vorteilhaft, die Bewerbung(en) persönlich zur verantwortlichen Person (Personalchef/in) der jeweiligen Firma zu bringen. Einerseits war es so möglich, einen Blick in das Unternehmen zu werfen, andererseits konnte der Jobwerber gleich einige Worte mit der PersonalmanagerIn wechseln. Mißverständnisse betreffend der Vorstellung von intellektuellem Niveau, Auftreten, Deutschkenntnissen des Arbeitwerbers wurden dadurch im Vorfeld vermieden.
Nach Aussage von A. A. haben es afrikanische Frauen im Vergleich zu Männern leichter, eine Anstellung zu finden, insbesondere in der NGO-Szene, in welcher besonders im Bereich Gender-Fragen Möglichkeiten bestehen. Auch werden afrikanische Frauen nicht direkt mit Drogenhandel und illegaler Zuwanderung assoziiert. Ebenfalls sind Stellen in Verbindung mit sexuellen Gefälligkeiten für Frauen zugänglich (Stichwort „body-friend“). Finden afrikanische Frauen Eingang in den Arbeitsmarkt, müssen sie mit geringerer Bezahlung (als österreichische Frauen und als afrikanische Männer) rechnen.
A.A., der uns, indem er zu den Bewerbungsgesprächen ging, maßgeblich unterstützte, und sich in verschiedenen Integrationsbereichen aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrung gut auskennt, meinte, daß die Erwähnung politischen Asyls und sozialpolitischen Engagements im Heimatland oder in Österreich negativ aufgefaßt werden kann. Eventuell wirkt hier kritisches Bewußtsein abschreckend. Es könnte die Befürchtung bestehen, daß sich dieser Arbeitnehmer auch innerbetrieblich auflehnen und er dadurch „schwieriger“ sein könnte.
Absolventen der Technischen Universität werden sehr viel leichter von internationalen Konzernen eingestellt, wie uns B. K., der sich noch vor Studiumsabschluß auf fachspezifischen Veranstaltungen um Kontakte bemühte, erklärte. Für internationale Konzerne sind Sprachkompetenz (perfektes Englisch bzw. Arabisch) und die Notwendigkeit, internationale Teams aufzubauen, wichtige Anreize, um überdurchschnittlich kompetente AfrikanerInnen einzustellen, und diesen bei Bedarf sogar eine Arbeitsbewilligung zu verschaffen.
Resumée der Untersuchung über afrikanische Männer am Wiener Arbeitsmarkt
Die Österreicher wurden weit überproportional häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Entgegen unseren Erwartungen stellte sich heraus, daß auch der soziale Sektor ein hohes Maß von Diskriminierung aufweist, wie aus der spezifischen Auflistung von Bewerbungen in diesem Bereich ersichtlich.
Tabelle 72: Konkrete männl. Bewerbungen und Resultate
Firma | Datum | Stelle | Anmerkung | Rücklauf Austro-Afrik. | Rücklauf Österreicher | ||||
positiv | negativ | keine | positiv | negativ | keine | ||||
Caritas / Behinderte | 8./9.04. | X | X | ||||||
Auftakt / Karenzvertretung | 9./10.09. | Sozialpädagoge | X | X | |||||
Tangram | 9./10.09. | Sozialpädagoge | nach Anruf neg | X | X | X | |||
Caritas / Gruft | 11./12.11. | Dipl. Sozialarbeiter | Obdachlose | X | X | ||||
„Rettet das Kind“ | 11./12.11. | Dipl. Sozialarbeiter | Jugendliche | X | X | ||||
Verein Wiener Sozialprojekte | 11./12.11. | Dipl. Sozialarbeiter | Drogenabhäng. | X | X | ||||
Jugendberatung WAGGON | 11./12.11. | Sozialarbeiter | Jugendliche | X | X | ||||
Vinzentinum | 11./12.11. | Lehrer | X | X | |||||
ÖED | 11./12.11. | Sozialarbeiter | Mosambik | X | X |
Immer wieder liest und hört man von der Notwendigkeit verstärkter Multikulturalität in der Sozialarbeit und verwandten Bereichen. In der Praxis ist jedoch kaum eine Personalpolitik erkennbar, die die Einstellung von Sozialarbeitern aus anderen Kulturen begünstigt bzw. bewußt fördert. Auf die „afrikanischen Bewerbungen“ wurde vergleichsweise wenig reagiert, egal ob die Annoncen in der Neuen Kronenzeitung, Kurier oder dem Standard publiziert wurden.
Bei den Reaktionen fand sich kein meßbarer Unterschied zwischen kleinen und größeren Betrieben. Die positiven Antworten wurden jeweils identisch formuliert und kamen meist zum gleichen Zeitpunkt an.
Abschließend möchten wir bemerken, daß die Arbeitssuche für Afrikaner viel schwieriger als für Österreicher ist. Nur selten erhält man eine Antwort auf die Bewerbung, was die Motivation, sich immer wieder von neuem zu bewerben, nicht eben fördert. Als Erklärung für die niedrige Rücklaufquote nehmen wir die gängigen Vorurteile gegenüber Afrikanern an. Da eine legale Arbeitsstelle einen der zentralen Faktoren im Integrationsprozeß darstellt, plädieren wir für Bewußtseinsbildung, verstärkte interkulturelle Kontakte, die beispielsweise in Erziehungseinrichtungen gefördert werden könnten.
Afrikanische Frauen auf dem Wiener Arbeitsmarkt
Erwin Ebermann
Durch die Konzentration der beiden Kolleginnen auf männliche Bewerbungen übernahm ich den „weiblichen Teil“. Ich entschied mich von vornherein für Stellenannoncen für Studien- bzw. Schulabgängerinnen ohne vorausgesetzte Berufserfahrung. Damit wollte ich die Fehlerquelle ausschließen, daß Personalmanager berufliche Erfahrungen anders als ich bewerteten.
Bei insgesamt 15 Stellenangeboten aus Kurier und Standard im September und Oktober 2000 bewarben sich sowohl eine Austro-Afrikanerin namens Assata Agbogbe als auch eine geborene Österreicherin namens Angela Ebermann fiktiv für Stellenangebote, bei denen „frische“ Absolventinnen von Handelsschule, Handelsakademie oder der Wirtschaftsuniversität für Arbeitsplätze gesucht wurden. Laut Ausschreibungstext waren für diese Arbeitsplätze keine vorausgegangenen Arbeitserfahrungen erforderlich. Ich notierte in den Bewerbungsunterlagen neben Schule und Studium dennoch Ferialpraktika und andere Ferienarbeiten, um die Chancen der Bewerbungen zu erhöhen. Die Bewerbungen wurden an Reiseagenturen (bei denen Fremdsprachenkenntnisse besonders zählen sollten), Handelsfirmen und Rechtsanwälte gerichtet.
Die Ergebnisse
Im Vergleich mit den Bewerbungen afrikanischer Männer wurden sowohl afrikanische wie österreichische Bewerberinnen seltener eingeladen. Eine Erklärung könnte darin liegen, daß sich die Frauen häufiger um sehr gefragte Jobs bewarben und dadurch einer größeren Konkurrenz ausgesetzt waren.
Obwohl ich eine größere Akzeptanz afrikanischer Frauen im Vergleich zu afrikanischen Männern vermutete, war ich dennoch überrascht, daß Afrikanerinnen fast genauso häufig wie Österreicherinnen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden (immer eingedenk der kleinen Stichprobe). Das einzige komparative „Scheitern“ einer afrikanischen Stellensuchenden trat bei einem Rechtsanwalt (Sekretariat) auf, der bei unserer Rückfrage bezweifelte, ob eine Neo-Österreicherin auch nach 8 Jahren Aufenthalt imstande wäre, schwierigere deutschsprachige Texte bis in den sozialen Kontext hinein richtig zu deuten und bei Fehlern unverzüglich rückzufragen.
Die Stichprobe ist relativ klein. Sollte sich bei einer umfangreicheren Untersuchung die Tendenz bestätigen, daß Afrikanerinnen weniger häufig als Afrikaner abgelehnt werden, so würden wir den Grund dafür vor allem in einem positiveren Image von Afrikanerinnen sehen. Andere Passagen dieses Buches zeigen, daß Afrikanern von vielen Wienern Integrationsfähigkeit und –willigkeit abgesprochen wird. Ich vermute, daß die meisten Wiener mit Afrikanern eigentlich afrikanische Männer assoziieren, da afrikanische Frauen in Wien wesentlich seltener anzutreffen sind. Daher werden eigentlich afrikanische Männer gemeint, wenn Afrikaner mit klassischen Vorurteilsfeldern wie Drogenhandel und Kriminalität assoziiert werden. Afrikanischen Männern wird vermutlich daher bei Stellenbewerbungen häufiger Mangel an Integrationsfähigkeit und mangelnder Respekt lokaler Normen unterstellt als Afrikanerinnen.
Afrikanerinnen wurden zwar fast genauso häufig wie Österreicherinnen zu Bewerbungsgesprächen eingeladen, bei Absagen jedoch deutlich seltener informiert. Auf telefonische Anfrage wegen der Nichtbenachrichtigung erhielt ich als „männlicher Interessensvertreter“ der besagten Afrikanerin zweimal Entschuldigungen wegen des Versehens. Eine Personalmanagerin drückte aus, daß sie bei der Absage an die Afrikanerin „Bauchweh“ hatte, weil sie sich der vergleichsweise wesentlich größeren Enttäuschung der Afrikanerin bewußt war. Sie war unschlüssig, ob sie nicht eine wesentlich persönlichere Form der Absage wählen sollte, die wegen Überbelastung jedoch letztendlich nicht erfolgte.
Der Standard-Text der schriftlichen Ablehnungen war sowohl bei den Österreicherinnen wie bei den Afrikanerinnen identisch und wurde fast durchgehend mit der großen Zahl von Bewerbungen begründet.
Synthese & Analyse der Daten von Santner/Adam-Maxová & Ebermann
Tabelle 73: Gesamte konkrete afrikanische Bewerbungen
BEWERBERINNEN | ||||||
Austro-Afrikaner | Österreicher | Austro-Afrikanerinnen | Österreicherinnen | Alle ÖsterreicherInnen | Alle Austro-AfrikanerInnen | |
Zahl der Bewerbungen | 21 | 21 | 15 | 15 | 36 | 36 |
Einladungen zum Vorstellungsgespräch | 8 | 18 | 5 | 6 | 24 | 13 |
briefliche Absagen | 5 | 1 | 3 | 5 | 6 | 8 |
keinerlei Information | 8 | 2 | 7 | 4 | 6 | 15 |
Bei konkreten Bewerbungen im Namen von AfrikanerInnen stießen wir am Arbeitsmarkt auf folgende Reaktionen:
- Starke Vorbehalte gegenüber AfrikanerInnen: Selbst bei objektiv gleicher Qualifikation wurden ÖsterreicherInnen (67%) fast doppelt so häufig wie Austro-AfrikanerInnen (37%) zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Die wahrscheinlichen Gründe dafür liegen in vorhandenen Klischees, im Unwissen über die soziale Kompatibilität der afrikanischen Bewerber sowie in der Annahme, daß Österreicher lokale Usancen und Umgangsformen besser kennen;
- Spürbar größere Akzeptanz afrikanischer Frauen: Afrikanische Männer scheinen am Arbeitsmarkt auf vergleichsweise wesentlich größere Ablehnung als afrikanische Frauen zu stoßen. Dies könnte darauf schließen lassen, daß einige der negativsten Assoziationen mit Afrikanern (z.B. Drogenhandel oder die „natürliche Aggressivität der Afrikaner“, © die FPÖ-Abgeordnete Partik-Pablé) v.a. auf afrikanische Männer beschränkt sind. Auch wird Frauen generell eher die Fähigkeit zur Integration zugeschrieben;
- Die Diskriminierung am Arbeitsmarkt ist auch in besonders demokratie- und integrationsbetonten Bereichen spürbar: Selbst dort, wo per Definition der interkulturelle Ausgleich von besonderer Bedeutung ist, wie z.B. im Sozialbereich, sind keine besseren Einstellungschancen von Afrikanern bemerkbar;
- AfrikanerInnen werden im Falle der Nichtberücksichtigung wesentlich seltener informiert: Während die Hälfte der erfolglosen ÖsterreicherInnen eine briefliche Absage erhielt, erschien dies nur bei einem Drittel der AfrikanerInnen für notwendig. Dies mag teilweise mit der Unterschätzung dieser Bevölkerungsgruppe zusammenhängen, in Einzelfällen auch mit Konflikten der Personalverantwortlichen, die sich bewußt sind, daß Absagen an Afrikaner häufiger als rassistisch motiviert gedeutet werden und sich deshalb bewußt oder unbewußt für die Vogel-Strauß-Politik entscheiden;
Möglicher Einfluß der Branchenwahl auf die Chancen von AfrikanerInnen: Bei der zeit- und zahlenmäßig limitierten Untersuchung beschränkten wir uns auf bestimmte Branchen und BewerberInnen mit spezifischen Erfahrungen und Qualifikationen. Es ist möglich, daß eine Untersuchung anderer Branchen und mit anderen Bewerbungsprofilen andere Ergebnisse zeitigt. So wissen wir aus vielen Gesprächen mit afrikanischen Freunden, daß Afrikaner im High-Tech-Bereich wesentlich leichter Aufnahme zu finden scheinen. Ob dies mit dem dort vorhandenen Mangel an qualifiziertem Personal zusammenhängt oder damit, daß in diesem Bereich Arbeitgeber wie –nehmer generell jünger sind und dadurch weniger Vorurteile aufweisen, sollten weitere Untersuchungen klären.
Hintergründe der Arbeitsplatzprobleme von Afrikanern am Wiener Arbeitsmarkt
Für die Ablehnung von Afrikanern v.a. auf qualifizierten Arbeitsplätzen scheinen folgende Faktoren hauptverantwortlich zu sein:
- mangelnde rechtliche Zugangsmöglichkeiten zu Arbeitsplätzen;
- negative Einstellungen gegenüber Afrikanern;
- geringe Wertschätzung afrikanischer Ausbildungswege;
- Tendenzen in der österreichischen Gesellschaft zur Bildung von Ingroups, zur Cliquenwirtschaft und zum Ausschluß von Andersdenkenden und –seienden. Diese Tendenzen sind vermutlich sehr ungleich verteilt:
Arbeitsbereich | |||
Ursache der Zurückweisung |
Privatwirtschaft | Halböffentlicher und öffentlicher Bereich (Bund, Staat) |
Sympathisierende öffentl. Bereiche (EZA, Integration, Universität) |
Negative Vorurteile | Stärker | Stärker | Eher gering |
Ingroups | Geringer | Stärker | Eher stärker |
1. Das fehlende oder eingeschränkte Recht auf Arbeit
Afrikaner leiden wie andere Nicht-EU-Zuwanderer unter einem rechtlich sehr schwierigen und oft unmöglichen Zugang zum Arbeitsmarkt (siehe Rechtl. Situation von Zuwanderern, S. 133ff) .
Die Mühlen der Bürokratie halten zweifellos so manchen Arbeitgeber davon ab, Afrikaner zu beschäftigen; viele Afrikaner dürfen durch die Gesetzeslage nicht in den Branchen arbeiten, für die sie im Extremfall hochkarätige Studien absolviert haben (z.B. Architektur). Ich kenne verschiedene afrikanische Politologen, u.a. Universitätslektoren, die als Taxifahrer überleben müssen. Eine Taxifahrt mit afrikanischen Taxifahrern in Wien kann somit durchaus zu einer Lehrveranstaltung werden.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund trägt durch seinen starken Schutzgedanken für inländische Arbeitskräfte und seinen Einfluß bei den Arbeitsmarktgesetzen und –regelungen erheblich zu dieser Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt für Afrikaner und andere Zuwanderer bei. Verschiedene Politiker, u.a. Innenminister Ernst Strasser, dachten an, die Aufenthaltsgenehmigung mit einer automatischen Beschäftigungsbewilligung zu verbinden. Dem steht bisher aber vor allem die ablehnende Haltung der FPÖ im Weg. Auch die oppositionelle SPÖ fordert die Harmonisierung von Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung. Man muß ihr jedoch zum Vorwurf machen, daß sie jahrzehntelang als Regierungspartei keinerlei Schritte in diese Richtung unternahm.
2. Einstellungen und Vorurteile von Österreichern
In der nächsten Stufe wollten wir herausfinden, ob Afrikaner die ihnen entgegengebrachten Vorurteile am Arbeitsmarkt realistisch einschätzen. Dazu befragten wir 702 Wiener u.a. nach ihrer Bereitschaft, hochqualifizierte Arbeitsplätze an Afrikaner und 6 weitere Zuwanderergruppen zu vergeben. Dabei schnitten die Afrikaner am schlechtesten aller abgefragten Zuwanderergruppen ab:
Tabelle 74: Bereitschaft zur Vergabe von Topjobs an Afrikaner
Würde Topjob an Afrikaner vergeben | Häufigkeit | % |
stimme eher zu | 368 | 54,8 |
weiß nicht/neutral | 194 | 28,9 |
stimme eher nicht zu | 109 | 16,2 |
Gesamt | 671 | 100,0 |
16,2% würden Afrikanern keine hochqualifizierten Stellen geben. Verglichen mit anderen Zuwanderern würden Wiener qualifizierte Stellen vergeben an:
Tabelle 75: Komparative Chancen von Afrikanern für qualifizierte Arbeit
Vergebe Topjob eher an .. (in %) | |||
Vergleichsgruppe | Vergleichsgruppe | beide gleich | Afrikaner |
Chinesen | 18,1 | 80,8 | 1,1 |
Japaner | 23,4 | 75,7 | 0,9 |
Türken | 6,4 | 88,6 | 5,0 |
Araber | 7,3 | 90,1 | 2,6 |
Obwohl die meisten Wiener wahrscheinlich seltener mit Japanern als mit Afrikanern in Berührung kommen, würde fast ein Viertel der Befragten bei Bewerbungen Japaner gegenüber Afrikanern bevorzugen. Nur wenig besser als Afrikaner werden Türken und Araber eingeschätzt. Die Zuwanderergruppen werden in der gleichen Reihenfolge eingeschätzt, die Murray/Herrnstein 1994 bezüglich der Intelligenz von Menschengruppen annehmen: Gelb vor Weiß vor Schwarz. Da man Afrikaner für weniger intelligent hält, hält man sie auch für ungeeigneter für qualifizierte Arbeitsplätze.
Differenzierung der Einstellungen zu Afrikanern am Arbeitsplatz
Die Einstellungen zu Afrikanern am Arbeitsplatz hängen eng mit Schichtungseigenheiten der Interviewten zusammen:
Bildungsniveau: Höhergebildete Wiener zeigen eine höhere Bereitschaft der Vergabe von Topjobs an Afrikaner. Ab dem Maturaniveau des befragten Wieners steigt die Akzeptanz der Afrikaner auf qualifizierten Stellen spürbar an:
Tabelle 76: Bildung und Vergabe von Topjobs an Afrikaner
Würden Sie einem Afrikaner einen Topjob geben? (in %) | |||
Schulbildung | eher schon | weiß nicht | eher nicht |
Hauptschule u.ä. | 39,5 | 31,6 | 28,9 |
Zusatzausbildung | 47,2 | 50,0 | 2,8 |
Matura und Kurzausbildungen | 66,8 | 24,9 | 8,3 |
abgeschl. Studium | 68,9 | 23,6 | 7,5 |
Gesamt | 54,8 | 29,0 | 16,3 |
Persönliche Erfahrungen mit Afrikanern: Wer persönliche Erfahrungen mit Afrikanern machte (Berufskollegen, Freundschaft, persönliche Gespräche), neigt am Arbeitsplatz wesentlich seltener zu ihrer Unterschätzung. 26,4% der Personen ohne persönliche Erfahrungen mit Afrikanern würden ihnen hochqualifizierte Jobs verweigern, aber nur 8,2% der Personen mit Erfahrung.
Alter: Mit steigendem Alter der Befragten nehmen auch die Bedenken gegenüber Afrikanern auf qualifizierten Arbeitsplätzen zu:
Tabelle 77: Alter und Vergabe von Topjobs an Afrikaner
Ich würde einen Topjob an Afrikaner vergeben | ||||
eher schon | weiß nicht | eher nicht | ||
Altersklassen | 25 und jünger | 57,8 | 34,2 | 8,1 |
26-40 | 68,0 | 24,6 | 7,4 | |
41-55 | 53,6 | 29,5 | 16,9 | |
56 und darüber | 39,3 | 28,0 | 32,7 | |
Gesamt | 54,7 | 29,1 | 16,3 |
Geschlecht: Frauen befürworten Afrikaner auf qualifzierten Posten kaum öfters, sind aber deutlich seltener gegen ihre Beschäftigung auf diesen[7].
Zuwandereranteil im Wohnbezirk: Personen, die in Bezirken mit durchschnittlicher Zuwanderung leben, sind am offensten für Afrikaner auf qualifizierten Arbeitsplätzen, am wenigsten offen sind Wiener in Bezirken mit den geringsten Zuwandereranteilen[8].
Vertrauen in Verhaltensqualität noch wichtiger als Leistungszuschreibung
Eine Korrelation der Akzeptanzurteile mit anderen Einstellungen bzw. Charakteristiken der Interviewten zeigt folgende Zusammenhänge:
Tabelle 78: Afrikanereinschätzungen und Arbeitsvergabe (n=702)
Zustimmung zu Ausssage | Gebe Topjob an Afrikaner |
„Afrikaner sind Vorteil für Wien“ | ,620 |
„Afrikaner sind vertrauenswürdig“ | ,591 |
„Afrikaner sind intelligent“ | ,557 |
„Afrikaner verhalten sich in Wien akzeptabel“ | ,552 |
„Afrikaner sind fleißig und motiviert“ | ,499 |
„Afrikaner sind Belastung für Sozialsystem“ | ,409 |
Alter der Befragten | ,245 |
hat afrikanischen Nachbarn | -,060 |
Bildungsschicht | -,253 |
Afrikaner kennengelernt | -,288 |
„In Wien gibt es zu viele Afrikaner“ | -,499 |
Aus den Korrelationen verschiedener Einstellungen mit der Bereitschaft, an Afrikaner einen Topjob zu vergeben, geht eine große Skepsis gegenüber der sozialen Verträglichkeit von Afrikanern hervor. Die Vergabe qualifizierter Arbeitsplätze ist vor allem auch eine Angelegenheit des Vertrauens in die Berechenbarkeit und die kulturelle Kompatibilität des Andern. Die weit verbreitete Assoziation von Afrikanern mit Drogenhandel und Kriminalität vermittelt jedoch auch das Bild geringen Respekts der Afrikaner vor den lokalen Sitten, Bräuchen und Gesetzen. Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Afrikaner mit Faktoren wie Intelligenz oder Arbeitsmotivation ist ebenfalls von großer Bedeutung für die Zurückweisung der Afrikaner am qualifizierten Arbeitsmarkt:
Tabelle 79: Einschätzung der Arbeitsmotivation von Afrikanern
Sind Afrikaner bei der Arbeit motiviert und fleißig? | Häufigkeit | in % |
stimme eher zu | 176 | 26,1 |
weiß nicht | 372 | 55,1 |
stimme eher nicht zu | 127 | 18,8 |
Gesamt | 675 | 100,0 |
Nur ein Viertel der Befragten würde Afrikaner als eher fleißig und motiviert einstufen, etwa ein Fünftel hingegen als eher faul.
Das Gefühl der Nutzlosigkeit bzw. der Belastung des Sozialsystems durch die Afrikaner erhöht die Ablehnung: Wer das Gefühl hat, daß die Anwesenheit der afrikanischen Mitbürger der lokalen Gesellschaft nichts bringt („kein Vorteil“), ja sogar eine Belastung für das Sozialsystem darstellt und es daher besser wäre, wenn weniger Afrikaner hier wären („zu viele Afrikaner“), der reagiert auch mit einem hohen Maß an Ablehnung.
Die Vorstellung von Afrikanern als Belastung für das Sozialsystem könnte ungewollt von der „Vermarktung“ der Afrikaner durch Teile der sympathisierenden Bereiche gefördert werden. Die häufige Darstellung von Afrikanern als chronische Opfer, somit als Hilfsbedürftige, die immer jemanden benötigen, der ihnen weiterhilft, widerspricht dem Bild des gern gesehenen tüchtigen und eigenständig überlebensfähigen Zuwanderers. Diese Bilder werden besonders gerne von spendensammelnden Organisationen wie der Caritas verwendet.
Die Logik der Zuschreibung von Inkompetenz an wenig bekannte Zuwanderer
Wie kommt es dazu, daß die gleichen Personen Menschen aus ihnen wohl unbekannten Kulturen so unterschiedlich beurteilen? Nur wenige Wiener wissen über Afrika oder Japan Bescheid und dennoch halten sie Afrikaner für weniger leistungswillig und –fähig. Sie schließen vermutlich von der Wirtschaftsdynamik der Herkunftsregionen auf die Fähigkeit und Tüchtigkeit der Individuen. Hinter dem wirtschaftlichen Erfolg (schnelles Wirtschaftswachstum oder starke Wirtschaft) vermutet man meist Kompetenz, Power und Engagement, die man auch den Menschen der Region in erhöhtem Maße zuschreibt. Für diese Zuschreibung zählen weder historische Größe oder Leistungen (wie die der Ägypter, der Araber oder der Inka) noch der absolute Wohlstand (wie z.B. bei den Golfstaaten). Ist das Gefühl einer wirtschaftlichen Bedrohung gegeben (z.B. durch befürchtete Auslagerung von Arbeitsplätzen, den Verlust von Industrien u.a.), ist man auch leichter bereit, das Geistesleben der anderen Kultur kennenzulernen, weil man in ihr Schlüssel zum Erfolg vermutet. Heute studieren viele westliche Manager japanische Managementmethoden. Afrika fehlen leider noch vergleichbare wirtschaftliche Success-Stories, mit denen es auch zu einer individuellen Aufwertung von Afrikanern kommen könnte. Einige afrikanische Länder hätten das mittel- und langfristige Potential zu afrikanischen „Tigern“, u.a. Nigeria, Südafrika, Ghana. Aber noch ist es nicht soweit und viele Afrikaner werden abgelehnt, ohne ihre Leistungsfähigkeit beweisen zu können.
Die Geschlossenheit des Arbeitsmarktes
Österreich bietet Zuwanderern weniger Entwicklungschancen als vergleichbare Länder, wodurch am Arbeitsmarkt eine „ethnische Segmentierung“ entsteht, d.h. daß Zuwanderern vorwiegend einfache Tätigkeiten zugeschrieben werden, die qualifizierten aber Österreichern vorbehalten bleiben. So meinen Faßmann, Münz und Seifert (1999:111)
„Insgesamt bleibt festzuhalten, daß der österreichische Arbeitsmarkt für Zuwanderer weniger durchlässig ist als der deutsche.“
Als einen wesentlichen Grund vermuten die Autoren den starken Einfluß verstaatlichter bzw. kürzlich privatisierter Betriebe in der österreichischen Wirtschaft (1999:112):
„Die Einflußmöglichkeit von Parteien und Gewerkschaften auf die Rekrutierung der Mitarbeiter in den genannten Betrieben spielte dabei eine wichtige Rolle. Auch in etlichen erst vor kurzem privatisierten Betrieben ist der politische und gewerkschaftliche Einfluß nach wie vor groß. Das Primat der Inländerbeschäftigung ist in Österreich sowohl ein explizites Ziel gewerkschaftlicher Politik als auch ein Ergebnis der Vergabe von Positionen und Posten nach parteipolitischen und klientelistischen Kriterien.“
Arbeit in sympathisierenden Bereichen
In den Bereichen der Integration, der Entwicklungspolitischen Bildungsarbeit und an den Universitätsinstituten mit Nord-Süd-Orientierung wird nicht selten der strukturelle Rassismus der lokalen Gesellschaft wegen verminderter Zugangschancen für Zuwanderer kritisiert. Daher sollten eigentlich Zuwanderer in diesen Arbeitsfeldern überdurchschnittliche Chancen auf qualifizierte Arbeitsplätze vorfinden, umso mehr, als Zuwanderer aus den Schwerpunktregionen der Institute Startvorteile bei Sprachen und Regionskenntnissen aufweisen.
Der Bereich der Entwicklungspolitischen Bildungsarbeit
Umkehr ist notwendig
So können und dürfen wir nicht weitermachen. Das sagen nicht nur Minister, Präsidenten und Bischöfe. Nach unserer derzeitigen Kenntnis von Umweltproblemen, bitterster Armut, Kriegs- und Flüchtlingselend und nach unseren Ängsten um den Erhalt unserer eigenen Sicherheit und unseres Wohlstandes sind entschiedene Beiträge zur internationalen sozialen Frage wichtig. Ein Ausgleich, der weit über die freiwillige Entwicklungshilfe hinausgeht, muss dringend gefunden werden. Die kirchlichen Nicht-Regierungs-Organisationen verstehen sich immer stärker als Anwälte einer anderen Entwicklungspolitik und fordern den Strukturwandel zwischen Nord und Süd. (Heinz Hödl, Geschäftsführer der Dreikönigsaktion im Jahresbericht 1999)
Es sind schöne Worte, mit denen der damalige Geschäftsführer einer der größten EZA-Organisationen das notwendige Umdenken beim Umgang mit Gesellschaften und Menschen aus dem Süden einfordert. Der Blick auf das Mitarbeiterverzeichnis seiner Organisation in Österreich enttäuscht jedoch, da ist keine Rede von Strukturwandel, Partizipation und Mitarbeitsmöglichkeiten von Zuwanderern. Die Dreikönigsaktion Hrn. Hödls weist mit weitem Abstand den geringsten Prozentsatz von Zuwanderern innerhalb der EZA auf, nämlich 0. Unter 22 Beschäftigten findet sich kein einziger Zuwanderer.
Aber auch die anderen Institute und Vereine des entwicklungspolitischen Bildungsbereichs sind nur bedingt Vorzeigemodelle der Integration von Zuwanderern am Arbeitsplatz. Die folgende Tabelle zeigt den Mitarbeiterstand der wichtigsten Institute und Vereine des entwicklungspolitischen Bildungsbereichs in Wien und die Zahl der Zuwanderer aus Nicht-EU-Ländern, die bei ihnen beschäftigt sind[9].
Tabelle 80: Beschäftigte Zuwanderer im EZA-Bereich
Verein/Institut | Mitarbeiter | Davon Nicht-EU-Zuwanderer | Datenquelle | genauer |
AAI-Wien | 10 | 1 | Homepage | Emailadressen |
AGEZ | 1 | 0 | Homepage | http://www.agez.at |
Dreikönigsaktion | 22 | 0 | Homepage | „Menschen“ |
Frauensolidarität | 5 | 1 | Homepage | http://www.frauensolidaritaet.org/ |
Horizonte3000 | 10 | 0 | Homepage | Mitarbeiter |
Klimabündnis | 3 | 0 | Homepage | „Email“, nur Mitarbeiter für Wien |
Kulturen in Bewegung | 7 | 0 | Homepage | „Team“ |
LAI | 7 | 2 | Homepage | „Kontakt“ |
ÖFSE | 25 | 2 | Homepage | Jahresbericht -> Mitarbeiter 1998 |
ÖOG | 7 | 1 | Homepage | “Organisation” |
Südwindagentur | 9 | 1 | Homepage | „Team“ |
Südwind-Buchwelt | 7 | 1 | Homepage | „Südwind-Team“ |
Trialog | 3 | 0 | Homepage | Mitarbeiter |
GESAMT | 116 | 9 (5 aus Süden) |
Keine Infos auf Homepage: Nordsüd-Institut, VIDC, TransFair, WIDE
Daraus ergibt sich ein zugewanderter Mitarbeiteranteil von 7,7%, ein enttäuschend niedriger Prozentsatz für einen internationalen Bereich mit hohem Emanzipationsanspruch, da der prozentuelle Anteil der Zuwanderer an der Wiener Bevölkerung mit 16,7% mehr als doppelt so hoch liegt[10]. Nur 5 Personen kommen aus dem Süden, d.s. 4,3%.
Dabei könnten gerade in diesen Bereichen Menschen aus dem Süden einige Bilder über ihre Heimatregionen zurechtrücken und gleichzeitig ihre eigene Kompetenz beweisen, was ihre Integration in die lokale Gesellschaft erleichtern würde. An qualifizierten Personen mangelt es nicht. Einige der brillantesten Köpfe der Branche sind Zuwanderer, wie der blendende Analytiker Federico Nier-Fischer aus Uruguay, der Journalist Simon Inou aus dem Kamerun oder der Wirtschaftswissenschaftler und Dichter Tarek Eltayeb aus dem Sudan, doch ohne Chancen auf dauerhafte Beschäftigung oder ausreichende Projektfinanzierung. Dieses Bild fällt auch nicht besser aus, wenn das zuständige Ministerium (BMaA) mit seiner Entwicklungssektion berücksichtigt wird[11].
Der Integrationsbereich
Im Zentrum des Integrationsbereichs in Wien steht der Wiener Integrationsfonds, der sowohl mit einer Vielzahl eigener integrativer Maßnahmen wie auch als wesentliche Subventionsstelle für Integrationsprojekte agiert. Mehr als die Hälfte seiner Angestellten wurde in Nicht-EU-Ländern geboren, eine positive Vorbildwirkung für die Integration von Zuwanderern, auch wenn die leitenden Positionen von hier geborenen Österreichern besetzt werden.
In der Folge werden in Wien ansässige Vereine und Institutionen mit ihrem Zuwandereranteil präsentiert[12]. Dabei wurde auf die Einbeziehung von Vereinen verzichtet, die wie z.B. Echo reine Zuwandererinitiativen darstellen, da uns v.a. die Offenheit österreichischer Vereine für die Aufnahme von Zuwanderern interessierte:
Tabelle 81: Beschäftigte Zuwanderer im Integrationsbereich
Einrichtung | Anzahl der MA | Zuwanderer (Nicht-EU) | Datenherkunft |
Evangelischer Flüchtlingsdienst | 27 | 7 | http://members.eunet.at/efdoe/ |
Hallamasch | 6 | 1 | http://www.hallamasch.at/html/festival.html |
Interkulturelles Zentrum | 4 | 0 | http://www.iz.or.at/organisation/staff/index.html |
Integrationsfonds | 75 | 43 | Anruf im Büro, 28.2.2001 |
Unbekanntes Wien | 7 | 0 | http://www.unbekannteswien.at/team/textteam.html |
WUK | 70 | 5 | Persönlicher Anruf bei Vorstandsmitglied |
Beratungszentrum für Migranten | 15 | 10 | Anruf in Büro, 28.2.2001 |
Integrationshaus | 24 | 10 | Anruf in Büro, , 28.2.2001 |
ZARA | 2 | 0 | Anruf in Büro, , 28.2.2001 |
GESAMT | 230 | 76 |
Man bemerkt bei einem ersten und oberflächlichen Blick ein extrem uneinheitliches Bild. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter des Integrationsbereichs ist zugewandert, was über dem Anteil von Zuwanderern an der lokalen Bevölkerung liegt. Klammert man das Leitinstitut Integrationsfonds aus, sinkt der zugewanderte Mitarbeiteranteil auf ein 1/6, was der lokalen Zuwanderungsquote entspricht. Dieser Anteil könnte eine Art ethisches Mindestmaß für integrationsorientierte Vereine ab einer bestimmten Größe darstellen. Daher ist z.B. das WUK trotz eines afrikanischen Vorstandsmitglieds eher enttäuschend, während z.B. das Integrationshaus, der Integrationsfonds, oder der Evangelische Flüchtlingsdienst mit einem über 25%igen Zuwandereranteil vorbildlich sind.
Im Vergleich mit dem Entwicklungspolitischen Bildungsbereich schneidet der Integrationsbereich deutlich besser ab (Zuwandereranteil ca. 1/3-1/6 gegenüber 1/14 in der Entwicklungspolitik). Er scheint auch ungleich bessere Chancen der Finanzierung von Projekten von Zuwanderern zu bieten, wodurch ebenfalls (temporäre) Arbeitsplätze geschaffen werden können. Auch in kontrollierenden Beiräten, wie z.B. dem des Integrationsfonds, sind Afrikaner und andere Zuwanderer wesentlich besser als in vergleichbaren Einrichtungen des entwicklungspolitischen Bildungsbereichs vertreten.
Die Universitäten
Im Bereich der Studien mit (Nord-)Süd-Ausrichtung an der Universität Wien entfallen auf Zuwanderer ebenfalls oft nur die Peanuts, nämlich die eher temporär anfallenden und nicht absichernden Aktivitäten wie z.B. Lehraufträge. Wir finden neben einzelnen Gastprofessoren auch zahlreiche zugewanderte Lektoren. Auf den Arbeitsplätzen mit festen Anstellungsverhältnissen sind jedoch Zuwanderer und insbesonders Nicht-EU-Bürger äußerst selten zu finden. Die folgende Tabelle zeigt die Institute der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, die sich mit Ländern des Südens beschäftigen und daher auch hochqualifizierten Menschen aus diesen Regionen Arbeitsplatzmöglichkeiten bieten könnten. Dabei wurden ausschließlich qualifizierte Posten berücksichtigt[13]:
Tabelle 82: Beschäftigte Zuwanderer im Nord-Süd-Bereich der Unis
Institut | Gesamt | Davon Nicht-EU |
Afrikanistik | 10 | 0 |
Ägyptologie | 5 | 0 |
Arabistik | 3 | 0 |
Indologie | 12 | 2 |
Japanologie | 6 | 0 |
Judaistik | 6 | 0 |
Koreanologie | 2 | 2 |
Sinologie | 6 | 0 |
Turkologie | 3 | 0 |
GESAMT | 53 | 4 |
Somit kommen etwa 7,5% der Mitarbeiter der Universitätsinstitute mit Spezialisierung auf die Länder des Südens aus diesen Ländern. Wirft man einen Blick auf vergleichbare amerikanische Universitäten, wie z.B. der Universität von Chicago, so bemerkt man einen meist mehrfach höheren Anteil an Wissenschaftlern aus den betreffenden Regionen in internationalen Studienrichtungen.
Wenn Du die Welt verbessern willst, mußt Du bei Dir beginnen
Die Arbeit in den sympathisierenden Bereichen ist sehr begehrt, da viele Menschen voll Idealismus an der Gestaltung einer besseren und weil gerechteren Welt mitarbeiten möchten. Doch gerecht hängt eng mit Recht zusammen, mit Objektivität, Fairneß und Chancengleichheit. Viele, die den strukturellen Rassismus der österreichischen Gesellschaft kritisieren, scheitern schon an den Hausaufgaben.
Ein schöner chinesischer Wahrspruch, gleichzeitig auch einer der Leitsprüche moderner Entwicklungspolitik, lautet: „Gib Hungrigen keine Fische, sondern eine Angel“. Dieses Sprichwort steht für die erklärte Absicht, Menschen im Süden von der Hilfe des Nordens unabhängig zu machen und ihnen das Überleben aus eigener Kraft zu ermöglichen. Wo bleibt der gleiche Anspruch in den sympathisierenden Bereichen, wo bleibt die Angel in Form qualifizierter Arbeitsplätze oder repräsentativer Vertretung in Gremien, welche über Ressourcen entscheiden? Obwohl Afrikaner und andere Zuwanderer in diesen Branchen eigentlich überdurchschnittliche Chancen auf Anstellung vorfinden sollten, sind sie dennoch deutlich unterrepräsentiert. Dies wird von den Betroffenen immer schärfer kritisiert:
„Warum sind in der sozialen Arbeit für Migranten nicht 50% Migranten der zweiten und dritten Generation vertreten? Wie sollen wir gegen Rassismus und für Integration etwas tun, wenn die Leute in diesem Bereich uns das nicht zutrauen? Wollt ihr uns wirklich helfen oder wollt ihr nur Arbeitsplätze besetzen?“[14]
Der geringe Prozentsatz zugewanderter Mitarbeiter in den sympathisierenden Bereichen läßt sich durch Vorurteile kaum erklären, da die meisten Mitarbeiter dieser drei Bereiche eher positiv gegenüber Zuwanderern eingestellt sind. Die geringen Arbeitsmarktschancen der Zuwanderer hängen vermutlich mehr mit der Tradition der oben beschriebenen geschlossenen Gesellschaft zusammen, die auch vor diesen Bereichen nicht halt macht. Die Geschlossenheit eines Bereichs kann umso eher gewahrt bleiben, je mehr sich dieser dem globalen Wettbewerb entziehen kann. Dies ist in der Privatwirtschaft kaum mehr möglich, wohl aber in den sympathisierenden Bereichen.
In jedem dieser Bereiche gibt es großen Enthusiasmus, viele hochengagierte und fähige Menschen, findet man brillante Führungspersönlichkeiten, die sich genauso gut in der Privatwirtschaft durchsetzen könnten, aber auch viele unerklärliche Personalentscheidungen, die in vielen anderen Ländern und Branchen kaum denkbar wären.
Liebe Deinen Nächsten mehr als den Entfernten
Ein wesentliches Merkmal vieler Postenbestellungen liegt häufig in der Bestellung von Vertrauten und Anhängern. Da wird zum Beispiel in der Ausschreibung für einen EZA-Posten im Außenministerium mehrjährige Erfahrung in der Region wie auch im Entwicklungsbereich eingefordert, letztendlich setzt sich ein unerfahrenes Greenhorn durch. „Typisch!“ lauten so manche Reaktionen in der Branche, als gleichzeitig politische Naheverhältnisse bekannt werden. Manche Institutsvorstände rekrutierten ihr gesamtes Personal aus der eigenen Pfarre, was den Wunsch nach Vertrautem bei Postenbestellungen demonstriert.
Afrikaner und andere Zuwanderer sind offensichtlich noch zu wenig vertraut. Im Mai 2002 wurde von einem führenden spendensammelnden katholischen EZA-Institut eine Projektassistentenstelle für Afrika ausgeschrieben. Simon Inou, Chefredakteur von Radio Afrika, bewarb sich um diese Stelle, da die publizierten Qualifikationen auf ihn zutrafen. Er fragte telefonisch beim Verantwortlichen nach, den er in vielen Gesprächen als sehr liberalen und weltoffenen Menschen kennengelernt hatte, ob er bei einer Bewerbung Chancen hätte. Dessen Antwort: „Kann ich mir kaum vorstellen. Die Menschen sind einfach noch nicht reif dafür. Vielleicht in zwei Jahrzehnten.“
An den internationalen Instituten der Universität schwankt die Qualität der Universitätslehrer und der Lehrveranstaltungen zwischen den Extremen Volkshochschulniveau und Genialität. Ist an einem Institut eine Habilitation für die Zuerteilung von Vorlesungen notwendig, genügt an den meisten das Vorliegen von Publikationen und an verschiedenen sogar die persönliche Fürsprache eines Professors. Universitätslehrerposten können auch an Kandidaten vergeben werden, die nur 1/10 der Publikationen mehrerer Mitbewerber aufweisen. Hausberufungen, also die Berufung eines Institutsmitglieds, erfolgen in Wien um vieles häufiger als z.B. in Deutschland. Dort wird bei einer Hausberufung die Stelle automatisch neu ausgeschrieben, da man Klientelismus entgegentreten möchte. Vor Jahren saß ich in einer Universitätskommission, die eine führende Position vergeben sollte. Ich erinnere mich an mein ungläubiges Staunen, als mir einer der Hauptanwärter einen Zettel in die Hand drückte, auf welchem genau beschrieben stand, wie der Ausschreibungstext für die Dienststelle auszusehen hätte. Rein zufällig stimmte die Beschreibung genau mit seinem Curriculum überein. Ich bezweifle, daß ich der Einzige war, der diesen Zettel erhielt.
Im Integrationsbereich werden Personen von Österreich in die wichtigsten internationalen Gremien entsandt, die sich nie zuvor bemerkbar mit Integration befaßt haben.
Diesem Automatismus, den vertrauten Kandidaten zu bevorzugen oder den Kandidaten, der von einem Freund vorgeschlagen wird, unterwerfen sich viele, die sich sonst vorbildlich verhalten. Ich kenne Personen, die Zuwanderern ihr letztes Hemd geben würden, es aber gleichzeitig für selbstverständlich halten, daß ihnen näherstehende Personen gegenüber klar besser qualifizierten externen Mitbewerbern den Vorzug erhalten. Sie können im 4-Augen-Gespräch ohne erkennbare Schuldgefühle offen zugeben, daß der von ihnen gewählte Kandidat nicht unter den Bestqualifizierten war. Für manche ist die Entscheidung für den Kollegen ein sozialer Akt und kein Affront gegenüber dem unbekannten Bewerber. Man betrachtet die Institute oft wie private Vereine, in denen Familienmitglieder besondere und ersessene Rechte des beruflichen Aufstiegs besitzen. Es gibt in diesen teilweise geschützten Bereichen ein Restgefühl der Insel der Seligen, auf der die Konkurrenz zu ähnlichen Einrichtungen weitgehend negiert wird und in der Leistungsdenken eine geringere Rolle spielt. Es ist wie die Suche nach einer engen Heimat, die man sich schaffen möchte. Vielleicht trägt auch dies zum scharfen Feindbild der Globalisierung und der Marktwirtschaft bei, die man von seinem eigenen Wirkungsbereich möglichst fernzuhalten versucht, auch wenn man sich thematisch intensiv mit ihren negativen Folgen beschäftigt. Zur Idealvorstellung eines harmonischen Zuhauses gehören ersessene Ansprüche, weitgehende Ablehnung von interner Meinungsvielfalt, Ablehnung von gesunder Konkurrenz und Strukturkritik.
Dazu kommt mitunter auch das individuelle Karrieredenken. So mancher Kollege sitzt auf dem engen Wiener Markt in nahezu jedem entscheidenden Gremium. Man braucht also seine Zustimmung für den eigenen Aufstieg bzw. die Durchsetzung eigener Interessen. Daher könnte das engagierte Eintreten für den besseren Kandidaten und damit gegen die Interessen des Kollegen gerade für wenig Abgesicherte fast selbstmörderisch sein. Wohl nicht zu Unrecht meint Günther Bonn, der stellvertretende Vorsitzende des Rates für Forschung und Entwicklung[15]:
„Bei Personalentscheidungen wird bisweilen offen gesagt: ‚Der ist zu gut, also wählen wir ihn nicht.’ So ist es kein Wunder, daß ausländische Forscher nicht gerne nach Österreich kommen und gute Österreicher ins Ausland gehen.“
Transparenz, Objektivität und Fairneß von Postenvergaben hängen sehr viel mehr mit Personen als mit Institutionen zusammen und können sich innerhalb kürzester Zeit ins Gegenteil verkehren. Im katholischen Afro-Asiatischen Institut Wien wurde unter der Leitung Wochinz/Weihbischof Kuntner jede Stelle öffentlich ausgeschrieben, wobei die fachliche Qualifikation absolute Priorität hatte. Durch einen gewissenhaften Ausleseprozeß konnten Personalentscheidungen sehr lange dauern, da sich in der Regel 200 Akademiker für qualifizierte Posten bewarben. Unter den direkten Nachfolgern ging alles viel schneller, weil informeller. Es kam zu einer Häufung informeller Postenvergaben ohne Ausschreibung mit fachlich teilweise schwer nachvollziehbaren Entscheidungen.
In der Privatwirtschaft gibt es wahrscheinlich mehr Vorurteile einer mangelnden Leistungsfähigkeit und –willigkeit von Afrikanern und anderen Zuwanderern, andererseits aber auch offenere Strukturen, in denen der offensichtlich Bessere, Qualifiziertere und Leistungswilligere eher eingestellt wird. Die Steigerung der Produktivität hat allererste Priorität und ist eine Überlebensfrage. Der Vertraute hat auch hier gewisse Vorteile, der fachliche Unterschied zum Nichtvertrauten darf jedoch nicht zu groß sein, weil dies die Überlebensfähigkeit des Betriebs gefährden würde. Das Tor ist für Zuwanderer weiter offen, aber man muß als Afrikaner doppelt so deutlich zeigen, daß man gut ist.
In den sympathisierenden Bereichen hat man wahrscheinlich seltener negative Vorurteile gegenüber Afrikanern. Das Tor ist aber wegen starken Ingroup-Denkens gleichzeitig verschlossener. Zuwanderer, wenig vertraut mit lokalen Seilschaften und Parteien, haben hier ähnliche Probleme wie Österreicher, die sich der oft zwingenden Mitgliedschaft in Parteien, Bünden, Cliquen nicht unterwerfen und alleine auf ihre Leistungsfähigkeit setzen. Der aus Äthiopien stammende Leiter des Migrantenforums, Sintayeho Tsehay (persönliches Gespräch) meint:
„Die Bereiche Integration und Entwicklungspolitik sind stark von Cliquenwirtschaft geprägt, in denen persönliche Beziehungen wichtiger als Qualifikation zu sein scheinen. Viele Afrikaner haben sich schon für eine Position in der Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium und anderswo beworben, aber wir haben kaum Chancen. Eines Tages resigniert man und bewirbt sich nicht mehr. […] Ähnlich bei den Subventionen, wo in der EU eine Initiative von Afrikanern bzw. Zuwanderern wesentlich höhere Finanzierungschancen als in Österreich hat. Ohne Beziehungen und ohne jemandes Liebkind zu sein, geht hierzulande in Bund und Staat kaum etwas.“
Die Förderungsstrukturen des Entwicklungspolitischen Bildungsbereichs
Findet man keinen Job bei Institutionen, könnte man auch durch Projekte überleben. Die Entwicklungssektion des Außenministeriums gründete vor einigen Jahren eine ausgelagerte Stelle für Subventionsansuchen im Entwicklungspolitischen Bildungsbereich. Diese vergibt im Jahr etwa 3 Millionen € für Projekte. Projektanträge werden thematisch von drei verschiedenen Beiräten beurteilt. Daher gibt es einen Beirat für Publizistik und Wissenschaft, einen für entwicklungspolitische Bildung und einen für Kultur und Audiovisuelle Medien.
Bei ihren Projektanträgen stehen afrikanische Antragsteller in direkter Konkurrenz zu großen traditionellen Institutionen wie Südwind-Agentur, ÖFSE, LAI u.a. Theoretisch sollten sich bessere Projektanträge in diesen kompetent besetzten Beiräten durchsetzen. Leider ist die Zusammensetzung der 3 Beiräte nicht unproblematisch, weil nur ein einziger Zuwanderer[16] unter insgesamt 24 Mitgliedern (d.h. etwa 4% Zuwandereranteil) aufscheint, aber einige offensichtliche Interessensvertreter großer Organisationen, in Einzelfällen sogar Angestellte derselben. Dieses Ungleichgewicht ist darauf zurückzuführen, daß die großen Organisationen bei der Gründung dieser Stelle gefragt wurden, wen man in die Beiräte entsenden sollte. Ich finde die meisten Beiratsmitglieder kompetent und engagiert. Aber manche geraten durch ihre mehrfachen Funktionen und Aktivitäten in unüberwindbare Interessenskonflikte. Könnte man es ihnen verdenken, wenn sie bei einer Finanzkrise „ihrer“ Institution, die zu Entlassungen führen könnte, Konkurrenzanträgen von Zuwanderern und anderen Konkurrenten zumindest ambivalent gegenüberstehen?
Als ich noch Abteilungsleiter des Afro-Asiatischen Instituts war, betrieben wir selbstverständlich vor wichtigen Vergabesitzungen Lobbying bei nahestehenden Beiratsmitgliedern. So konnten wir schon im Vorfeld das Risiko der Nichtfinanzierung von Projekten minimieren. Afrikanern und anderen Zuwanderern steht dieser Weg meist nicht offen. Es ist daher naheliegend, daß sie bei gleicher Qualität ihrer Anträge eine geringere Chance haben, ihre Projekte finanziert zu sehen. Dadurch können sie aber wiederum kaum Arbeitsplätze für sich schaffen. Dies wird von den Betroffen selbst deutlich kritisiert. So meint Damien Agbogbe:
Auch bei Subventionsansuchen gibt es in diesen Bereichen keine Chancengleichheit. Bei Finanzierungsansuchen muß man als Einreicher darauf achten, Nichtafrikaner in den Vordergrund zu stellen. Ich hörte oft, daß Projekte „zu schwarz klingen“ und daher nicht gefördert werden, während vergleichbare Projekte von Österreichern subventioniert werden. Es gibt auch in diesen Bereichen Zweifel an den Fähigkeiten von Afrikanern, Projekte auch umsetzen zu können und großes Mißtrauen ihnen gegenüber. Dazu kommt innerösterreichische Cliquenwirtschaft.
Ich habe seit Jahren in Vorträgen und Diskussionen dafür plädiert, diese schwer verständliche Benachteiligung von Zuwanderern durch erhöhte Einbeziehung von Afrikanern und anderen Zuwanderern aus dem Süden in die Beiräte zu verringern. Ich freute mich daher, daß im Februar 2001 eine Austro-Afrikanerin in einen Beirat aufgenommen wurde. Nicht bedacht wurde aber, daß diese auch Leiterin eines subventionsansuchenden afrikanischen Vereins ist und dadurch bei Konkurrenzanträgen in Interessenskonflikte geraten wird. Das zeigt einmal mehr, daß in Österreich kaum ein Sensorium für Interessenskonflikte besteht.
Auch Multifunktionäre, die z.B. in der EZA häufig vorkommen, sind an der Einstellung von Vertrauten und leicht Kontrollierbaren interessiert, wenn auch eher aus Gründen der leichten Administrierbarkeit. Sie suchen in erster Hinsicht das bereits Bekannte und Vertraute, weil es ihren Lernaufwand minimiert. Sie brauchen vorwiegend Fortschreiber von Systemen. Je innovationsbereiter, neuer und fremder die Gedankenwelten der von Multifunktionären Angestellten, um so größer wird der Verwaltungs- und Lernaufwand des Multifunktionärs, um so weniger sind die vielfachen Funktionen des Multifunktionärs noch administrierbar.
Cliquenwirtschaft wie Multifunktionärswesen verstärken daher die Geschlossenheit des Systems und bedrohen Andersdenkende und Systemkritik oft mit Ausschluß, Andersseiende mit Nichtaufnahme.
Die Arbeitsplatzprobleme von Afrikanern in qualifizierten Bereichen aus der Sicht eines Personalmanagers
Interview mit Karl Piswanger[17]
F: Warum scheitern Afrikaner häufig bei Bewerbungen für qualifizierte Arbeitsplätze?
P: Afrikaner sind, verglichen mit anderen Kandidaten, oft sehr schlecht auf Vorstellungsgespräche vorbereitet. Sie wissen häufig nichts über die Firma, bei der sie sich bewerben. Ihren Unterlagen mangelt es oft an Qualität. Häufig fehlt es ihnen auch an ausreichenden sprachlichen Kenntnissen. Darüber hinaus meinen sie oft, besonders demonstrieren zu müssen, daß sie Afrikanern nachgesagte Schwächen nicht aufweisen. Sie versuchen (sich) oft zu beweisen, daß sie in jedem Fall zurückgewiesen werden. Dabei sollten sie vielmehr ihre Stärken ausspielen, wie z.B. ihre soziale Kompetenz, ihre einnehmende Art, mit Menschen umzugehen.
F: Afrikaner nehmen an, daß ihnen häufig nicht die notwendige Intelligenz für hochqualifizierte Jobs zugetraut wird. Verschiedene Studien zeigen, daß ca. 20% der Österreicher Farbige für weniger intelligent als Weiße halten. Spielen derartige Vorurteile Deiner Erfahrung nach eine Rolle bei der Vergabe qualifizierter Stellen?
A: Nicht wirklich. Ich glaube, das ist eher sehr selten der Fall. Ich glaube vielmehr, daß Afrikanern eher wenig Power, Konsequenz, Streßresistenz und Organisationsmanagement zugetraut wird. Deswegen werden sie dort, wo wie z.B. im Marketing unter extremem Druck in kürzester Zeit wichtigste Entscheidungen gefällt werden müssen, eher seltener eingestellt. Afrikaner haben auf der 1., 2. und 3. Management-Ebene weniger Chancen, erst ab der 4. Ebene werden sie häufiger beschäftigt. Hingegen werden sie dort sehr gerne gesehen, wo soziale Kompetenz wie in sozialen Berufen eine Rolle spielt. In Berufsfeldern mit Mangel an qualifiziertem Personal wie den High-Tech-Bereichen haben Afrikaner kaum Probleme, bei Nachweis ihrer Qualifikation unterzukommen. Generell ist zu sagen, daß bei Stellenausschreibungen ausschließende Tendenzen (d.h. daß man an Menschen aus bestimmten Kontinenten nicht interessiert ist) seit dem EU-Beitritt deutlich zurückgegangen sind. Österreich hat sich hier spürbar internationalisiert.
Auf der Suche nach Gold
Januarius SSeruwagi
Schon bevor ich nach Europa kam, war ich von einer Ärztin in einem nahen Spital und dem katholischen Priester in der nächsten Pfarre schwer beeindruckt. Die Ärztin war weiß, hellhäutig, aus London im fernen Großbritannien. Als Kinder malten wir uns in Gedanken aus, woher sie kam und wie schön es dort wäre. Ein Land, in dem wohl Milch und Honig fließen würden… Wir träumten alle davon, eines Tages nach Europa zu fahren. Phantasien von Kindern, maßgeblich beeinflußt von ihr und dem Priester, der immer sein Motorrad anhielt, um uns Bonbons und Schokolade zu geben. Darüber hinaus besuchte einer meiner Verwandten die Cambridge University und war nun ein Tutor an einer der Universitäten meines Landes geworden. Ich mußte mir als Erwachsener also unbedingt diesen Kindheitstraum erfüllen.
Machen wir in der Geschichte einen großen Sprung um einige Jahre nach vor, ich befinde mich schon in Wien. Diese Geschichte handelt von Darwins „natürlicher“ Auslese, seinem „survival of the fittest“, wie man im Englischen so schön sagt. Eine Arbeit in Wien zu suchen, gleicht einer Goldsuche, wo das geringste Glitzern das Herz des armen Mannes höher springen läßt.
Hier scheinen die Jobs auf der Straße herumzuliegen. Da ist die Dame am Informationsschalter des Arbeitsamtes, die ich frage, wohin ich mich wenden solle. Sie fragt: „Was wollen Sie hier?“. Ich sage, daß ich Arbeit suche. Sie sagt mir, ich solle das Formular, das sie mir in die Hand drückt, ausfüllen und fragt sofort nach meinem Geburtsdatum! Dann sagt sie, ich solle ins Erdgeschoß gehen, wo ich eine Nummer bekäme, mit der ich mich anstellen solle.
Als ich nun warte, ruft jemand meinen Namen über die Lautsprecher aus und ich begebe mich in die heiligen Räumlichkeiten einer Dame, die mich wieder fragt, was ich möchte. Ich antworte in holprigem Deutsch, daß ich Arbeit suche. Sie fragt, welche Art von Arbeit ich möchte. Ich antworte, daß ich jede Art von Arbeit akzeptieren würde und falls sie etwas für mich hätte, wäre ich glücklich. Sie sieht mich kurz an, meint, daß ich eine Qualifikation benötige, ich betone nochmals, daß ich jede Art von Arbeit akzeptieren würde. Sie sagt mir, ich solle meinen Namen und meine Adresse hinterlassen, sie würde mir die Adressen von möglichen Arbeitgebern zusenden.
Als der Brief kommt, steht darin, daß ich eine Arbeitsgenehmigung benötige. Also suche ich um eine Arbeitsgenehmigung an. Sie nehmen meine Daten auf und am nächsten Tag erhalte ich einen Brief, der mich informiert, daß ich in Österreich nur arbeiten könne, falls eine Firma um eine Arbeitsgenehmigung für mich ansucht, daß heißt, daß es für mich bereits eine Arbeit im vorhinein geben muß, die mir angemessen ist.
Ich schaue mir also die Arbeitsangebote an, werde zu einem Vorstellungsgespräch in ein Hotel eingeladen. Als ich zum Empfang komme, werde ich begrüßt, als ob ich ein Eindringling wäre: „Guten Morgen! Kann ich Ihnen helfen?“. Ich werde dem verantwortlichen Manager vorgestellt. Er fragt mich, was mich ins Hotel führe und befördert mich zum Büro des Personalmanagers. Der Personalmanager fragt mich nach meiner Herkunft. Dann schlägt er mir vor, ein Formular auszufüllen und sagt mir zum Abschied, daß ich brieflich über weitere Schritte informiert werden würde, da es viele Bewerbungen gäbe, die er zu bewerten hätte. Beim Verlassen bestätigt der Manager nochmals, im Augenblick Personal zu benötigen.
Es ist eine Qual, mit schlechten Deutschkenntnissen auf Arbeitssuche zu gehen, mit zusätzlich wenig Bewerbungserfahrung und wenig Wissen über die notwendige Rhetorik, geschweige denn über das richtige Verhalten bei Interviews… Daran scheitern die meisten Zuwanderer. Es ist bereits sehr schwierig, auch nur die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhalten. Warum? Meine Stimme klingt nicht sehr österreichisch. „Die Arbeit ist leider schon vergeben!“ ist die Standardantwort.
Eines Morgens bin ich wieder in Laune, auf Goldsuche zu gehen. Eine Person fragt mich, ob ich Arbeit suche. Ich sage „Na, klar!!“. Er sagt, daß sie im Sommer Leute benötigen, die Orangensaft auspressen. Ich denke, daß es zwar irgendwie ein seltsamer Job sei, aber der Geruch von Goldstaub schwebt schon wieder in der Luft herum. Der alte Mann gibt mir eine Adresse und sagt mir, ich solle nach Andrew fragen. Ich begebe mich unverzüglich dorthin, Andrew sagt mir, ich solle sofort einen weißen Mantel anziehen, Orangen auspressen und um 27,– S an Passanten verkaufen. Das war meine erste Arbeit. Niemand fragte nach einer Arbeitsgenehmigung, aber am nächsten Tag sagte Andrew, ich solle mit ihm mitkommen, um meinen Stuhl untersuchen zu lassen, ob ich keine Krankheitskeime in mir trage. Dabei wußte ich, daß ich voll gesund war. Nach einiger Zeit sagte mir Andrew, daß er um eine Arbeitsgenehmigung für mich ansuche, ich solle mir keine Sorgen machen und der Arbeit widmen.
Ich hatte als Afrikaner große Anpassungsprobleme an dieses System. Die europäischen Kolonialherren verbreiteten die Einstellung, daß ein Chef immer recht hat und das deutsche System ist im Gegensatz so, daß Du Deinem Boss ebenbürtig bist. Wenn Du besser als der Chef bist, hat der Chef nichts mehr zu sagen, außer Dir, wann immer er kann, Steine in den Weg zu legen. Das aber wird den Schwarzen immer in diesem System zu einem Außenseiter machen. Es ist sehr schwer, sich in einem Arbeitsplatz zu integrieren, an dem wirklich massive Konkurrenz, Vorurteile und Streß dominieren. Das unbedingte Motto lautet, Erfolg zu haben und nicht zu scheitern.
Ein Afrikaner wird immer zuerst versuchen, sich Freunde zu machen und denkt erst dann an Erfolg. In Wien gibt es den Brauch, Mitarbeiter als Kollegen zu haben und sie meist mit „Sie“ anzusprechen. Konkurrenz steht auf der Tagesordnung. „Wer ist der Beste?“ macht jedem zu schaffen. Die Einheimischen wissen auch nicht, wie sie mit Dir richtig umgehen können. Sie sehen Dich an, wie wenn Du von einem anderen Planeten kommen würdest. Oft kommt es durch Scherze und „amüsante“ Erzählungen zu Mißverständnissen. Es gibt daher sehr viel im Bereich des interkulturellen Begegnungsfeldes zu tun, um die Isolierung von Afrikanern aufzuheben. Das System ist unbarmherzig, Du akzeptierst es als Naturgesetz und nicht aus freien Stücken.
Der häufigste Fehler (der Afrikaner) besteht darin, sich folgende Fragen nicht zu stellen:
- Ertrage ich diese Lebensweise?
- Werde ich jemals in dieses System hineinpassen?
- Was sind eigentlich meine wirklichen Prioritäten?
Der größte Fehler besteht darin, sich die eigene Schulbildung und die damit verbundenen Erwartungshaltungen vor Augen zu halten: „Wofür habe ich die ganzen Jahre studiert? Daß ich jetzt Taxi fahre, in der Küche arbeite, babysitte, Straßen kehre, Werbematerial verteile?“
Die meisten Migranten haben eine akzeptable Ausbildung und finden dennoch kaum entsprechende Arbeitsstellen. Die meisten Arbeitsplätze sind so spezialisiert, daß die allgemeinere Ausbildung in afrikanischen Ländern als ungenügend eingeschätzt wird, was durch das dortige Fehlen des EDV-Unterrichts wesentlich verschärft wird. Darüber hinaus beherrschen afrikanische Migranten oft die deutsche Sprache nicht ausreichend, was zu vielen Problemen führt. Und zuallerletzt kommen afrikanische Migranten oft in einem etwas höheren Alter nach Europa. Wenn sie Arbeit suchen, sollen sie bereits konkrete Arbeitserfahrung nachweisen, die sie nicht haben. Als Folge akzeptieren sie Arbeiten, die deutlich unter ihrem Ausbildungsniveau liegen und die sie vor ihren Freunden und Familienangehörigen geheim halten, weil sie sich schämen.
Warum tun sich dies afrikanische Migranten an? Auf ihnen lastet ein immenser Druck, erfolgreich zu sein und die Familie zuhause zu unterstützen. Man denkt daran, wie man bei der Ausbildung von der Großfamilie unterstützt wurde, daß man als Investition in die Zukunft betrachtet wurde: für Verwandte, die keine Versicherung, keinen Pensionsanspruch haben u.v.m. Man denkt daran, daß andere Brüder und Schwestern zu Hause bleiben mußten, nicht zur Schule gehen konnten, weil man alle verfügbaren Mittel der Familie für seine Ausbildung beanspruchte, Gelder, die auch ihnen hätten helfen können…
Man hat das Bild der erschöpften Mutter bei Sonne und Regen vor Augen, wie sie sich abmühte, die enormen Mittel für Nahrung und Schulkosten aufzutreiben. Der Druck aus den Bildern der Vergangenheit ist so übermächtig, daß man gezwungen ist, jede Art von Arbeit zu akzeptieren, jede noch so gemeine Art von Rassismus zu ertragen, jede Herabsetzung, nur um seine Familie nicht zu enttäuschen, um in ihr als Erfolgsmensch zu gelten. Man hörte zuhause so oft Geschichten vom Sohn oder der Tochter anderer Familien, die nach London oder Boston gingen und angeblich innerhalb kürzester Zeit ihrer Familie viel Geld heimgesandt und ein Haus für ihre alternden Eltern gebaut hätten. Man hört so viele Geschichten von erfolgreichen afrikanischen Migranten und ihren Wunderleistungen, daß sie einen nicht mehr ruhig schlafen lassen. Man muß Erfolg haben, egal wie. Was soll man beim nächsten Heimaturlaub seiner Familie erzählen? Wenn die Arbeitgeber eine kleine Ahnung vom Druck hätten, unter dem Afrikaner stehen, würden sie ihnen vielleicht häufiger Jobs geben…
Aber die Arbeitgeber stellen sich ganz andere Fragen, die sie hundertmal überlegen lassen, bevor sie Afrikanern Arbeit geben, wie z.B.:
- Sind Afrikaner vertrauenswürdig?
- Sind sie pünktlich?
- Sind sie leistungswillig oder faul?
- Sind sie genügend intelligent, haben sie Power?
Es gibt das Sprichwort „Nicht alles, was glänzt, ist Gold.“. Die Menschen in Afrika glauben, daß alles stimmt, was ihnen die Medien über Europa erzählen und dementsprechend verklärt ist ihr Bild dieses Kontinents. Sie kennen die bittere Realität nicht, daß Mittel auch hier knapp sind und auch Arbeitsplätze nicht ausreichend verfügbar sind. Es ist leider wahr, daß die Afrikaner, die nach Europa kommen, ihren Landsleuten zuhause nicht die volle Wahrheit über die brutale Auslese erzählen, die auch vor Europäern nicht halt macht. Je länger man in Europa bleibt, desto mehr erkennt man, daß es zuhause am schönsten ist, worauf man von einer unerträglichen Sehnsucht geplagt wird…
Hoffnung geben sogenannte Integrationszentren, die Zuwanderern helfen, die Sprache zu erlernen. Ich wurde oft schlecht verstanden, weil ich häufig Ausdrücke meiner Muttersprache in deutschen Sätzen verwendete. Die Sprache kann auch ein Mittel der kulturellen Assimilation sein. In diesen Kursen lernt man einige sehr nützliche Dinge, wie z.B. wie man sich verhalten sollte, wenn man mit seinem Chef essen oder etwas trinken geht. Zahlt er oder zahlst du selbst? Man erfährt von der lokalen Bedeutung von Pünktlichkeit und Zeitmanagement, wann welche Art von Kleidung erwünscht ist. Man erfährt von Hintergründen, daß nicht alles, was vordergründig glitzert, wirklich Gold ist. Es liegt hier weder Geld noch Gold auf der Straße herum. Über diese Enttäuschungen könnte man noch lange sprechen….
Nur in einem Arbeitsbereich haben Afrikaner mehr Hoffnung und Chancen: im EDV-Bereich. In ihm werden Afrikaner relativ wenig diskriminiert, weil es einen großen Arbeitskräftemangel gibt und daher auch Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe gefragt sind. Das klingt toll, aber wie viele Afrikaner haben schon eine gute EDV-Ausbildung? Wiederum nur etwas, das glitzert, aber nicht Gold ist?
[1] Wie wenig oft die Leistungen von Afrikanern als gleichwertig erachtet werden, zeigte sich auch bei einem Anruf im AAI-Wien im März 1997. Der Chef eines Pensionistenvereins: „Herr Ebermann, ich bräuchte eine afrikanische Musikgruppe für eine Veranstaltung.“ Ich sage: „Da helfen wir Ihnen gerne. Wieviel möchten Sie ausgeben?“ Er: „Geld ist kein Problem. Es sollten halt möglichst viele Musiker sein.“ Ich: „Könnten Sie ungefähr angeben, wieviel Sie der Gruppe zahlen könnten?“ Er: „500 ATS (=36 €) sind für die Gruppe schon möglich.“. Er war geradezu konsterniert, als ich ihm mitteilte, daß auch Afrikaner nicht in Wien überleben könnten, wenn sie für ihre Leistungen sowenig bezahlt erhielten.
[2] 57,2% der entsprechend ihrer Qualifikation beschäftigten Afrikaner glauben, daß weniger als die Hälfte der Wiener Arbeitgeber Afrikaner ablehnt; dieser Ansicht sind nur 14,3% der unter ihrer Qualifikation Eingesetzten. Von letzteren meinen sogar 38,6%, daß mindestens 80% der Wiener Afrikanern keine qualifizierten Jobs geben würden (9,6% bei den adäquat Eingesetzten).
[3] 39,3% der anglophonen Afrikaner glauben, daß zumindest 80% der Wiener Afrikanern qualifizierte Jobs verweigern; diese Meinung wird von 19,2% der frankophonen geteilt. Dies kann zumindest teilweise mit der oft besseren Beherrschung der deutschen Sprache durch Frankophone und den damit einhergehenden besseren Jobchancen erklärt werden.
[4] Als nicht/kaum integriert wurden Personen klassifiziert, die weder akzeptabel Deutsch sprachen, noch über engere Freundschaften mit Österreichern verfügten, noch ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt waren, gut Integrierte wurde mit dem jeweiligen Gegenteil definiert. Als Maßstab für eine hochgradige Verurteilung der lokalen Gesellschaft im Arbeitsbereich bezeichneten wir die Annahme von Interviewten, daß mehr als 80% der Wiener Afrikanern qualifizierte Tätigkeiten verweigern würde.
[5] Nicht adäquat einsetzte Afrikaner nehmen zu 72% an, daß Wiener Afrikanern aus rassistischen Gründen qualifizierte Arbeit verweigern würden, adäquat eingesetzte nur zu 38,5%. Kaum integrierte Afrikaner nehmen zu 74,2% dafür rassistische Gründe an, integrierte nur zu 40,9%.
[6] Der vorliegende Artikel beruht auf Untersuchungen, die von uns anläßlich der Lehrveranstaltung „Afrikaner in Wien“ am Institut für Kulturanthropologie im SS 2000 unternommen wurden.
[7] 20,5% der Männer, aber nur 12,7% der Frauen würden Afrikanern qualifizierte Arbeitsstellen verweigern.
[8] Zustimmung zu Afrikanern auf qualifizierten Arbeitsplätzen: Bezirke bis zu 15% Zuwandereranteil: 47,5%; Bezirke mit 16-25% Zuwanderung 61,8%; Bezirke mit mehr als 25% Zuwandereranteil 51,4%. Die Reihenfolge bei der Ablehnung ist vergleichbar.
[9] Ausgehend von der Szene-Vernetzungs-Homepage (www.oneworld.at) wurden die Mitarbeiter aus den aktuellsten Homepages (Stand 22.1.2002) ermittelt und anhand ihrer Eigennamen in Österreicher (+ EU-Bürgern, die jedoch sehr selten vertreten sind) und Nicht-EU-Bürger unterschieden. Dabei wurden mit Sicherheit öfters Österreicher mit Zuwanderernamen als Zuwandererer interpretiert, was die Statistiken weiter beschönigt. Das Ergebnis ist dennoch enttäuschend.
[10] Natürlich könnte man einwenden, daß – von der Türkei und dem Iran abgesehen – die meisten Zuwanderer nicht aus Regionen kommen, die zu den Schwerpunktgebieten der Entwicklungszusammenarbeit gehören und dadurch kaum für Positionen in diesem Bereich in Frage kommen. Dennoch werden offensichtlich – sieht man von der KFBÖ ab – Zuwanderer offensichtlich nur ungenügend ermutigt, sich um Posten zu bewerben, die Zuwanderer aus dem Süden auch als Akteure und Gestalter und nicht nur als Opfer zeigen würde.
[11] Das BMaA bietet auf seiner Homepage keinerlei Hinweise auf seine Mitarbeiter und dadurch nicht die notwendige Transparenz, um die Mitarbeiterzusammensetzung zu analysieren.
[12] Es wurden mit Stichtag 28.2.2001 die Vereine und Institutionen ausgewählt, welche auf der Homepage des Wiener Integrationsfonds http://www.wif.wien.at/wif/ als wesentliche Integrationspartner genannt wurden.
[13] Fest angestellte Universitätslehrer und Bibliothekare. Quelle: Homepage-Einträge per 20.1.2002
[14] Grace Latigo im Südwind 12/99, S. 6.
[15] Profil, 8.4.2002, S. 35.
[16] Eigentlich nicht einmal das, weil es sich um eine Austro-Afrikanerin handelt….
[17] Karl Piswanger, Psychologie und Afrikanist, ist gemeinsam mit Peter Pendl Gründer und Leiter einer der führenden Personalberatungsfirmen Österreichs, der Pendl & Piswanger Personalberatung.