Freundschaft und Liebe zwischen Schwarz und Weiß

(hier als PDF)

Dieser Abschnitt besteht aus drei Teilen:

 Menschen mit Humor und eher positiver Lebenseinstellung werden an sich in Wien gerne als Ergänzung zum eher nüchternen und pessimistischen lokalen Wesen gesehen. Man denke z.B. an Lateinamerikaner oder Italiener, auch wenn vielleicht nicht mehr ganz stimmen mag, was böse Zyniker einst formulierten, daß „der Zentralfriedhof der lustigste Ort in Wien sei“.  Es fällt dementsprechend vielen Afrikanern nicht schwer, in Wien Bekanntschaften zu schließen, wobei der Weg zu einer „erfolgreichen“ Freundschaft oder Beziehung, die auch Schwierigkeiten überstehen kann, hart und holprig ist. Denn einige Felsbrocken liegen auf dem Wege tiefergehender Beziehungen zwischen Afrikanern und Österreichern:

  • gegenseitige negative wie positive Vorurteile
  • unterschiedliche Erwartungshaltungen an die Beziehungen
  • oft sehr negative Reaktionen der lokalen menschlichen Umwelt
  • oft sehr unterschiedliche materielle Voraussetzungen der Partner
  • meist sehr unterschiedliche Chancen der Partner in Gesellschaft und Beruf
  • ein sehr rigides Fremdenrecht

 Da Vorurteile, unterschiedliche materielle Voraussetzungen und Chancen in der Gesellschaft anderswo in dieser Publikation besprochen werden, gehen wir hier besonders auf die unterschiedlichen Erwartungshaltungen an die Beziehungen und die Reaktion der menschlichen Umwelt auf den Partner/Freund ein.

Die Erwartungen und Prioritäten in Freundschaft und Liebe hängen meist eng mit der aktuellen Lebenssituation und den damit verbundenen Problemen und Hoffnungen und sowie mit der kulturellen Prägung zusammen, wobei deren Auswirkung oft sogar schwächer zu sein scheint als die der Lebensumstände. Wer erfolgreich eine Beziehung, welcher Art auch immer, mit Menschen aus anderen Kulturen führen will, sollte deren Prioritäten kennenlernen.

Die Prioritäten einer Freundschaft in afrikanischer Sicht

Wir befragten 86 Afrikaner nach den drei für sie wichtigsten Elementen einer Freundschaft[1]. Die Ergebnisse zeigen die spezifischen Probleme, die Afrikaner hier vorfinden:

Tabelle 93: Die wichtigsten Elemente einer Freundschaft aus afrik. Sicht

Die wichtigsten Elemente einer Freundschaft (n=86, Ebermann 1993)

gegenseitige Hilfe

30

Ehrlichkit

30

Vertrauen

30

Interesse für Kultur des Anderen

29

gegens. Respekt

19

Loyalität

9

Treue

7

gegens. Besuche

7

Toleranz

6

seelischer Beistand

5

Verfügbarkeit in Notfällen

5

gleiche Einstellungen

4

gleiche Religion

1

Geschenke

0

 

Gegenseitige Hilfe: Je weniger das formale Sozialsystem eines Landes ausgebaut ist, um so wichtiger wird das humane informelle, bei dem familiär oder freundschaftlich verbundene Menschen einander in Notsituationen unterstützen. Die hohe Arbeitslosigkeit, denen oft auch hochqualifizierte Menschen durch das häufige Fehlen einer funktionierenden Privatwirtschaft in vielen afrikanischen Ländern ausgesetzt sind, führt zu einem Risiko-Splitting: Ich helfe Dir, wenn Du in Problemen bist und ich kann über Deine Solidarität verfügen, wenn es mir schlechter geht. Dadurch lassen sich oft Krisen überwinden[2]. Auch in Wien leben die meisten Afrikaner in schwierigen Verhältnissen, da sie große Probleme im Arbeits- und Wohnungsbereich vorfinden. Es ist daher naheliegend, daß in Freundschaft und Liebe in erster Linie ein Kamerad gesucht wird, mit dem man durch Dick und Dünn gehen kann und der bereit ist, zu teilen[3].

Dies birgt bereits den ersten und gewaltigen Konfliktstoff in sich, da viele Österreicher Angst vor (wirtschaftlich) nicht gleichwertigen Beziehungen haben. Sie befürchten, daß „ihnen der Afrikaner auf der Tasche liegen könnte“. Der auch nur temporär Hilfsbedürftige ist in dieser Gesellschaft mit einem starken Verliererimage versehen. Mäßig Erfolgreiche sind daher nur wenig attraktiv, besonders für diejenigen, die durch die fremden „Mißerfolge“ besonders wenig zu verlieren haben, wie Verwandte oder Freunde.

Die meist männlichen afrikanischen Partner befürchten besonders, daß diese ungleichen Chancen sie in eine schwächere (wirtschaftliche) Position zwingen und sie klassische männliche Rollenbilder (wie das des Hauptverdieners) nicht übernehmen können. Dementsprechend sehen die befragten Afrikaner zuallererst in den unterschiedlichen Möglichkeiten in der Gesellschaft den wichtigsten Grund des Scheiterns von Beziehungen:

Tabelle 94: Scheitern schwarz-weiße Beziehungen durch ungleiche Chancen?

 

Häufigkeit

In %

meistens

63

45,3

häufig

35

25,2

manchmal

40

28,8

niemals

1

0,7

Gesamt

139

100,0

 

Das häufig genannte Interesse für die Kultur des Anderen ist deutlicher Ausdruck für das Gefühl der extremen Unterschätzung afrikanischer Kulturinhalte in Österreich/Europa, wenn man von trivialen Dingen wie Tanz oder Trommelmusik absieht. Die traumatischen Verletzungen des Selbstwertgefühls durch Sklaverei und Kolonialismus prägen noch immer viele Afrikaner, die daher besonders viel Wert auf ihre Wertschätzung als Mensch und Afrikaner legen und auch Beweise dafür sehen möchten. Man möchte stolz auf seine Kultur sein können und merken, daß dieser Stolz vom Freund/Partner verstanden und mitempfunden wird. Doch glauben viele Afrikaner, daß sich hinter einer überschwenglichen (ersten) Begeisterung für die fremden afrikanischen Kulturinhalte oft ein latentes Überheblichkeitsgefühl des weißen Partners verbirgt, der zwar das „Exotische“ als willkommene Abwechslung betrachtet, es in seinem Innersten dennoch als kulturell unterlegen ansieht.

Tab. 95: Scheitern schwarzweiße Beziehungen an weißem Überlegenheitsgefühl?

 

Häufigkeit

in %

meistens

39

28,7

häufig

49

36,0

manchmal

46

33,8

niemals

2

1,5

 

2/3 der befragten Afrikaner finden somit, daß häufig oder meistens afro-österreichische Beziehungen am (latenten) Überlegenheitsgefühl des österreichischen Partners scheitern.

Worauf man bei der Freundschaft zu Wienern besonders achten muß

Mit zunehmender Verweildauer in Wien lernen Afrikaner immer besser, sich auf die lokalen Bedürfnisse von Freundschaften/Partnerschaften einzustellen. Sie versuchen meist, die lokalen Empfindlichkeiten zu respektieren, um der Beziehung eine Chance zu geben. Dabei achten sie nach Eigenangaben besonders auf folgende österreichische Eigenheiten[4]:

·        auf große Reserviertheit des Österreichers (17x). Die zwischenmenschliche Distanz als Merkmal der österreichischen Kultur erlaubt keine schnelle Annäherung, die Akzeptanz der Privatsphäre ist für jede Art von  Beziehungen von großer Bedeutung. Es ist nicht möglich, den Freund spontan zu besuchen. Allzu große Nähe sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Gefühle müssen gedrosselt und erst langsam eingebracht werden, weil sich sonst Österreicher leicht überfordert fühlen. Die Interviewten glauben, daß diese Distanz teilweise durch Vorurteile begründet ist, durch den Mangel an tiefer Information über afrikanische Kulturen und Mentalitäten, was in Arroganz und Urangst vor dem Fremden aus fernen Landen resultiert. Auch nehmen Afrikaner an, daß das häufige Fehlen  materieller Gleichwertigkeit in der Beziehung Ängste der Österreicher schüren kann;

·        andere Arten der Gesprächsführung: Österreicher sprechen nach Einschätzung der Afrikaner sehr ungern über Themen wie z.B. Rassismus und die Situation von Zuwanderern in Österreich. Afrikaner finden Österreicher oft in der Gesprächsführung intolerant. Österreicher sollen Fehler wesentlich schwerer verzeihen als Afrikaner, weil sie sich und die Situa­tion zu ernst nehmen. Als positiv wird hingegen vermerkt, daß offene Gespräche zwischen den Generationen im Gegensatz zu Afrika viel leichter möglich sind.

 

Ich habe mich oft gefragt, warum es oft scheinbar so viel einfacher und schneller ist, mit einem Afrikaner eine herzli­che, amüsante Beziehung aufzubauen, als mit Österreichern. Ich glaube heute, daß dies weitgehend mit der Rigidi­tät der Statusvergabe in afrikanischen Gesellschaften zu tun haben könnte. Auch heute noch wird dem Menschen in Afrika, zunehmend abgeschwächt in Großstädten, großteils auf Grund seines Alters ein gewisser Prestigevorschuß zuteil. Dieser Bonus ist wesentlich von Alter, Geschlecht und Familienstand abhängig und weniger leistungsbezogen als bei uns[5]. Den eigenen Status kann ein Afrikaner meist nur in begrenztem Maße und nur langsam ver­größern bzw. verkleinern. Dies hat zur Folge, daß er in der Kommunikation und in seinem sonstigen Aus­drucksverhalten auch freier agieren kann, weil sein Risiko des Statusverlusts wesentlich geringer als das eines Euro­päers ist (siehe dazu auch 380ff). Insofern hat die österreichische Flexibili­tät bei der Statusvergabe Rigidität des Verhaltens zur Folge, während es bei vielen Afrikanern umge­kehrt zu sein scheint. Das Nichtverzeihen von Fehlern von Seiten der Österreicher stellt für viele Afrikaner ein gravierendes Problem dar.

Auch freundschaftliche Beziehungen zwischen Wienern und Afrikanern sind durch ihre häufige strukturelle Unausgewogenheit nicht immer einfach zu führen und zu erhalten. Da Freundschaften aber mit deutlich weniger gegenseitigen Pflichten als etwa eine Ehe verbunden sind, sind sie für einen deutlich höheren Prozentsatz von Wienern denkbar.

Tabelle 96: Könnten Sie sich Afrikaner als Freunde vorstellen?

 

Häufigkeit

in %

Eher ja

330

48,2

weiß nicht

191

27,9

Eher nein

163

23,8

Gesamt

684

100,0

 

„Nur“ 23,8% der befragten Wiener könnten sich eher keine Freundschaft mit Afrikanern vorstellen. Besonders ablehnend sind Personen, die gleichzeitig Assoziationen von Afrikanern mit Drogenhandel verbinden (56,3% Ablehnung). Besonders gering ist die Ablehnung bei Personen, die bei Afrikanern bevorzugt an Opfer denken (4,3% Ablehnung).

Tabelle 97: Alter und Offenheit für Freundschaft

Könnten Sie sich eine Freundschaft mit Afrikanern vorstellen (in %)?

Alter

N=

eher schon

weiß nicht

eher nicht

25 und jünger

166

63,3

25,3

11,4

26-40

184

57,1

33,2

9,8

41-55

163

43,6

29,4

27,0

56 und darüber

170

28,2

23,5

48,2

Gesamt

N=

329

191

163

 

In %

48,2

28,0

23,9

 

Mit steigendem Alter sinkt auch die Akzeptanz von Afrikanern als Freunden. Mit der Bildung steigt hingegen die Offenheit für freundschaftliche Beziehungen. Für 43,6% der weniger Gebildeten (Hauptschule und darunter) ist eine Freundschaft mit Afrikanern kaum vorstellbar, bei Akademikern sinkt der Prozentsatz auf 9,2%.

Verheerend wirkt sich ein vermutetes materielles Ungleichgewicht auf die Einstellungen gegenüber Freundschaften mit Afrikanern aus. Armut ist keine attraktive Eigenschaft:

Tabelle 98: Sozialbelastung und Offenheit für Freundschaft

 

Könnten Sie sich eine Freundschaft mit Afrikanern vorstellen? (in %)

Afrikaner bringen Wien, 

n=

eher schon

weiß nicht

eher nicht

mehr als sie kosten

161

73,9

18,6

7,5

weiß nicht

328

47,6

36,0

16,5

weniger als sie kosten

175

27,4

20,0

52,6

 

Insgesamt

48,6

27,6

23,8

 

 

Liebesbeziehungen zwischen Schwarz und Weiß

Das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen afrikanischen Männern und Frauen in Österreich hat auch direkte Auswirkungen auf die Wahl der Partner.

 

Am häufigsten kamen die Partner der Afrikaner aus Österreich (37%). Der relativ geringe Anteil afrikanischer Partner ist einerseits durch das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in Wien bedingt (Verhältnis 2:1), andererseits durch die enormen Schwierigkeiten und die lange Wartefrist des Familiennachzugs.

Afrikanerinnen haben etwas häufiger afrikanische Partner als Afrikaner (42,7:33%). Auch dies kann mit der größeren Zahl afrikanischer Männer in Wien erklärt werden. Beziehungen zwischen afrikanischen Männern und österreichischen Frauen entstanden fast durchwegs in Österreich, fast die Hälfte der Beziehungen afrikanischer Frauen mit österreichischen Männern ­­­ begann in Afrika oder anderen Ländern. 46,2% der afrikanischen Frauen mit österreichischen Partnern gaben an, aus familiären/privaten Gründen nach Österreich gekommen zu sein.

Ein Großteil der afrikanischen Partner stößt bei schwarzweißen Liebesbeziehungen auf große Zurückhaltung des Familienumfelds des Partners:

 

Nur zwei von fünf Afrikanern fühlen sich von der Familie ihres Partners überwiegend akzeptiert. Frauen scheinen weniger als afrikanische Männer vom familiären Umfeld abgelehnt zu werden. Etwa ein Viertel der afrikanischen Frauen (23,7%), aber nur ein Fünfzehntel der afrikanischen Männer (6,7%) fühlt sich von der österreichischen Familie in hohem Maße akzeptiert. Dies mag u.a. damit zusammenhängen, daß

·        afrikanische Frauen seltener mit negativen Klischees von Afrikanern assoziiert werden (bes. Drogenhandel, Aggressivität, Mangel an Respekt der lokalen Normen und Sitten);

·        bei afrikanischen Frauen geringere Ängste vor materieller Verarmung der Fa­milie bestehen. Da auch in Österreich Männer deutlich besser als Frauen verdienen (ca. 30% mehr), wirkt sich die Anheirat von schlechtverdienen­den Frauen weniger drastisch auf das Familieneinkommen aus als die An­heirat schlecht verdienender afrikanischer Männer.

 Die Anheirat kulturfremder Frauen scheint in fast allen Weltkulturen eher akzeptiert als die Anheirat kulturfremder Männer zu werden. Da Frauen mit der Ehe oft ihren Kulturkreis zugunsten der Heimatregion des Mannes verlassen (haben), gilt die Anheirat eines Mannes häufig als potentieller Verlust (die Frau geht weg), die Anheirat einer Frau häufig als potentieller Gewinn (eine Frau kommt hinzu)[6]. Alte ethnische Hegemonialgelüste scheinen hier hereinzuspielen. Auch in Afrika scheinen nach eigenen Beobachtungen und vielen Gesprächen mit „angeheirateten“ Europäern ähnliche Mechanismen zu dominieren.

39,6%  der Afrikaner machten die Erfahrung, daß die Familie eines Partners auf der Trennung bestand. 39,5% meinen, daß Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß meist am Widerstand der Familien scheitern. Der Eindruck stimmt: 38,5% der befragten Wiener möchten „eher nicht, daß ihre Kinder Afrikaner heiraten“.

 Fast 2/5 der Befragten würden afrikanische Schwiegersöhne/–töchter kaum akzeptieren. Nicht alle der Ablehnenden sind rein afrophobisch. Für etwa 10% der Befragten kommen keinerlei Zuwanderer als Ehepartner ihrer Kinder in Frage:

Tabelle 102: Relative Ablehnung der 7 Zuwanderergruppen als Schwiegerkinder

Fänden Sie es in Ordnung, wenn Ihr Kind einen … heiratet? (n=702)

 

Ablehnung in %

Italiener

19,6

Japaner

31,0

Chinesen

34,1

Jugoslawen

35,2

Afrikaner

38,5

Türken

41,2

Araber

42,4

 

Viele Menschen können sich nur schwer vorstellen, daß ihre Kinder Partner aus anderen Kulturen wählen. Für die familiäre Akzeptanz von Partnern aus anderen Ländern scheinen folgende Faktoren hauptverantwortlich zu sein:

·        religiöse Nähe bzw. angenommene relative interreligiöse Konfliktlosigkeit (Christen vor Nichtmoslems vor Moslems)

·        wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Angst vor sozialer Deklassierung)

·        kulturelle Nähe

·        Vertrautheit durch vorherige Kontakte

Die geringe Ablehnung der Italiener ist angesichts ihrer katholischen Ausrichtung, ihrer materiellen Basis und ihrer kulturellen Nähe nicht überraschend. Chinesen weisen wie Japaner eine bei uns weitgehend unbekannte, aber nicht als Feindbild wahrgenommene Kultur und Religion auf, wobei Japaner als finanzkräftiger eingestuft werden. Jugoslawen wird trotz ihrer religiösen Nähe materielle Schwäche und eine gewisse kulturelle Distanz nachgesagt. Bei Afrikanern werden materielle Schwäche sowie kulturelle Distanz als noch größer angenommen. Darüber hinaus ist ihre Kultur relativ unbekannt. Die ganz am Ende der Vergleichsskala liegenden Araber und Türken werden v.a. als Moslems stark abgelehnt, vermutlich in Zusammenhang mit teilweise herbeigeschriebenen Konflikten zwischen Christentum und Islam.

 

Familiäre Ablehnung von Afrikanern und und andere Einstellungen

Die Ablehnung von Afrikanern als Familienmitglieder hängt eng mit anderen Meinungen über Afrikaner zusammen. Die folgende Tabelle zeigt den Prozentsatz der Wiener, die bei bestimmten Einstellungen afrikanische Schwiegersöhne/-töchter ablehnen würden:

Tabelle 103: Ablehnung als Schwiegerkinder und andere Einstellungen

ABLEHNUNG AFRIK.  SCHWIEGERSÖHNE/-TÖCHTER[7]

 

AUSSAGEN

% der Personen, die afrik. Schwiegersöhne/-töchter bei folgenden Meinungen ablehnen

 

Stimmt eher nicht

Stimmt eher schon

A. verhalten sich hier akzeptabel

81,3

13,2

Könnte mir Afrikaner als Freund vorstellen

86,1

13,1

Afrikaner sind Vorteil für Wien

84,6

13,2

A. sind bei Arbeit motiviert und fleißig

78,2

16,2

A. sind intelligent

90,2

19,2

In Wien gibt es nicht zuviele A.

80,8

15,4

Den Versprechungen von A. kann man trauen

80,3

13,5

Würde Afrikanern Topjob geben

88,8

19,6

 

Die Verbindung der Ablehnung von afrikanischen Schwiegersöhnen bzw. ­-töchtern mit anderen Einstellungen gegenüber Afrikanern zeigt somit, daß

·        bei negativen Einstellungen gegenüber der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit von Afrikanern (vergibt an Afrikaner keine Topjobs, Afrikaner sind weniger intelligent) das größte Maß an Ablehnung gegeben ist;

·        eine positive Zustimmung zur kulturellen Kompatibilität (A. verhalten sich akzeptabel, man kann ihren Versprechungen trauen) am wirksamsten den Widerstand gegen eine Heirat senkt.

 

Werden beide Bedenken (Afrikaner sind kriminell und wirtschaftlich nicht leistungsfähig) ausgeräumt, so sinkt die Ablehnung afrikanischer Partner auf einen harten Kern von 10,5%. Bleiben hingegen Zweifel sowohl an der Leistungsfähigkeit (Topjobs) als auch an der sozialen Kompatibilität (Vertrauenswürdigkeit), ist ein fast hundertprozentiger Widerstand der Eltern garantiert (97,4% Ablehnung afrikanischer Partner).

Wem es nicht gelingt, seine Eltern zu überzeugen, daß Afrikaner genauso intelligent und leistungsfähig wie andere Menschen sind, wird ihren Widerstand kaum überwinden können. Allzu groß scheint die Angst vor sozialer Deklassierung der Tochter durch afrikanische Partner zu sein, dem man kaum zutraut, finanzielle Verantwortung für die Familie übernehmen zu können.

Afro-österreichische Beziehungen scheitern wahrscheinlich genauso häufig an den meist negativen Reaktionen der Familie der österreichischen Partnerin wie an den gerne bemühten kulturellen Unterschieden. Mit der Präsentation des afrikanischen Partners löst man bei wenigen Eltern Jubelstürme aus. Afrikaner werden weitgehend mit Armut assoziiert und Armut wird wiederum oft mit geringen Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft sowie geringerer Intelligenz in Zusammenhang gebracht. Viele Menschen führen die im Vergleich mit dem Fernen Osten großen Entwicklungsprobleme Afrikas auf eine vermutete geringere Leistungsfähigkeit der Afrikaner zurück (siehe auch Artikel über die unterschiedliche Entwicklung Afrikas und Asiens S.371ff). Dazu kommen zunehmend Assoziationen von Afrikanern mit Drogenhandel.

 Krasse Folgen hat das Vorurteil, daß Afrikaner das Sozialsystem belasten:

Tabelle 104: Ablehnung afrik. Schwiegerkinder und Sozialkosten

Meinung

Könnten Sie sich eine Heirat Ihrer Kinder mit Afrikanern vorstellen?

Afrikaner bringen Wien,.. 

n=

eher schon

weiß nicht

eher nicht

mehr als sie kosten

148

57,4

27,0

15,5

weiß nicht

317

32,5

32,5

35,0

weniger als sie kosten

171

21,6

12,9

65,5

 

Gesamt

35,4

25,9

38,7

Wer der Meinung ist, daß Afrikaner Wien finanziell belasten, lehnt fast fünfmal häufiger eine Heirat seiner Kinder mit Afrikanern ab (65,5%:15,5%). Für die Verbesserung der Akzeptanz sollte man daher versuchen, Vorbehalte bezüglich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zumindest zu neutralisieren und alles dafür zu tun, daß das Verhalten des afrikanischen Partners als regelkonform, transparent, verständlich und respektvoll verstanden wird.

Tabelle 105: Alter und Akzeptanz afrik. Schwiegerkinder

 

 

Könnte mir afrik. Schwiegersöhne/-töchter vorstellen

Alter

n=

stimme eher zu

weiß nicht

stimme eher nicht zu

25 und jünger

149

48,3

29,5

22,1

26-40

177

46,9

29,4

23,7

41-55

162

30,9

27,8

41,4

56 und darüber

168

15,5

18,5

66,1

 

Das Alter spielt auch in diesem Kontaktbereich eine wesentliche Rolle. Jüngere Befragte sind auch hier wesentlich offener für die familäre Integration von Afrikanern. 2/3 der Personen, die älter als 55 Jahre sind, lehnen afrikanische Schwiegersöhne/-töchter ab.

 Ablehnung als mögliche Folge von Wertekonflikten

Auch Wertekonflikte könnten für einen Teil der Widerstände des familiären und freundschaftlichen Umfeldes verantwortlich sein. Hat der männliche afrikanische Partner Probleme mit weiblicher Emanzipation, stößt die Beziehung auf besonders großen Widerstand der Familie der österreichischen Partnerin:

Afrikaner, die weibliche Emanzipation als unafrikanisch ablehnen, werden von der Familie des Partners wesentlich häufiger als offenere Afrikaner abgelehnt. Mehr als 2/3 der „Traditionalisten“ machte nach Eigenangaben die bittere Erfahrung, daß die Familie des Partners die Trennung des Paares forderte. Afrikanische Männer ohne Probleme mit der Anerkennung weiblicher Emanzipation wurden fast dreimal seltener zurückgewiesen.

Andere Autoren dieses Buches, u.a. Sonja Steffek, berichten über Probleme österreichischer Frauen mit dem afrikanischen Freundeskreis ihrer Männer. Dabei spielt nicht die Wahl und Qualität der Freunde eine Rolle, sondern die als relativ stark empfundene Abgrenzung dieser Freundesbeziehungen vom Familienleben. Einstellungsuntersuchungen, die ich 1991 in einem Bambara-Dorf in Mali durchführte, zeigen die enorme Bedeutung männlicher Freunde in der untersuchten Kultur.  Dabei fällt auf, daß männliche Freunde weit vor der Ehefrau die ersten Ansprechpartner in sehr gefühlsintensiven Situationen sind.

Tabelle 107: Zu wem gehst Du, wenn Du traurig bist?

Zu wem gehst Du, wenn Du traurig bist? (65 befragte Männer, Nkorongoji 1991)

Álter

Freund

Vater

Mutter

Kind

Bruder

Frau

Marabu

Großeltern

16-25

11

3

5

 

 

 

 

1

26-49

14

5

4

 

1

 

 

1

50++

4

3

4

4

3

1

1

1

Gesamt

29

11

13

4

4

1

1

2

 

Auffällig ist hierbei, daß die subjektive Bedeutung männlicher Freundschaften sogar im Steigen begriffen ist. Jüngere Männer der Bambara-Kultur neigen mehrheitlich dazu, Gefühle der Traurigkeit mit ihren Freunden auszuleben, während bei den  Älteren (50 Jahre und mehr) die Großfamilie eine stärkere Rolle spielt. In beiden Fällen ist die Ehefrau bei weitem nicht die erste Ansprechpartnerin. Nur einer von 65 Männern würde sich in seiner Niedergeschlagenheit primär an seine Frau wenden.

Der Ausschluß der Frau aus den schwachen Augenblicken des Mannes mag damit zusammenhängen, daß Männer ihre Schwächen nach außen nicht zeigen sollten[8]. Frauen gelten darüber hinaus als so redselig, daß Männer ihnen nichts Wichtiges anvertrauen sollten. In den Geheimbünden der Bambara, den Lebensschulen der Männer (s.a. Ebermann 1989), werden die Novizen gedrillt, ihre innersten Geheimnisse für sich zu behalten und Frauen gegenüber absolut verschwiegen zu sein, weil diese nichts für sich behalten könnten[9].

 

Zu wem gehst Du, wenn Du glücklich bist?

 

Freund

Frau

Mutter

Vater

Kind

Bruder

16-25

20

 

 

 

 

 

26-49

25

1

1

2

 

 

50++

13

4

 

 

2

1

Ges.

58

5

1

2

2

1

 Auch Augenblicke des Glücks möchte man zuallererst mit seinen Freunden teilen. Die Familie wird hingegen kaum genannt, sie scheint eher als Stütze in schwierigen Augenblicken wichtig zu sein. Die Ehefrau bleibt mit 7% Nennung marginal, wenn auch stärker vertreten als in „schwachen“ Augenblicken.

 

Wen liebst Du am meisten?

 

Vater

Mutter

Kinder

Frau

Freundin

k. Angaben

16-25

3

3

 

 

2

13

26-49

4

8

11

2

 

6

50++

4

 

14

 

 

2

Summe

11

11

25

2

2

21

 Auch hier ist die Frau eher Partner, denn primäres Liebesobjekt. Die Ehefrau ist nicht die stärkste emotionale Stütze des Mannes in dieser Kultur, sie ist auch nicht die Person, an die man als erste denkt, wenn man Unterstützung benötigt:

 

Zu wem gehst Du bei großen Problemen um Rat?

 

Freund

Vater

Mutter

Kind

Bruder

Frau

Marabu

Großeltern

16-25

2

9

4

 

4

 

 

1

26-49

9

5

5

 

5

1

 

 

50++

1

6

4

3

5

 

 

 

 

12

20

13

3

14

1

 

1

 Keinesfalls darf diese Studie in einem Bauerndorf in Mali unkritisch auf Stadtbewohner und die anderen 1000 Kulturen Afrikas übertragen werden. Eigene Assoziationstests aus dieser Zeit zeigten z.B. eine etwas stärkere Romantisierung der Ehebeziehungen in der Hauptstadt Malis. Dennoch sind Parallelen zum Verhalten und zu den Einstellungen mancher afrikanischer Partner von Österreicherinnen erkennbar. Österreichische Frauen verlangen wahrscheinlich häufiger als afrikanische Frauen eine zentrale Position in jedem Lebensbereich ihres Mannes. Im Einzelfall kann dies zu schwierigen (gegenseitigen) Anpassungsproblemen führen. Es gibt jedoch genügend exzellente, sensible und verantwortungsvolle Beziehungen zwischen afrikanischen Männern und österreichischen Frauen, die zeigen, daß derartige Hürden bei beiderseitigen Bemühungen überwunden werden können.

 

Kontakterfahrung und familiäre Akzeptanz

Auch bei der Steigerung familiärer Akzeptanz erweist sich der persönliche Kontakt als äußerst erfolgreich:

Tabelle 108: Afrikaner-Erfahrung und familiäre Akzeptanz[10]

 

 

Könnte mir afrik. Schwiegersohn/-tochter vorstellen

(in %)

Kontaktvielfalt

n=

stimme eher zu

weiß nicht

stimme eher nicht zu

0

308

20,6

22,9

56,5

1

317

45,7

30,3

24,0

2

25

68,0

24,0

8,0

3

5

100,0

0,0

0,0

Gesamt

655

35,2

26,3

38,5

Je vielfältiger die Erfahrungen mit Afrikanern, umso stärker steigt deren Akzeptanz als Schwiegersöhne/-töchter. Begegnung, Begegnung, Begegnung in nicht doktrinärer Form scheint wieder einmal das Zaubermittel der Integrationsförderung zu sein. Zweifellos ist damit nicht jeder Fall „kurierbar“. Ein Freund erzählte mir, daß sein Vater den Besuch seiner schwarzen Frau mit den Worten ablehnte: „Ein schwarzer Hund kommt mir nicht ins Haus!“

Es gibt kein Allheilmittel für die Öffnung der Eltern für afrikanische Partner. Besonders wichtig erscheint jedoch, sie stärker mit Afrika und Afrikanern in Kontakt zu bringen; ihnen die Angst vor sozialer wie materieller Deklassierung des Kindes sowie vor befürchtetem mangelndem Verantwortungsgefühl des afrikanischen Partners zu  nehmen.


[1] Ebermann 1993:13.

[2] Dadurch kann Bessergestellte oft enorm belasten. Ich habe Freunde unter afrikanischen Bankdirektoren, denen es nach ihrem beruflichen Aufstieg schlechter als vorher ging, weil ihnen ihr Heimatdorf zwanzig Leute ins Haus sandte. Diese weit überproportionale Belastung des Einzelnen als Hauptpfeiler des informellen Sozialsystems verleitet wiederum dazu, bei Postenvergaben Menschen aus dem eigenen Sozialnetz zu bevorzugen, weil es so zu einem Lastenausgleich kommen kann. Makroökonomisch kann die häufige Vergabe von (staatlichen) Arbeitsstellen an weniger Geeignete natürlich verheerende Auswirkungen haben.

[3] Das bestätigte sich auch in Assoziationstests, die ich im Rahmen einer Entwicklungsstudie 1989 im Dorf Nkorongoji in Mali durchführte. Dabei wurde bei „Frau, Ehefrau“ vor allem familienstützende Funktionen wie „Hilfe bei der Arbeit (Landwirtschaft)“ und die Rolle als Mutter hervorgehoben. Romantische Assoziationen tauchten vereinzelt bei befragten Städtern auf.

[4] Ebermann 1993: 86 interviewte Afrikaner

[5] Wobei einige Gesellschaften Afrikas wie die im südöstlichen Nigeria lebenden Igbo fast alle Funktionen an Leistung zu binden scheinen.

[6] Auch im theoretischen wie vielerorts gelebten Islam wird die Anheirat einer Frau wesentlich leichter als die eines Mannes akzeptiert.

[7] Die Tabelle gibt den Prozentsatz der Personen an, die afrikanische Schwiegersöhne/-töchter ablehnen, falls sie links angeführten Aussagen zustimmen oder nicht zustimmen. Von denjenigen, die zustimmen, daß sich Afrikaner in Wien akzeptabel verhalten, würden sich nur 13,2% gegen eine Ehe ihrer Kinder mit Afrikanern aussprechen. Bei denen, die nicht meinen, daß sich Afrikaner den lokalen Sitten und Gebräuchen entsprechend verhalten, steigt die Ablehnung auf 81,3%.

[8] Im Rahmen einer Lehrveranstaltung 1989 interviewte ich gemeinsam mit Studierenden insgesamt 25 afrikanische Paaren über die jeweiligen Rollenbilder und Erwartungshaltungen an das private und öffentliche Verhalten ihrer Partner. Dabei wurde von auffallend vielen Frauen betont, daß sie öffentliches Weinen ihrer Männer als blamabel und (von Einzelnen) sogar als Verlassensgrund empfänden.

[9] Auskunft darüber gibt auch das Bambara-Sprichwort: muso sin bè i dan yòrò min na, a hakili fana bè i dan yen. „Dort wo der Busen der Frau aufhört, hört auch ihr Verstand auf.“ -> Frauen gelten zwar als ähnlich intelligent wie Männer, aber als so gefühlsdominiert, daß sie oft unvernünftig und durch ihre Spontaneität auch allzu redselig sind.

[10] Es wurde abgefragt, in welchen Bereichen Afrikaner bereits bekannt sind: als Berufskollegen, als Freunde, von persönlichen Gesprächen her (die über reine Fachunterhaltungen hinausgehen). Wer in allen drei Bereichen Erfahrungen sammelte, erhielt drei Punkte, wer keine Erfahrungen machte Null Punkte. 

„Ich liebe einen afrikanischen Mann“

Verstehen und Mißverstehen in den Beziehungen zwischen Afrikanern und Österreicherinnen

Sonja Steffek

 

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Thematik Kulturelle Unterschiede. Auf der einen Seite möchte ich daher bestimmte Probleme aufzeigen, deren Lösung erleichtert wird, wenn sie als kulturelle Probleme erkannt werden, auf der anderen Seite möchte ich aber nicht versäumen, auf das große Potential an Erkenntnismöglichkeiten hinzuweisen, die in den Beziehungen zwischen afrikanischen Männern und österreichischen Frauen gegeben sind. Es ist nicht in meinem Interesse, mit diesem Artikel eine Problematisierung von kulturellen Konfliktpotentialen zu unterstützen, die eine prinzipielle Unverträglichkeit verschiedener Kulturen annimmt. Wenn es nun in meinem Artikel in erster Linie um „Kommunikationsprobleme“ im kulturellen Bereich geht, so will ich dennoch auf die oft unbewußt stattfindenden Lernprozesse hinzuweisen, die für diese Probleme verantwortlich sind.

Im Vergleich zu Partnerschaften zwischen Österreichern finden Beziehungen und Ehen zwischen österreichischen Frauen und afrikanischen Männern in einer Situation statt, die sich als „kulturelle Überschnei­dungssituation“ beschreiben läßt. Zwar befinden sich objektiv gesehen beide Paare zunächst in einer ähnlichen Situation, denn in jeder Beziehung treffen schließlich zwei Partner aufeinander, die einander „fremd“ sind. Sie sind gewöhnlich nicht gemeinsam aufgewachsen und haben im Verlauf ihrer bisherigen Sozialisation unterschiedliche Erfahrungen gemacht, die auf den allgemein gültigen Vorstellungen ihrer Gesellschaft beruhen. Was in interkulturellen Beziehungen oft zu Mißverständnissen und Konflikten führt, sind damit die sozialen Rollen, die kulturspezifischen  Gesellschaftsrollen und die damit verknüpften Verhaltensweisen, die dem Einzelnen normalerweise nicht bewußt sind. Diese gesellschaftlichen Rollen und Verhaltensweisen werden zu einem großen Teil bereits in der Kindheit erlernt (REIF 1996:41). Berger und Luckmann (1980) unterscheiden zwischen einer primären und einer sekundären Sozialisation, wobei die primäre Sozialisation durch die erste Bezugsperson vermittelt wird. In dieser primären Sozialisation wird dem Individuum vor allem mittels der Sprache seine Identität, soziale Rolle und sein Wirklichkeitsverständnis vermittelt. Da Kinder jedoch das, was sie lernen, noch nicht in Frage stellen,  werden die gelernten Dinge als unumstößliche Tatsachen aufgenommen. Ein Baum ist daher für ein Kind ebenso „wirklich“, wie die Tatsache, „daß Buben nicht weinen sollen“. Soziale Phänomene werden dadurch so eingeprägt, daß sie zu natürlichen Phänomenen werden, die in der Regel nicht in Frage gestellt oder hinterfragt werden.

Mitglied einer bestimmten Gesellschaft oder auch einer Gesellschaftsschicht zu sein bzw. sich in ihr zu bewegen, bedeutet somit auch, einem bestimmten Kultursystem anzugehören, einen bestimmten Sozialisationsprozeß zu durchlaufen und damit eine – wenn auch individuell geprägte – kulturspezifische Identität zu erwerben. Von jedem Individuum wird somit durch die Erziehung ein bestimmtes ökonomisches, politisches, soziales und geistiges System erlernt. Die Partner in einer interkulturellen Paarbeziehung sehen sich damit zunächst mit der Tatsache konfrontiert, daß beide ihre primäre Sozialisation – die sehr fest im Bewußtsein verankert ist – in unterschiedlichen Kulturen erfahren haben (Reif 1996:42).

Jede Gesellschaft besitzt etwas, daß man als „gesellschaftlicher Wissensvorrat“ bezeichnen könnte. Das bedeutet, daß jedes Mitglied dieser Gesellschaft eine bestimmte Vorstellung davon hat, wie sich „normale“ oder „anormale“, „einheimische“ und fremde Personen“, „Männer“ und „Frauen“ verhalten und welche Eigenschaften und Verhaltensweisen mit diesen Vorstellungen verbunden sind. Aus diesen Vorstellungen leiten sich bestimmte soziale Rollen ab, die jedes Mitglied einnimmt. Dabei kann eine Person auch mehrere Rollen gleichzeitig einnehmen. Sie kann beispielsweise gleichzeitig „Frau“, „Einheimische“, „Normale“, „Angehörige einer bestimmten Schicht“ etc. sein und sich auch dementsprechend verhalten (vgl. auch Gómez Tutor 1993:47).

Darüber hinaus enthält dieser Wissensvorrat eine Anzahl an Typisierungen von Handlungen, d.h. „Rezepte“ und Anweisungen für Handlungsabläufe, die Lösungen von Routineproblemen usw. Diese Anweisungen betreffen einfache Handlungen wie beispielsweise eine kulturspezifische Art Kaffee zuzubereiten ebenso wie das Verhalten in einer Partnerschaft.

Das Ganze läßt sich an Hand eines Beispiels veranschaulichen (Reif 1996:39). Während des Zweiten Weltkrieges untersuchte eine Arbeitsgruppe von Psychologen ein Phänomen, daß zu jener Zeit in einem Teil Großbritanniens zu beobachten war, in dem amerikanische Truppen stationiert waren. Wie zu erwarten, war es hier rasch zu ersten Beziehungen zwischen den britischen Frauen und den amerikanischen Soldaten gekommen. Es häuften sich jedoch auch die Beschwerden der Frauen über die Zudringlichkeit der Amerikaner. Die Mädchen bezeichneten die Soldaten als Draufgänger, die bereits beim ersten Rendezvous zum Geschlechtsverkehr drängten. Der Tenor der Männer lautete hingegen, die britischen Mädchen seien besonders freizügig, viel freier im Umgang mit Sexualität und rascher zum Geschlechtsverkehr bereit. Es stellte sich schließlich heraus, daß sowohl die englischen Frauen, als auch die amerikanischen Soldaten aufgrund kulturell fortgeführter unbewußter Normen eine unterschiedliche Vorstellung von der Reihenfolge sexueller Handlungen hatten.“ Während z.B. das Küssen in Amerika relativ früh vorkommt, etwa auf Stufe 5, tritt es im typischen Paarungsverhalten der Engländer relativ spät auf, etwa auf Stufe 25. Praktisch bedeutet dies, daß eine Engländerin, die von ihrem Soldaten geküßt wurde, sich nicht nur um einen Großteil des für sie >>intuitiv<< richtigen Paarungsverhaltens (Stufe 5-24) betrogen fühlt, sondern zu entscheiden hatte, ob sie die Beziehung an diesem Punkt abbrechen oder sich dem Partner sexuell hingeben sollte. Entschied sie sich für die letztere Alternative, so fand sich der Amerikaner einem Verhalten gegenüber, das für ihn durchaus nicht in dieses Frühstadium der Beziehung paßte und nur als schamlos zu bezeichnen war. Die Lösung eines solchen Beziehungskonflikts durch die beiden Partner selbst ist natürlich deswegen praktisch unmöglich, weil derartige Verhaltensformen und -abläufe meist völlig außerbewußt sind“ (Watzlawick/Beavin/Jackson 1985:20). Die Untersuchungsergebnisse sind deshalb besonders interessant, weil in diesem Fall beide Partner dieselbe Sprache sprechen und Kommunikationsprobleme hier nicht auf mangelnde Sprachkenntnis zurückgeführt werden können.

Durch das Zusammentreffen zweier deutlich unterschiedlicher Kultur- und Kommunikationssysteme in den Beziehungen zwischen Österreicherinnen und Afrikanern, ist die Erarbeitung von Übereinkünften erheblich schwieriger als in Beziehungen zwischen Partnern der selben Kultur. Neben tatsächlichen Sprachschwierigkeiten, die sich auf beiden Seiten durch eine mangelnde Beherrschung der Sprache des Partners ergeben können, treten in diesen Beziehungen Verständigungsschwierigkeiten auf, die sich auf die unterschiedliche kulturelle Erziehung zurückführen lassen. Generell wird der Einfluß der anderen Kultur mit der geographischen Nähe zwischen den jeweiligen Herkunftsländern abnehmen. Es macht einen Unterschied, ob zwei EU-Bürger heiraten oder ob ein Partner aus Europa und der andere aus Afrika stammt. Beziehungen zwischen Afrikanern und Österreicherinnen können also als interpersonelle Beziehungen bezeichnet werden, in denen zwei Personen aus unterschiedlichen Lebenswelten interagieren, welche stärker differenziert sind als Lebenswelten von Paaren der selben ethnischen und kulturellen Abstammung. Konflikte in interethnischen Partnerschaften lassen sich daher häufig auf Mißverständnisse aufgrund unterschiedlicher verinnerlichter sozialer Rollen und den damit verknüpften Verhaltenserwartungen zurückführen (Reif 1996:39; Thode-Arora 1999:246f).

 

„Ich bin hier dominant, weil ich hier geboren bin“

Probleme aufgrund der Migrationssituation

 

In der Regel ist die Partnerschaft bzw. Ehe zwischen einem Afrikaner und einer Österreicherin für den Afrikaner mit einem Wechsel des Aufenthaltslandes und damit der gesamten Kultur, aber auch der sozialen Bindungen, der Arbeitsmarktchancen etc. verbunden. Die Beziehung bedeutet damit für die Männer in den meisten Fällen eine „Verlustsituation“. Aus diesem Verlustempfinden entsteht häufig der Versuch, diesen Mangel durch Rückkehrüberlegungen zu kompensieren. Die Ernsthaftigkeit dieser Planung zeigt sich dann unter anderem im Sparen der Männer, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. So schicken manche Afrikaner beispielsweise Geld in ihr Heimatland, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Jede Geldausgabe der Frau wird dabei als Boykott der Rückkehridee gewertet, wodurch sich bereits ein erster „Krisenherd“ herausbilden kann (Englert 1995:145; Thode-Arora 1999:283).

Dem „Heimverlust“ des Mannes und den damit verbundenen Konsequenzen, wie der Mangelsituation auf Grund des Verlustes der Herkunftsumgebung, steht andererseits der Heimvorteil der österreichischen Frau gegenüber. Die österreichische Frau nimmt aufgrund ihrer gewohnten Umgebung eine dominante Position ein, die sich in der Regel auch durch bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten und häufigere Außenkontakte einschließlich der Vertretung der Ehe in allen öffentlichen Angelegenheiten auszeichnet. Diese neue Rollenverteilung bedeutet einerseits eine große Belastung für die Frau, andererseits tritt dadurch für den afrikanischen Mann eine Abhängigkeit ein, die als belastend wahrgenommen wird. So bringt der Heimvorteil der Frau einerseits tatsächliche Vorteile, andererseits werden ihr aber auch vom Partner Vorteile aufgrund der vermuteten Dominanz zugeschrieben. Dieser Heimvorteil bzw. Heimverlust beeinflußt im weiteren natürlich auch die Konstruktion der ehelichen Wirklichkeit.

Englert (1995:116) beschäftigt sich in einer Studie mit der Rollenverteilung in den Ehen zwischen deutschen Frauen und ghanaischen Männern. Darin zeigt sie auf, daß die Mehrzahl der betroffenen Frauen berufstätig ist. Die Notwendigkeit dafür erklärt sich, zumindest zu Beginn der Beziehung, aus der unsicheren beruflichen Situation der Männer. Darüber hinaus gaben die Frauen selbst jedoch auch an, aus Interesse und emanzipatorischen Gründen nicht auf die eigene berufliche Karriere verzichten zu wollen. In der Regel verfügt die Frau auch später über ein höheres Einkommen, was bei den Männern zu einem Gefühl der Abhängigkeit und Minderwertigkeit führt (Thode-Arora 1999:249). Umgekehrt zeigen die Untersuchungsergebnisse aber auch, daß die afrikanischen Partner häufig im Haushalt mitarbeiten, obwohl sie sich in ihrer alten Heimat Afrika nicht an der Hausarbeit beteiligt hatten. „M. mußte sich hier umstellen, ich würde es nicht mitmachen, wenn er mich dominieren wollte, wie es in Ghana üblich ist. Er beißt die Zähne zusammen“ (Englert 1995:106; vgl. Thode-Arora 1999:256f). Die Veränderung der Geschlechterrolle der Afrikaner läßt sich auf zwei Faktoren zurückführen. Möglicherweise bringen die afrikanischen Männer als Fremde im Migrationsland eher die Bereitschaft auf, sich den Gepflogenheiten der neuen Kultur anzupassen, andererseits messen die Frauen der Emanzipation besondere Bedeutung bei.

In der neuen Migrationssituation sind soziale Kontakte zu Freunden und Bekannten aus Afrika besonders wichtig. Die überwiegende Zahl der Afrikaner stammt aus Gesellschaften, in denen sie nur mit geringer sozialer Absicherung von Seiten des Staates rechnen können. Aufgrund der mangelnden staatlichen Strukturen, die im Notfall zur Unterstützung des Einzelnen beitragen würden, ergeben sich daher unterschiedliche Einstellungen und Notwendigkeiten für die Mitglieder der Gesellschaft. An die Stelle des staatlichen Apparats tritt ein soziales Netz, welches im Notfall die Unterstützung und Hilfe der anderen Mitglieder gewährleistet. Um das zu ermöglichen, muß die gesellschaftliche Solidarität innerhalb der Gruppe erhalten bzw. verstärkt werden. Dafür sind stabile zwischenmenschliche Beziehungen unerläßlich, die, um ihren Fortbestand zu sichern, entsprechend gepflegt werden müssen. Dies geschieht beispielsweise durch häufige Besuche. Derartige Anlässe bieten darüber hinaus die Möglichkeit den gegenseitigen Respekt zum Ausdruck zu bringen.

Das Bedürfnis der Afrikaner nach Kontakt zu Freunden kann jedoch zu einem Problem in der Beziehung werden. „Für ihn sind Freunde wichtiger als für mich. Er wünscht sich von mir mehr Verständnis für den Kontakt mit seinen Landsleuten. Es ist typisch für Ghana, daß die Männer viel unter sich sind. Mich nervt es aber, wenn er sich so oft mit seinen Landsleuten trifft und dann nachts nicht nach Hause kommt […]“ (Englert 1995:122).

Während in westlich industrialisierten Ländern Gäste meist nur in beschränktem Maße über einen längeren Zeitraum hinweg aufgenommen werden, messen afrikanische Gesellschaften der uneingeschränkten Gastfreundschaft einen außerordentlich hohen Wert bei. Das bedeutet, daß es sehr differente Auffassungen darüber gibt, „wann welche Gäste kommen dürfen, wieviele Gäste es sein dürfen, was wann während des Besuches getan werden muß, wie sich die Frau und der Mann verhalten sollen“. Von einigen der Frauen werden die ständigen Besuche der afrikanischen Freunde ihres Mannes mit der Zeit als große Belastung empfunden, zumal die „Gäste“ meist ohne Vorankündigung zu Besuch kommen. As. faßt ihre diesbezüglichen Erfahrungen folgendermaßen zusammen: „Du mußt irgendwie dein ganzes Leben umstellen. Du kannst nicht wirklich etwas vorausplanen, weil womöglich plötzlich jemand vor der Tür steht. Am Anfang hat mich das wahnsinnig gemacht. Aber mittlerweile bin ich mit dem A. soweit überein gekommen, daß, wenn so etwas ist und ich etwas anderes vorhab’ – dann geh’ ich einfach“ (As. Weiblich 42 Jahre in einem Interview am 6.5.97).

Jedoch nicht nur die auftretende Belastung durch die ungewohnte Besuchssituation sowie die Einschränkung im Privatleben bereitet den Frauen Probleme. Vielmehr stellt diese ungewohnte Situation das bisherige Partnerschafts- und Ehekonzept zur Diskussion, denn der afrikanische Partner verändert sich durch den Besuch und den damit verbundenen größeren Kontakt zur eigenen Kultur. Einige der Frauen kritisierten in den Interviews die Gewohnheit der Männer, bei Besuchen ihrer Freunde unter sich zu bleiben, während die Frauen sich in einem anderen Raum aufhalten. Häufig empfinden die Frauen die daraus resultierende Separierung als verletzend, zudem diese Sitte auch dann durchgesetzt wird, wenn die Freunde des Mannes gemeinsam mit ihren Partnerinnen zu Besuch kommen. In diesen Fällen ist es üblich, daß sich  die Männer gemeinsam im Wohnzimmer unterhalten, während die Gruppe der Frauen in die Küche „abgeschoben“ werden, wo diese ihre eigene Unterhaltung führen. Galt bei der Etablierung der Partnerschaft oder Ehe häufig ein Konzept westlicher Prägung, so verschieben sich in dieser Situation die Schwerpunkte durch die Präsenz der Gäste aus der Heimat des Afrikaners, so daß nun die Regeln des Heimatlandes eine größere Rolle spielen.

Die Landsleute des afrikanischen Partners gelten – von Ausnahmen abgesehen – in der Regel als seine Freunde. „Seine Landsleute reden oft nur in ihrer Sprache, das finde ich manchmal blöd. Ich setze mich dann nicht mehr dazu. Ich kann es jetzt besser akzeptieren als früher“ (Englert 1995:128). Eine andere Frau beklagte sich: „Ich finde es manchmal komisch, seine Freunde sprechen mich nie direkt an, wenn sie etwas von mir wollen, zum Beispiel Hilfe bei den Behörden. Sie lassen alles durch meinen Mann ausrichten, es kommt mir komisch vor. Wenn sie zu Besuch sind, kann ich mich in der Wohnung nicht frei bewegen, manchmal nervt es auch, wenn sie so laut sind […]“ (Englert 1995:128). Der Grund dieses Verhaltens liegt in der Gewohnheit der Afrikaner, aufgrund der traditionellen Geschlechtertrennung eigene Freundeskreise aufzubauen. Demgegenüber versuchen europäische Paare zumeist einen gemeinsamen Freundeskreis aufzubauen. Schwierig ist in dieser Situation vor allem die neue Verteilung der Macht, die sich im ehelichen Alltag durch die Verschiebung des nationalen und kulturellen Gleichgewichts aufgrund der erhöhten Zahl der ausländischen Personen plötzlich vollzieht, denn die andere Kultur und deren Maßstäbe und Verhaltensregeln bilden aus der Perspektive der österreichischen Frau plötzlich die Übermacht.

Die österreichischen Frauen fühlten sich in jenen Fällen nicht durch den Wunsch der Männer nach Freiräumen verletzt, in denen sie selbst sehr viel Frei­raum in der Beziehung für sich beanspruchten. „Also wenn meine Cousine zu Besuch kommt, dann sagt er ‚Grüß Gott!’ und dann ist er verschwunden. Also er laßt die Frauen unter sich sitzen. […] Mittlerweile weiß ich das zu schätzen, daß er eben nicht dabei ist, wenn Freundinnen oder meine Schwester da sind und man ungehemmter reden kann und also auch über persönlichere Dinge re­den kann, was ich vielleicht nicht kann, wenn er sich auch an der Unterhaltung beteiligen würde“ (M. weiblich, 43 Jahre in einem Interview am 26.4.97).

 

„Am Anfang wollte ich alles mit ihm gemeinsam machen“

Probleme aufgrund kulturspezifischer Ehe-  und Familienkonzepte

Das Aufeinanderprallen der in beiden Kulturen geltenden Ehe- und Familienkonzepte ist ein großes und häufig nur schwer zu überwindendes Hindernis zwischen afrikanischen Männern und österreichischen Frauen. Während die österreichischen Frauen also in der Regel danach streben, ein ausgeprägtes Privatleben zu entwickeln, versuchen die meisten Afrikaner auch in ihrer neuen Heimat, jene gewohnte Atmosphäre eines Familienlebens zu verwirklichen, die ihnen aus ihrer Heimat bekannt ist. In ihren Vorstellungen und Wünschen in Bezug auf die Beziehung spiegelt sich bei den Frauen im Gegensatz zu den Männern eine stärkere Tendenz zur Gemeinsamkeit wieder, die dem Bedürfnis der Männer nach Unabhängigkeit gegenübersteht. Von den Frauen wird die Eigenständigkeit ihrer Partner nur widerwillig akzeptiert, da sie nicht mit ihrer eigenen gewohnten Konzeption von Ehe- und Familienleben übereinstimmt. Die afrikanischen Partner fühlen sich durch die Ansprüche der Frau hingegen häufig „eingesperrt“ und in ihrem Bedürfnis nach Freiheit eingeschränkt. In diesem Punkt bedeutet ein Verzicht auf die eigenen Wünsche einen Verlust, welcher nicht verkraftet werden kann, da durch ihn die Wertvorstellungen bedroht werden, mit denen sich jeder Partner identifiziert.

In beiden Kulturen bestehen sehr unterschiedliche Vorstellungen der Funktion von Ehe und Familie. Die Ehekonzepte variieren dabei von der Vorstellung der Ehe als Institution der Versorgung bis hin zur Vorstellung der romantischen Liebe als Basis einer ehelichen Beziehung. Mit diesen Vorstellungen geht neben den Erwartungen, die an den Ehepartner bzw. die Ehepartnerin gestellt werden, auch die Einstellung zu Kindererziehung und Eherolle über den Grad der Intimität und den persönlichen Freiraum einher. Hier unterscheiden sich Beziehungen zwischen Afrikanern und Österreicherinnen von jenen zwischen zwei Österreichern lediglich in der Größe der Diskrepanz. Welchen Stellenwert diese Diskrepanzen innerhalb der Beziehung einnehmen und ob sie zu Konflikten führen, hängt letztendlich von den Betroffenen, der Aufenthaltsdauer des afrikanischen Mannes in Österreich, der Sprachbeherrschung, den Kenntnissen über die Migrations- und Herkunftskultur, der Ausbildung oder dem sozialen Umfeld ab.

Ein von den Frauen im Interview am häufigsten kritisierter kultureller Unterschied betrifft den mangelnden Austausch von Zärtlichkeiten zwischen ihnen und ihrem afrikanischen Partner. Bei der überwiegenden Zahl der betroffenen Frauen spiegelt sich in deren persönlichen Vorstellungen und Wünschen – im Vergleich zu ihren afrikanischen Männern – eine ausgeprägte Tendenz zu Gemeinsamkeit wieder. Das Bedürfnis der Männer nach Unabhängigkeit steht dabei dem Wunsch der Frau nach Gemeinsamkeit gegenüber und produziert so fortwährend neue Konflikte. Diese Konflikte veranschaulicht Agbono-Puntigam in ihrem Roman. „Erschwerend kam hinzu, daß Emeka für mein Bedürfnis nach Nähe wenig Verständnis zeigte, was ich ihm als emotionale Kälte auslegte, und das wiederum nährte mein Mißtrauen. Vertrauen wollte ich mir durch Liebe holen, von seinem Körper. Daher küßte ich ihn dauernd. Ich küßte ihn jedesmal, wenn ich ein Zimmer betrat oder verließ, küßte ihn, wenn ich von einem Raum in einen anderen wechselte […] Einmal küßte ich Emeka, weil ich in die Küche gehen wollte, um dort eine komplizierte griechische Mahlzeit zu kochen. […] ‚Warum hast du mich jetzt geküßt?‘ fragte er mich, nachdem ich ihn losgelassen hatte. Ich sah ihn an. In mir brach eine Welt zusammen. So etwas fragt man doch nicht! ‚Ich hab dich geküßt, weil… weil… weil… einfach so eben.‘ ‚Was machst du denn jetzt?‘ ‚Ich gehe in die Küche.‘ ‚Küßt ihr euch immer, wenn ihr in die Küche geht?‘ ‚Nein.‘ ‚Ja, warum hast du es dann gemacht?‘ ‚Weil ich es wollte.‘ ‚Und warum wolltest du es?‘ ‚Weil ich jetzt… in die Küche gehe.‘ ‚Ah ja! Bist du sicher, daß du dich selbst verstehst?‘ ‚Nein, aber ich bin sicher, daß ich dich küssen wollte.‘ ‚Ahhh ja. Verstehe. Soll ich das in Zukunft auch machen?‘ ‚Was?‘ ‚Dich küssen, wenn ich in die Küche gehe?‘ Ich sah ihn verdutzt an und wußte nicht recht, was ich antworten sollte. ‚Na, also stören… würde es mich nicht – glaube ich.‘ Nigerianer küssen einander selten, erklärte er mir…“ (Agbono-Puntigam 1995:69f; Thode-Arora 1999:278). 

Obwohl für einige der Frauen das mangelnde Bedürfnis der Männer nach Nähe kein größeres Problem darstellt, da sie selbst es – zumindest im öffentlichen Bereich ablehnten, „Händchen zu halten und herumzuschmusen“, wird von der überwiegenden Zahl der Frauen das Verhalten der Männer als verletzend und als Zurückweisung empfunden. Mo. beschreibt in einem Interview ihre Enttäuschung: „Nein, aber gerade halt am Beginn unserer Beziehung – du weißt, wo alles halt noch so ein bißerl rosarot ist und du praktisch eh keinen Fehler, den der andere hat, siehst, oder das sogar lieb findest – da hat mich das schon gestört, daß er, wenn wir irgendwo waren, er da sehr zurückhaltend war. Also da hat’s kein Händchenhalten oder ein Busserl ge’bn“. Viele afrikanische Männer geben demgegenüber zu, Probleme mit Gefühlsbezeugungen in der Öffentlichkeit zu haben. Dieser mangelnde Ausdruck der Gefühle betrifft sowohl positive als auch negative Gefühle. Einige Frauen meinten: „Ich zeige positive und negative Gefühle offen, mein Partner eher etwas versteckt, aufgestaute Aggressionen kommen bei ihm oft erst später raus“. Die Diskrepanz zwischen den Vorstellungen beider Partner resultiert in diesem Fall daraus, daß eine Zurschaustellung der Gefühle in der Öffentlichkeit innerhalb der Gesellschaft des Mannes als verpönt gilt. Dieser unterschiedliche Umgang mit Emotionen – der auch im europäischen Bereich durchaus üblich ist – läßt sich rasch erklären. Auch in westlichen Gesellschaften wird in der Regel an Männer die Forderung gestellt, Gefühle wie Schmerz und Trauer in der Öffentlichkeit zu verbergen. Das damit verbundene Verhalten wird von den Männern bereits in der Kindheit über Redewendungen wie: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ erlernt. Gleichfalls werden auch in der Erziehung afrikanischer Männer bestimmte Regeln des emotionalen Verhaltens in der Öffentlichkeit erlernt und verankert. Treffen zwei Personen aus Kulturen aufeinander, deren Erwartungen an Intimität deutlich voneinander abweichen, so muß ein gemeinsames Konzept erarbeitet werden, wobei zumindest eine Person in Bezug auf ihr Konzept Abstriche machen muß. Wenn jedoch bei der neuen Konstruktion der gemeinsamen Wirklichkeit die kulturspezifische Sichtweise eines Partners als die einzig richtige hervorgehoben wird, so daß die Bedürfnisse und Erwartungen des anderen Partners darin keine Berücksichtigung finden, kommt es zum Konflikt. Häufig wurde das Verhalten des Mannes mit der Zeit von den Frauen akzeptiert bzw. im Verlauf der Beziehung nicht mehr als extrem störend empfunden. In der Regel erklärten die Frauen ihre Toleranz gegenüber dem Umgang mit Emotionen damit, daß auch von Seiten der Männer eine gewisse Annäherung an ihre eigenen Gewohnheiten stattgefunden hatte, wodurch ein beidseitiger Prozeß der Anpassung gewährleistet war.

 

„Sprachprobleme hatten wir am Anfang“

Probleme in der Partnerschaft aufgrund der kulturellen Differenz

 

Eines der Hauptprobleme innerhalb der Beziehungen zwischen Afrikanern und Österreicherinnen stellt das „differente Zeitgefühl“ von Österreichern und Afrikanern dar. Seitens der Afrikaner stellt die Gewohnheit der Europäer, ihr Leben nach fixen Terminen zu planen, ein großes Problem dar, da sie es gewohnt sind, Freunde und Bekannte spontan aufzusuchen. Der Umstand, daß viele der österreichischen Freunde auf diese „Überraschungsbesuche“ ungehalten reagieren, stößt bei Afrikanern deshalb auf wenig Verständnis, da sie sich in der selben Situation – trotz vereinbarter Termine und anderer Verpflichtungen – Zeit für den Gast nehmen würden, ohne ihn mit dem Verweis auf andere Verpflichtungen die Tür zu weisen. Umgekehrt zeigt sich, daß die Gewohnheit der Afrikaner, Besuche ohne vorherige Ankündigung zu machen, nicht den europäischen Vorstellungen von „guter Erziehung“ entspricht.

In fast allen als „Dritte Welt“ bezeichneten Ländern findet man einen von Europa verschiedenen Umgang mit Zeit, der in engem Zusammenhang mit der Auffassung von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit steht. Daher stößt gerade diese Spontaneität der Afrikaner bei der Mehrzahl der befragten Personen auf Kritik. So wird von Seiten der Österreicher das Zuspätkommen oder Nichterscheinen der Afrikaner zu einem verabredeten Termin als Beleidigung und Unzuverlässigkeit aufgefaßt. Die Afrikaner hingegen empfinden es als verletzend, wenn ihre österreichischen Freunde trotz ihres Zuspätkommens nicht warten. Um dieses Mißverständnis aufzuklären, muß man eine Unterscheidung in  polychrones und monochrones Verhalten einführen. Während die Zeit im polychronen Verhalten nicht symmetrisch verplant wird und freundschaftliche Beziehungen bei den Angehörigen dieser Kulturen höhere Priorität haben als ein korrekter Zeitplan, läßt sich monochrones Verhalten durch eine starke Identifikation mit der Arbeit und mit genauer Zeiteinteilung charakterisieren. Die differenten Verhaltensmuster erklären sich damit aus den unterschiedlichen Bedeutungen der Zeit. Im Rahmen der kulturspezifischen Sozialisation wird der westliche Mensch zur Pünktlichkeit und zur produktiven Nutzung von Zeit erzogen. Über Redewendungen wie beispielsweise „Morgenstund’ hat Gold im Mund“ oder „Zeit ist Geld“ werden spezifische Einstellungen und bestimmte Verhaltensmuster gegenüber dem Faktor Zeit verinnerlicht. Umgekehrt zeigt sich, daß Zeit für Afrikaner eine andere Bedeutung erhält.

In den Beziehungen zwischen Österreicherinnen und Afrikanern wird in Bezug auf den Faktor Zeit letztendlich häufig ein „einseitig europäisches Arrangement“ getroffen und die Mehrzahl der Männer paßt sich den Verhältnissen des Gastlandes an. „Früher war er eher unzuverlässig, er hat sich mit der Zeit angepaßt. Das hätte ich sonst nicht mitgemacht“.

Eine besondere Problematik in den Beziehungen bringt die Einstellung zu Beruf und Arbeit bzw. der Umgang mit Geld mit sich, wenn beide Partner unterschiedliche Ansichten über die Bedeutung der Arbeit bzw. die Frage, wer was verdient sowie die Verwendung des Einkommens haben. Ein Konfliktfeld bilden daher die  finanziellen Regelungen. Unter den Akan beispielsweise ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Ehepartner üblich, während in österreichischen Familien auch im finanziellen Bereich eher Gemeinschaft angestrebt wird. Dennoch läßt sich auch in Europa in den letzten Jahren – möglicherweise aufgrund der hohen Scheidungsrate – unter den Frauen ein Trend zur finanziellen Unabhängigkeit nachweisen. Die meisten der von mir befragten Paare regelten die finanzielle Frage so, daß das Einkommen der Ehepartner getrennt verwaltet und die gemeinsamen Kosten untereinander aufgeteilt wurden. Nur bei einem sehr geringen Teil wird das Gesamteinkommen beider Ehepartner geteilt, obwohl die Frau den Hauptanteil des Einkommens erwirtschaftet. Problematisch erweist sich die finanzielle Situation in jenen Fällen, in denen der Mann der engen Verbindung zu seinen in Afrika lebenden Verwandten Ausdruck verleiht, indem er Geld in sein Heimatland sendet oder sich in seiner Heimat unabhängig von der Familie eine Existenz aufzubauen versucht. Englert schildert einen Fall, in dem sich die Frau durch die Existenz eines von ihrem Mann finanzierten Unternehmens in Ghana bedroht fühlte, da sich ihrem Mann dadurch jederzeit die Möglichkeit bot, in seine Heimat zurück zukehren.

Wie im vorangegangenen Beispiel können sich auch die differenten Vorstellungen über – für Österreicher – ganz alltägliche Gewohnheiten, wie Spazierengehen oder Kinobesuche, als problematisch erweisen. M. schildert die in ihrer Beziehung auftretenden Konfliktherde in einem der Interviews:  „Wir haben am Anfang also ziemlich viele Diskussionen gehabt und auch ordentliche Krachs, bis sich das im Laufe der Zeit so ruhiger wieder entwickelt hat. […] Diskussionen hat’s dann eher um Dinge ’geben, die uns ganz normal vorkommen wie z.B. Spazierengehen, einmal ins Cafehaus geh’n, ins Kino geh’n. Das sind Dinge, die er komplett ablehnt. Spazierngeh’n ist was Abartiges“ (M. in einem Interview am 26.4.97). Ein zusätzliches Problemfeld, welches eng mit dem Lebensstil und den Vorstellungen über die Lebensführung zusammenhängt, ergibt sich in Bezug auf Feste. Konflikte entstehen hierbei nicht nur in Hinblick auf die Frage, welche Feste gefeiert werden, sondern auch in welcher Art sie gefeiert werden sollen. Gegenüber dem im europäischen Bereich verbreiteten besinnlichen Charakter, lassen sich die Feste der Afrikaner durch eine eher laute und fröhliche Natur charakterisieren. Es ist deshalb nicht besonders erstaunlich, daß die europäische Form des Feierns von Afrikanern häufig als „langweilig“ beurteilt wird. „Das macht keinen Spaß, nur Essen und Spazierengehen“ (Englert 1995:139; vgl. Thode-Arora 1999:289). Demgegenüber wird die „afrikanische Art zu feiern“ von den Frauen durchwegs positiv aufgenommen. „Ich gehe gern mit auf Feste mit afrikanischen Musikgruppen. Es ist sehr schön“ (Englert 1995:139). Als einzige Kritik der Frauen muß hier angeführt werden, daß auch bei Festen manchmal die Trennung zwischen Männern und Frauen aufrecht erhalten wurde. Diese Trennung wurde von den Frauen als unangenehm empfunden (vgl. Englert 1995:139).

Das Thema Essen stellt hingegen in der Regel keinen Streitpunkt in den Beziehungen dar. Zumeist finden die Partner Geschmack an der Küche des jeweils anderen Landes. In einigen Fällen kam es auch vor, daß jeder der Partner für sich selbst kochte (Englert 1995:138; vgl. Thode-Arora 1999:279f). Lediglich in zwei Fällen erwähnten die Frauen Probleme im Zusammenhang mit dem Kochen. M. erzählte im Interview, daß ihr Mann es hin und wieder ablehnte, von ihr zubereitete Speisen anzurühren, obwohl sie dafür keinen Grund sah. „Es hat also Tage gegeben da hat’ er g’sagt >>I’m not hungry<<. Er hat keinen Hunger, er will kein Essen. Ich hab’ also g’fragt warum: Is’ dir schlecht? Hast’ irgend was? Nein. No food. Und ich bin dann erst nach Monaten d’rauf gekommen, daß das so viel bedeutet hat, wie er is’ bös’ auf mich, aus irgend einem Grund hab ich ihn gekränkt, beleidigt oder irgend etwas falsch gemacht. Und darauf ißt er nichts, was ich gekocht hab’“ (M. weiblich, 43 Jahre in einem Interview am 26.4.97). In Fällen, in denen ihr Mann versucht, im Zuge eines Streites einzulenken, bittet er sie hingegen, für ihn zu kochen. In dem zweiten Fall war die mangelnde Kochkenntnis der Frau der Grund für eine Vielzahl von Streitigkeiten. Obwohl sie ihrem  Ehemann bereits vor der Hochzeit gesagt hatte, daß sie nicht kochen konnte und es auch nicht lernen wolle, war es später zwischen den beiden zu vielen Streitigkeiten gekommen, da der Mann nicht akzeptieren wollte, daß seine Frau nicht für ihn kochen wollte.

 

„Mein Schwiegersohn ist ein Neger“

Die Reaktion der Familie

 

Nicht allein die kulturspezifischen Gewohnheiten sowie die individuellen Voraussetzungen der Partner verursachen bestimmte Problemfelder, sondern auch die Art der Reaktionen ihres sozialen Umfeldes.

In nahezu allen Gesellschaften stellt die Familie seit jeher jene soziale Instanz dar, über die Normen und Wertvorstellungen der Gesellschaft – oder zumindest jene einer sozialen Schicht –  an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Daran hat sich bis in unsere Zeit nichts Wesentliches geändert. Selbst in den westlichen Gesellschaften, in denen der Familie zumeist nur noch eingeschränkt Bedeutung zukommt und die letztlich darauf ausgerichtet ist, das Individuum zur Selbständigkeit zu erziehen, kommt den Urteilen und Werthaltungen der Familie in Bezug auf die Partnerwahl ein nicht zu unterschätzender Stellenwert zu. In afrikanischen Gesellschaften nimmt die Familie demgegenüber einen wesentlich höheren Stellenwert ein. Kinder werden dahingehend erzogen, ihren Eltern Respekt und Verehrung entgegen zu bringen und später für diese Verantwortung zu übernehmen. In Bezug auf die Beziehungen und Ehen zwischen Afrikanern und Österreicherinnen ist es daher in den häufigeren Fällen die afrikanische Familie, welche die Partnerwahl akzeptiert und sogar mit Stolz aufnimmt. Für die Familie des Afrikaners ist die Heirat mit einer europäischen Frau jedoch auch Auslöser bestimmter Erwartungshaltungen und Ängste. Ausgehend von der Vorstellung, daß der Mann es durch seine Heirat mit einer Europäerin geschafft hat, sich in Europa ein „gutes Leben aufzubauen“, steigt in seiner Familie die Erwartung auf großzügige Unterstützung durch den Mann. Andererseits wächst jedoch auch die Befürchtung, den Sohn „endgültig an den reichen Westen“ zu verlieren. In der Familie der Frauen stößt die Beziehung mit einem afrikanischen Mann hingegen vielfach auf schärfste Kritik.

Es ist daher in der Regel eher die Frau, die sich mit der Ablehnung seitens ihrer Familie auseinandersetzen muß, wenn sie eine Beziehung mit einem afrikanischen Mann eingehen möchte. Dabei erhöht sich der Widerstand noch zusätzlich, wenn das Paar den Entschluß faßt zu heiraten. Die Ablehnung durch die Familie kann sogar so weit gehen, daß es zu einem völligen Bruch zwischen den Eltern und der Frau kommen kann.

Soziale Unterschiede spielen – wie ganz allgemein bei der Partnerwahl – auch im Bezug auf die Einstellung der Eltern gegenüber dem Partner der Tochter eine wichtige Rolle. Die ablehnende Haltung der Eltern wurde von diesen zunächst hauptsächlich mit der Hautfarbe des Afrikaners begründet. Hinter dieser Argumentation verbergen sich jedoch zumeist die in Europa gängigen stereotypen Vorstellungen über Afrikaner. Obwohl also Afrikaner aller Statusgruppen über die Erfahrung der Ablehnung durch die Eltern berichten konnten, sind bei der Frage der Akzeptanz dennoch auch Statusüberlegungen sowie der Grad der Anpassung des Afrikaners an die europäische Kultur für die Eltern von Bedeutung. Verfügt der afrikanische Partner der Tochter über eine höhere Bildung, ist Student oder Akademiker, so wandelt sich die ablehnende Haltung der Eltern häufig rasch in eine positive. Aber auch die Frage, wie weit der Afrikaner nach europäischen Vorstellungen erzogen wurde bzw. wie gut er die deutsche Sprache beherrscht, erweist sich dabei als entscheidend. Afrikaner, welche die deutsche Sprache gut beherrschen und die zudem eine Erziehung erfahren haben, die nach europäischem Empfinden als „westliche“ bewertet wird, können eine weitaus positivere Reaktion der Familie erwarten, als jene, die diesen Auswahlkriterien nicht entsprechen. Im Bezug auf die Familie zeigt sich, daß die „modernere Erziehung“ des afrikanischen Mannes die Akzeptanz des Partners durch die Eltern erleichterte bzw. eine freundschaftliche Beziehung zwischen dem Mann und der Familie erheblich vorantreibt. Seinen Ausdruck findet dies in Aussagen der Frauen wie: „Man muß da unterscheiden, von wo aus Afrika der Mann kommt. Ich glaub’, ich kann sagen, mein Mann is’ da einer von den moderneren. Der is’ nicht mehr so traditionell“ (Ba. weiblich, 23 Jahre in einem Interview am  25.3.97).

Ist  der afrikanische Mann jedoch in einer sozial niedrigeren Position oder sogar arbeitslos, so sind die Reaktionen der Eltern zumeist weniger positiv (vgl. Dettmar 1989:276ff). E., deren ghanaischer Ehemann als Taxifahrer arbeitet, erzählte im Interview, daß ihre Eltern ihr auch heute noch zu verstehen geben, daß sie „etwas Besseres finden hätt’ können“ (E. weiblich, 28 Jahre in einem Interview am 28.3.97). Die soziale Gleichstellung bzw. die standesgemäße Heirat ist demnach bei der Zustimmung der Familie zur Wahl der Tochter sehr wichtig. Die Gründe, die Eltern und Familienmitglieder gegen den afrikanischen Partner der Tochter vorbringen, sind vielfach von der Angst vor Deklassierung und Diskriminierung der Tochter oder der gesamten Familie bestimmt.

Die festgestellte ablehnende Haltung der Eltern gegenüber afrikanischen Männern muß sich jedoch nicht generell auf alle Afrikaner beziehen. Für viele Eltern entwickeln sich Konflikte erst durch die Beziehung der Tochter mit einem afrikanischen Mann. Dieselben Menschen können im übrigen sehr aufgeschlossen und hilfsbereit gegenüber den Problemen von „Ausländern“ sein (Dettmar 1989:276). In diesem Verhalten zeigt sich, daß die Fremdheit des Anderen erst im Kontakt spürbar wird. Erst durch den Kontakt mit Afrikanern können sich sonst verborgene Konfliktfelder herausbilden (Schäffter 1991:12).

Die Aussagen der Frauen in den Interviews zeigen, daß sie aufgrund ihrer Entscheidung für die Beziehung zu einem afrikanischen Mann zumindest zu Beginn der Beziehung mit negativen Reaktionen und Vorurteilen ihrer Familie rechnen müssen. Tatsächlich spiegeln viele der Einwände, die von Seiten der Eltern gegen den zukünftigen Schwiegersohn vorgebracht werden, ganz offensichtlich rassistische Vorurteile und Ängste wieder (Akpuma-Humeau/Baierl 1996:103). Selbst in Familien, die vor der Beziehung keinerlei rassistische Haltung erkennen lassen und bei denen die ablehnende Reaktion der Eltern von den Frauen nicht abzusehen ist, kann die Beziehung eine Ablehnung hervorrufen, die sich bis zum Bruch zwischen Eltern und Tochter ausweiten kann (vgl. Kienecker 1993:78ff). Ausschnitte aus Fallbeispielen machen die Situation der Frauen deutlich. „Jaja, das wußte ich. Es war mir klar, daß Angriffe von außen kommen würden. Was mir nicht klar war, war, daß meine Eltern sich gegen mich stellen. […] Meine Eltern und ich, wir haben eigentlich immer ein ganz gutes Verhältnis gehabt. […]“  (Kienecker 1993:79). „Naja. Bei meinen Eltern war natürlich Feuer am Dach. Also von dem Moment, wo ich g’sagt hab’: >>also paßt’s auf, da gibt’s einen Mann, der is’ schwarz und der kommt aus Afrika usw.<< war zunächst einmal interessanterweise ein kompletter Bruch da. Also es hat niemand mehr angerufen, also es hat sich niemand mehr gerührt. Die Katastrophe für die Familie. Und überhaupt, wie ich dann g’sagt hab’, ich krieg’ noch ein Baby, warn’s überhaupt komplett entsetzt. Ein gemischtes Kind da in der Familie, und dieser Zustand hat sich interessanterweise – ich hab’ nie gewußt von wem das eigentlich ausgeht, mein Vater, meine Mutter, beide. Meine Geschwister hab’n neutral reagiert. Mein Bruder war auch ziemlich geschockt“ (M. weiblich, 43 Jahre in einem Interview am 26.4.97). Erschwerend kommt in vielen Fällen hinzu, daß die Eltern vom Entschluß der Tochter meist völlig überrascht werden, was vermutlich auch im Falle eines österreichischen Schwiegersohns eine gewisse Bestürzung auslösen würde (Akpuma-Humeau/Baierl 1996:103).

Neben der Angst vor Krankheiten, Gewalt und Drogengeschäften wird auch die unsichere aufenthaltsrechtliche Situation des Mannes, aber auch die fehlende gesellschaftliche Anerkennung, sowie die damit verbundene Diskriminierung als Begründung für die Ablehnung des afrikanischen Mannes genannt. Beeinflußt werden die Widerstände zudem durch die Vermutung, das Motiv des Mannes für die Eheschließung wäre in seiner aufenthaltsrechtlichen Situation zu suchen. Derartige Überlegungen und Befürchtungen führen im Allgemeinen dazu, daß den Ehen zwischen österreichischen Frauen und afrikanischen Männern, von Seiten der Familienangehörigen, häufig schon zu Beginn der Ehe ein Scheitern prophezeit wird. „Na, wie ich den O. meiner Familie vorgestellt habe, da gab’s natürlich die schlimmsten Prophezeiungen. Das kann nie gut gehn und so“ (U. weiblich 34, in einem Interview am 18.3.97).

Durch den Bruch mit der Tochter und deren Partner wird für die Eltern jedoch die Möglichkeit, den afrikanischen Mann kennenzulernen und damit die eigenen bestehenden Vorstellungen zu verändert, gänzlich ausgeschlossen.

In jenen Fällen, in denen eine Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Schwiegersohn zugelassen wurde, führte der Kontakt bei der Mehrzahl der Familienangehörigen zu einer Veränderung ihrer Einstellung. Hierzu schilderte R. in einem Interview, daß ihre Eltern und Verwandten zu Beginn der Ehe mit einem Afrikaner „die üblichen“ Bedenken geäußert hätten. Die Situation hatte sich jedoch rasch geändert, nachdem diese ihren afrikanischen Ehemann näher kennengelernt hatten. „So is’ mei Mutter eher recht aufg’schlossen und hat sich ziemlich schnell d’ran gewöhnt, wenn man ihn näher kennen’lernt, ich mein wie sie ihn näher kennen g’lernt hat, hat sie des sowieso ab’baut, dadurch, daß sie guat reden ham können, daß sie sich gut verstanden hab’n“ (R. weiblich, 30 Jahre in einem Interview vom 25.3.97). Während in dem hier gezeigten Beispiel die Angst vor „dem Fremden“ durch den Kontakt abgebaut und die bestehende Form, in der das Fremde wahrgenommen wurde, eine Veränderung erfuhr, war in anderen Fällen allenfalls eine Art Kompromißlösung möglich. M. schildert die Situation innerhalb ihrer Familie: „Gebessert hat sich die Situation eindeutig, wie meine Mutter gestorben ist – vor eineinhalb Jahren ungefähr. Seitdem hat’s auch mein Vater geschafft anzurufen, oder hierher zu kommen oder mit uns einmal essen zu gehen oder ähnliche Dinge zu machen, während am Anfang sehr viel gelästert worden ist und irgendwelche schrecklichen Dinge prophezeit worden sind, hat sich das also jetzt gegeben. Also vielleicht ist doch mehr meine Mutter dahinter gesteckt. Aber es war für mich doch irgendwie doch überraschend. Ich hab’ gewußt, meine Eltern werd’n nicht begeistert sein, werden wahrscheinlich gewisse Vorurteile und Ängste hab’n, daß es ein so abrupter Bruch sein könnte, damit hab’ ich nicht gerechnet“ (M. weiblich 43 Jahre in einem Interview am 26.4.97).  

 

„Meine Freunde sind im Wesentlichen so wie ich“

Die Reaktionen der Freunde

 

Neben den Widerständen der Familie müssen die Frauen sich auch mit den Reaktionen ihrer übrigen sozialen Umwelt auseinandersetzen. In der Gesamtheit der  Reaktionen der Umwelt nimmt der Freundeskreis der Frau dem afrikanischen Mann gegenüber häufig eine positive Haltung ein. Wie hier bereits angedeutet wird, muß in Bezug auf das übrige soziale Umfeld der Frau eine Trennung zwischen Freundes- und Bekanntenkreis und den mehr oder weniger Fremden vorgenommen werden. Unter letzteren werden in diesem Zusammenhang vor allem Menschen in der unmittelbaren Umgebung zusammengefaßt, wie andere Hausbewohner bzw. Menschen, mit denen man nahezu täglich in engstem nachbarlichen Raum zusammenkommt, die man  beispielsweise beim Einkaufen trifft, aber auch tatsächlich Fremde, denen man noch nie begegnet ist.

Die Freunde der Frau reagieren auf die Beziehung häufig positiv. Die überwiegende Zahl der befragten Frauen gab in den Interviews an, innerhalb ihres Freundeskreises kaum negative Reaktionen und Ablehnungen auf ihren afrikanischen Partner erlebt zu haben. Der Umstand, daß Freunde und Bekannte eher dazu bereit sind, den ausländischen Freund anzuerkennen, wird auch von Kienecker (1993:83) in ihrer Arbeit über Ehen zwischen Deutschen und Ausländern bestätigt. Innerhalb des von ihr erarbeiteten Samples findet sich lediglich ein Fall, in dem der Kontakt seitens der Freunde aufgrund ihrer Beziehung zu einem ausländischen Mann abgebrochen wurde. In ihrer Schilderung kommt sie zu folgendem Fazit: „In dem Moment, wo ich mit Afrikanern zusammenkam, war ich ja von den Deutschen völlig weg. […] Ja, damals hab ich meinen ganzen Freundeskreis verloren mit einem Schlag und hab’ dann gesehen, wer übrigblieb. Und das waren ganz wenige. Jetzt hab ich einen völlig neuen Freundeskreis“. Derartig heftige Reaktionen, die sich bis zum Kontaktabbruch aufbauen können, scheinen zwar eher eine Ausnahme darzustellen, können aber im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden.

In der Regel haben die Frauen bereits vor der Beziehung mit einem afrikanischen Mann einen Bekannten- und Freundeskreis aufgebaut, in dem die Mehrheit in Hinblick auf das Interesse für fremde Kulturen und die „offene“ Einstellung gegenüber Menschen anderer ethnischer Herkunft bereits vorangepaßt ist. Häufig teilen Freunde und Bekannte das Interesse für fremde Kulturen, bzw. Afrika und dessen Kultur oder stehen diesem zumindest tolerant gegenüber. Daraus läßt sich erklären, daß sich innerhalb des engeren Freundeskreises der Frau immer wieder Freundinnen fanden, die ebenfalls mit Afrikanern befreundet bzw. verheiratet waren. Damit ist die Akzeptanz des afrikanischen Freundes die Freunde der Frau zumeist bereits von vornherein gewährleistet. Ihren Ausdruck finden diese Übereinstimmungen in den Haltungen in den  Aussagen der Frauen: „Meine Freunde sind im Wesentlichen so wie ich – eher offen“ (R. weiblich 30 Jahre in einem Interview am 25.3.97). 

 

„Du Hure verschwinde mit deinem Negerschwein“

Die Reaktion von Fremden

 

Die Reaktionen der Nachbarn und zum Teil Fremden in der Öffentlichkeit – gestalten sich gegenüber denen des Freundeskreises vielfältiger und sind für die Frauen im Voraus nur schwer einschätzbar. Hier können sowohl positive als auch negative Reaktionen zum Ausdruck kommen (vgl. Thode-Arora 1999:303f).

Gerade im Bereich des öffentlichen Lebens zeigt sich, daß der afrikanische Freund der Frau eine gewisse Neugierde in seinem Umfeld hervorruft. Erstaunlicher Weise werden die Paare in kleineren Ortschaften häufig viel positiver aufgenommen als in Großstädten wie beispielsweise in Wien. „Na gut. Das war sicher das Gesprächsthema  von Laxenburg – nicht? Weil so groß ist der Ort hier nicht und so viele schwarze Leute gibt’s hier auch nicht. Also er is’ sicherlich bekannt hier, wie ein bunter Hund. Vor allem, er bringt also die Kleine jeden Tag in den Kindergarten, weil er ja zu Hause ist und holt sie dann wieder und Probleme an sich – also in Bezug auf Rassismus ham wir in dieser Gegend eigentlich überhaupt nicht gehabt. Also es war für die Leute natürlich ein tolles Thema und etwas, was sicherlich etwas außerhalb der Norm is’. Aber wir ham nie irgendwelche Probleme g’habt – daß irgendwer etwas g’sagt hätte oder so. Am Standesamt z.B. oder bei der Bezirkshauptmannschaft, wo ma ja wegen dem Visum ham hin müssen – die war’n alle sehr nett und freundlich, also wir ham da überhaupt keine Probleme g’habt. Das is’ in Wien glaub’ ich unter Umständen unan-genehmer“ (M. weiblich, 43 Jahre in einem Interview am 26.4.97). Die Neugierde ihrer Mitmenschen wird von M. mittlerweile nicht mehr als belästigend wahrgenommen. Vielmehr führt sie diese Neugierde inzwischen auf den Umstand, daß ihr Mann eben der einzige Schwarze in der Gemeinde ist und die daraus entstandene Fremdheit, zurück. Im Gegenteil, sie versuchte für diese Neugierde an dem fremden Afrikaner Verständnis aufzubringen.

Anders als in dieser Schilderung machen viele Frauen mit afrikanischen Partnern in der Regel weniger positive Erfahrungen und können für das Verhalten ihrer Mitmenschen nur wenig Verständnis aufbringen. Zum überwiegenden Teil stoßen die Frauen in der Öffentlichkeit auf –  für sie erschreckende – Vorurteile und Diskriminierungen. Häufig gaben die Frauen an, sie würden von Passanten in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf der Straße angestarrt, wenn sie gemeinsam mit ihrem Partner unterwegs waren. Während das Interesse der Mitmenschen von einigen als belästigend und erniedrigend angesehen wird: „Man kommt sich vor wie ein Stück aus dem Kuriositätenkabinett. Ja, wirklich – alle schau’n dich an, wie wenn du zwei Köpfe hättest. Und ich denk’ mir immer, anderen Paaren schaun’ die Leut auch nicht nach – nur weil er halt schwarz ist“ (K. weiblich, 29 Jahre in einem Interview am 28.3.97), stehen andere der Neugierde mit geteilten Gefühlen gegenüber: „Des wird ma’ eh gewohnt, wenn ma zoma auf da Stroßen geht, daß man angschaut wird. Und vüle schau’n ein vielleicht aun und denken si’ eh nix dabei und schau’n holt einfach nur. Vüle denken si’ wahrscheinlich wos. Und i moan, monche schau’n ein so o wie, wie des is’ eh ollgemein irgendwie des – bekonnt worscheinlich, des weiße Frauen mit Schworze gehn. […] ojso monchmoi is ma scho’ so vurkumman ma’ wird so ongschaut von Männern“ (R. weiblich, 30 Jahre in einem Interview am 25.3.97).

Im Allgemeinen sind die Frauen durch ihre Beziehung zu einem Afrikaner häufig mit schärferen, zum Teil verbal formulierten Vorurteilen konfrontiert. Dabei kommen die gröbsten Bemerkungen zumeist von Menschen, zu denen kein oder nur ein oberflächlicher Kontakt besteht. Viele meiner Interviewpartner schilderten, daß sie auf der Straße angepöbelt, mit abfälligen Bemerkungen bedacht oder beim Einkaufen schlechter behandelt wurden. B. beispielsweise erzählte in einem Interview, daß sie und ihr Mann bereits die Erfahrung machen mußten, an einer Straßenbahnhaltestelle von einem Passanten beschimpft zu werden. „Wir sind damals vom Theater nach Hause gefahren und sind da einfach nur bei der Haltestelle gestanden und haben gewartet, daß die Straßenbahn kommt – und plötzlich fängt der Mann an, uns zu beschimpfen. >>Du Scheiß Neger<< und so. Ich sag’ dir – mir war das peinlich. Mein Mann hat dann versucht, mit ihm zu reden. Aber der ist einfach nur dagestanden und hat herumgeschimpft. Ein paar von den anderen Leuten haben sich dann eingemischt und zu dem Mann gesagt, er soll sich zusammenreißen. Aber der hat daraufhin nur die Leute auch noch beschimpft. Gottseidank ist dann die Straßenbahn gekommen und er ist nicht mit uns eingestiegen. Ich glaub’, der hat noch weiter geschimpft, wie wir schon weg waren“ (B. weiblich, 32 Jahre in einem Interview am 14.3.97).

Häufig werden die rassistischen Meinungen jedoch nicht in der Öffentlichkeit geäußert und die Anschuldiger bleiben anonym. R. erzählte in einem Interview etwas verlegen von einem Vorfall, der sich zu Beginn ihrer Freundschaft mit ihrem afrikanischen Mann ereignet hatte. Sie bewohnte damals zusammen mit einer Freundin eine Wohnung in Wien, wohin ihr Freund häufig zu Besuch kam. Dort fand sie eines Tages den „netten Brief“ eines Hausbewohners im Briefkasten, in dem mit roter Schrift geschrieben war. „Du Hure, verschwinde mit deinem Negerschwein“ (R. weiblich, 30 Jahre in einem Interview am 25.3.97).

Die Beispiele zeigen, daß die Frau in vielen Fällen eine Abwertung erfährt und ihr der Platz auf einer niedrigeren Stufe des Ansehens zugewiesen wird. Im Bereich des sozialen Umfeldes entwickeln sich Konflikte demnach zum einen durch die Unkenntnis und Unerfahrenheit der Beteiligten im Umgang mit Personen aus fremden Kulturen, andererseits jedoch auch durch sexistische und rassistische Anfeindungen seitens der Gesellschaft. Der Wahrnehmungsmodus, der hier aktiviert wird, sieht das Fremde als Gegenbild des vertrauten Eigenen. Das Fremde stellt das Abartige, Artfremde, Unding oder Nicht-Eigene dar, durch dessen Unvereinbarkeit mit dem Eigenen eine Integration vermieden werden soll.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß jede Beziehung zwischen Menschen nicht losgelöst von seiner bisherigen Sozialisation und seiner kulturellen Prägung gesehen werden kann. Die Erfahrung einer interkulturellen Partnerschaft stellt einen tiefgehenden Lernprozeß dar. Sie ermöglicht es den Blick für ein Wirklichkeitsverständnis, das über die Alltagswirklichkeit einer spezifischen Kultur hinausgeht zu schärfen. Durch den Kontakt mit der anderen Kultur wird das eigene Denken in Frage gestellt und ein selbsreflexives Denken sowie die Relativierung bestehender Standpunkte ermöglicht. Dies bringt die Möglichkeit mit sich, sich dem eigenen Unbewußten anzunähern, also auch mehr über sich selbst zu erfahren.

 

Literatur:

Agbono-Puntigam, R. 1995. Warum hast du mich jetzt geküßt? Berlin..

Akpuma-Humeau, M./Baierl, S. 1996. Jungelfever – Was passieren kann, wenn Österreicherinnen Afrikaner treffen. In: Pusitz, Heinz/Reif, Elisabeth (Hg.): Interkulturelle Partnerschaften: Begegnungen der Lebensformen und Geschlechter, 92-112. Frankfurt am Main.

Berger, P./Luckmann T. 1980. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt am Main.

Dettmar, E. 1989. Rassismus, Vorurteile, Kommunikation. Afrikanisch europäische Begegnung in Hamburg. Berlin.

Englert, A. 1995. „Die Liebe kommt mit der Zeit“: Interkulturelles Zusammenleben am Beispiel deutsch-ghanaischer Ehen in der BRD. Münster.

Kienecker, S. 1993. Interethnische Ehen. Deutsche Frauen mit ausländischen Partnern. Münster/Hamburg.

Reif, E. 1996. Verstehen und Mißverstehen in interkulturellen Paarbeziehungen. In: Pusitz, Heinz/Reif, Elisabeth (Hg.): Interkultuelle Partnerschaften: Begegnungen der Lebensformen und Geschlechter, 31-46. Frankfurt/ Main.

Schäffter, O. 1991. Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Opladen.

Thode-Arora, H. 1999. Interethnische Ehen: theoretische und methodische Grundlagen ihrer Erforschung. Berlin.

 

Watzlawick, P./Beavin, J.H./Jackson, D.D. 1985. Menschliche Kommunikation. Bern.

Lebensbewältigung in Schwarz-Weiß in Wien

N.N.

  Als ich 20 Jahre alt war, lernte ich John, meinen jetzigen Mann, in einer Diskothek in Wien kennen. Er lebte damals in Salzburg und ich in Wien. Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und es entwickelte sich sehr schnell eine typische „Wochenendbeziehung“. Entweder fuhr ich zum Wochenende zu ihm nach Salzburg oder er zu mir. Während der Woche telefonierten wir täglich. 

John teilte sich die Wohnung in Salzburg mit zwei Freunden und besonders am Wochenende kamen ständig Bekannte vorbei, die wieder andere Bekannte mitbrachten. Die Wohnung war permanent in einem Belagerungszustand. Jemand kochte im Vorzimmer, das behelfsmäßig mit einen kleinen Herd ausgestattet war, andere saßen vor dem Fernseher, wo dröhnend laut afrikanische Videofilme liefen, andere saßen im Nebenzimmer, wo ebenso laut Rap-Musik dröhnte und währenddessen unterhielten sich alle doppelt so laut über etwas, wovon ich kein Wort verstehen konnte.

            Ich glaube, der einzige Grund weshalb ich damals nicht sofort aus dieser anstrengenden Umgebung geflüchtet bin, war, daß ich es interessant fand, Menschen kennenzulernen, die anders lebten, sprachen und aussahen als jene, die ich in meinem noch nicht allzu langen Leben kennengelernt hatte. Bei Österreichern hatte ich immer das Gefühl, ich würde anhand der Informationen, die ich über mich bekannt gab, sofort in gewisse Schubladen eingeordnet: Studentin, aha, scheinbar gutes Elternhaus und Umfeld usw. Ich war also eine halbwegs akzeptable Person für jene Bekanntschaften, deren Eltern als Ärzte, Geschäftsmänner oder sonstwie prestigeträchtig ihr Geld verdienten. Dieses Einordnen von Menschen in Klischees und das Beurteilen, ob der Andere seiner selbst würdig ist, hat mich schon immer sehr gestört.

            Ich fühlte mich von den afrikanischen Freunden meines Mannes nicht so nach äußeren Merkmalen beurteilt, sondern mehr anhand meiner Handlungen, was ich tat, wie ich es tat, wie ich sprach, worüber ich sprach und wann ich nicht sprach. Es war ihnen absolut egal, in welche Schule ich ging, wie mein Karriereplan für die Zukunft war und welches Auto ich fuhr. Ich war nicht mehr als eine Person, die man aufgrund ihrer Art mag oder nicht mag. Ich schloß alle Bewohner und Gäste dieser Wohnung bald ins Herz, vor allem, weil sie bei unserer Wochenendgestaltung immer dabei waren. Wir gingen Billard spielen, in den Club tanzen, auf einen Stadtspaziergang, wir aßen alle gemeinsam aus einem großen Teller und so empfand ich eigentlich bald alle als meine Freunde.

Eine „Beziehung“ im europäischen Sinne habe ich mit meinem Mann nie geführt, wenn wir uns stritten, mußte ich mit allen Anwesenden streiten und mich rechtfertigen, Händchenhalten in Gesellschaft ist striktes Tabu, Gefühle zeigen ebenso.

Nur wenn er bei mir zu Hause war konnten wir halbwegs ungestört bleiben und nur dann hatte ich das Gefühl, daß er sich mir gegenüber etwas öffnete und mir mehr von seinem Wesen zeigte. Ich hatte ihn sehr gerne, ich empfand ihn als einen herzensguten, weichen Menschen, der durch seine extrem harte Kindheit in Nigeria (er mußte als siebenjähriger Halbwaise auf der Strasse Plastiksackerln verkaufen) und dem schweren Existenzkampf den er, seit er seine Heimat mit 17 Jahren verlassen hat, nun alleine weiterführen mußte, zu einem Menschen mit einem unwahrscheinlich starken Willen wurde. 

            Meine Familie war natürlich äußerst neugierig auf den Mann, mit dem ich nun schon seit einigen Monaten zusammen war und wollte meinen neuen Freund unbedingt kennenlernen. Sie wußten, daß er ein Afrikaner war und es schien kein großes Drama für sie zu sein.

Das erste Zusammentreffen mit John und meiner Familie war jedoch eine Katastrophe: Wir saßen um den gemeinsamen sonntäglichem Mittagstisch, John im Mittelpunkt des Interesses. Meine Großmutter hatte aufgekocht, typisch österreichische Speisen, die John scheinbar noch nie zuvor gesehen oder gekostet hatte. Er fischte aus der Suppe einige für ihn eßbare Bestandteile heraus, verweigerte nach einmaligem Kosten den Salat und das Saftfleisch. Der trockene Reis war das Einzige, was er hinunterzuwürgen vermochte. Meiner Großmutter stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Mein Bruder, damals 18, konnte seine Erheiterung nicht verbergen, als es offensichtlich wurde, daß in Afrika die bei uns so gehuldigten Tischgebote „Gerade sitzen als hätte man einen Besen verschluckt, Ellbogen so fest anlegen, daß man Telefonbücher dazwischen klemmen könnten, Löffel zum Mund nicht Mund zum Löffel, Ellbogen nicht auf den Tisch, keine ausladenden Gesten mit der Gabel und einem daraufgespießten Stück Fleisch, erst schlucken und dann sprechen,…“ keine allzu grosse Bedeutung zu haben scheinen. Mein Stiefvater verdrehte die Augen vor Entsetzen. Ich war bloß enttäuscht, da ich natürlich sofort wußte, daß meine Familie sich ihre vernichtende Meinung bereits gebildet hatte, ohne sich die Mühe zu machen, John als Mensch besser kennen zu lernen.

Nach dem Essen ging es erst richtig los: Mein Stiefvater fragte John, ob er Mozart kennt, nein? Vielleicht Beethoven? Picasso? Shakespeare? und kam dann endlich zum Schluß, daß die Afrikaner offensichtlich ein kulturloses Volk seien. Ich wollte John unterstützen und wies darauf hin, daß Nigeria seine eigene interessante Kultur habe. Man muß nur an die verschiedenen Mythen, die Riten und nicht zuletzt die wunderschönen Lieder denken. Daraufhin bat meine Mutter John, doch ein Liedchen aus der Heimat zu singen. John traute sich nicht abzulehnen, stimmte eine Melodie an und hatte bald Tränen in den Augen. Er unterbrach sich und sagte mit nach unten gekehrten Blick: „Sorry, if I sing this, I always have to remember home.“ Daraufhin hatte meine Mutter Tränen in den Augen.   

            Dieses Ereignis war sicherlich einer der Gründe, weshalb ich eine Verhaltensweise entwickelte, die jeder Beziehung den Todesstoß gibt: Ich begann ihn zu bemuttern, indem ich ihm wie einem kleinen Kind alles erklärte: „Schau’ John, in Österreich ist das so, das ist nicht böse gemeint, das mußt du verstehen, daß mußt du auch so machen, so wie du denkst ist es falsch,…“ Grundaussage meiner ehrlich gutgemeinten Ratschläge war: „DU MUSST DICH ANPASSEN, SONST ECKST DU ÜBERALL AN, SONST KANNST DU HIER NICHT ÜBERLEBEN.“ Das war schrecklich frustrierend, aber die Realität sieht nun mal so aus, daß man von Herrn und Frau Österreicher keine Toleranz, Verständnis oder Geduld mit Fremden erwarten darf. Wenn ein Afrikaner in ein österreichisches Geschäft geht und „Hallo“ statt „Grüß Gott“ sagt, sind die meisten mit ihrer Toleranz am Ende.

            So hielt unsere Beziehung nun schon acht Monate: Er in Salzburg, ich in Wien, selten sehen, kurz telefonieren. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, an dem er mir das erste Mal von seinen realen Problemen erzählte: Die Fremdenpolizei hat ihm einen Brief geschrieben, in dem steht, daß er sein Visum nicht mehr verlängert bekommt. Begründet wurde dies damit, daß er zu wenig Geld verdient, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Er hat schon einen Anwalt eingeschaltet, der diesen Beschluß beeinsprucht. Die Sache ist schon beim Verwaltungsgerichtshof in Wien, der noch einmal über John’s Schicksal entscheiden wird. Ich versuchte John zu beruhigen, indem ich sagte, daß der Anwalt ihm schon helfen und der Verwaltungsgerichtshof den Beschluß der Fremdenpolizei sicherlich aufheben würde. Er sagte: „My lawyer said, the only thing that can help me, is if I would get married. He asked me if I have a girlfriend.“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte. John sagte: „If it is nesessary, would you marry me? You know that I love you. I would like to marry you anyway, it doesn´t make any difference if we marry now or later. I know already that I want to stay with you.“  Ich war absolut überrumpelt und sagte nur, daß ich mich gedanklich mit dem Thema „Ehe“ noch nie befasst hatte und daß ich nur eines wüßte: Ich wollte mein Studium beenden, bevor ich begänne, über Heirat nachzudenken.

            Zum Glück hatte ich über John eine Freundin kennengelernt, die Jus studierte und bei Helping Hands arbeitete. Sie hatte auch einen nigerianischen Freund. Sie bot mir an, sich einmal ein Bild über Johns Situation zu machen und ihm hinterher bei seinen aufenthaltsrechtlichen Problemen zu helfen. Nachdem sie sich auf den aktuellen Stand gebracht hatte, sagte sie mir, daß ich John tatsächlich durch eine Heirat helfen könnte. Sie würde es mir aber in der jetzigen Situation nicht raten, denn wenn der VWGH dem Ausweisungsbescheid der Fremdenpolizei stattgibt, würde er trotzdem abgeschoben werden und ich wäre dann verheiratet, aber ohne Mann in Österreich. Sie riet mir, den Entschluß des VWGH abzuwarten und erst wenn John die „aufschiebende Wirkung“ vom VWGH bekommen sollte, könnte ich ihm wirklich helfen. Dann müßte der VWGH noch einmal neu über die geänderte Lebenssituation entscheiden. Eine Ehe ist auf alle Fälle ein Grund gegen eine Abschiebung, da das Familienleben rechtlich unter besonderen Schutz gestellt ist.

Also beschloß ich, die Entscheidung des VWGH abzuwarten, immer mit der Angst, daß John bei negativem Bescheid innerhalb von zwei Wochen das Land verlassen müßte. So verging ein weiteres halbes Jahr, welches wir hauptsächlich mit bangem Warten und Hoffen verbrachten. Wir malten uns alle Szenarien aus: Wenn er gehen müßte, würde ich dann mitkommen? Wenn der Bescheid positiv wäre, würde ich ihn dann heiraten?

Ich war nicht in der Lage, eine Entscheidung zu fällen. Tag und Nacht rotierten die Gedanken in meinem Kopf und trotzdem fand ich keine Lösung. Ich wußte nur eines sicher, daß mir John sehr viel bedeutet und daß ich unsagbar wütend darüber war, daß es durch bestimmte Gesetze möglich war, in mein Privatleben und meine ganz persönlichen Lebensentscheidungen einzugreifen. Ich wollte mir von diesem Staat keinesfalls vorschreiben lassen, unter welchen Umständen ich eine Beziehung zu beenden oder weiterzuführen hätte. 

Ich suchte Rat bei meinen engsten Freunden, die John recht gut kannten und hoffte, daß sie mir sagen würden, wie ich mich entscheiden sollte. Meine Probleme wurden monatelang zum Gesprächsthema Nummer 1 in unserem Freundeskreis. Im Nachhinein muß ich allen danken für die unendliche Geduld, die sie damals für mich aufbrachten, um mir zuzuhören und Mut zuzusprechen. Die Grundaussage aller Ratschläge war letztendlich: „Wenn du ihn liebst, ihn nicht verlieren möchtest, ihm helfen willst, dann mußt du John heiraten.“

Eigentlich war mir schon damals klar, daß es keine andere Möglichkeit gab, als John zu heiraten, wenn ich nicht zulassen wollte, daß er seine Koffer packen und für immer aus meinem Leben verschwinden sollte.

            Ich verdrängte das Problem, beschloß mich erst zu entscheiden, wenn sich auch der VWGH entschieden hätte und konzentrierte mich voll und ganz auf mein Studium, bei dem ich in dieser Zeit auch recht erfolgreich war und einige Prüfungen hinter mich bringen konnte.

Gegenüber meiner Familie habe ich sehr lange gezögert, um sie von Johns und meinen Problemen in Kenntnis zu setzen. Ich wußte nicht, wie ich ihnen als zwanzigjährige Tochter, die noch immer zu Hause lebt, erklären sollte, daß ich mit dem Gedanken spiele zu heiraten, und zwar einen Mann, den ich nur durch einige gemeinsam verbrachte Wochenenden kenne, der keine Erlaubnis hat, einer legalen Arbeit nachzugehen, somit kein Geld hat und womöglich auch noch bald das Land verlassen müßte.

Als ich ihnen von meinen Plänen berichtete, versetzte ich meine Familie in einen Schockzustand. Tagelang sprachen sie mit mir gar nicht über das Thema, wahrscheinlich weil sie hofften, daß ich es mir doch noch anders überlegen würde. Als ich dann ein zweites Mal anfing, mit meiner Mutter darüber zu sprechen, sagte sie nur: „Wenn du den dahergelaufenen Flüchtling heiratest, mußt du ausziehen.“

Ich kann mich nicht mehr genau an alle damaligen Auseinandersetzungen mit meiner Familie und besonders meiner Mutter erinnern, aber ich weiß, daß ich von allen sehr enttäuscht war. Während meine Freunde noch versuchten, meine Gefühle nachzuvollziehen und mir rieten, auf mein Herz zu hören, war das größte Problem für meine Familie der Prestigeverlust, den ihre Tochter und somit die gesamte Familie zu erleiden hätte, wenn ich einen Ausländer, noch dazu einen „Neger“ (wie sich alle gewählt ausdrückten) heiraten würde.

Meine Mutter ging in der Firma und in ihrem Bekanntenkreis mit „ihren“ Problemen hausieren und offenbarte mir, daß sie von allen bemitleidet wird, weil sie so eine schreckliche Tochter hat, die ihrer Mutter böswillig das Herz bricht. Außerdem versuchte sie meine Freundinnen gegen mich zu mobilisieren, damit mir diese John und die Hochzeit ausreden.

Am Schlimmsten war es für mich, als ich durch Zufall herausfand, daß meine Mutter und mein Stiefvater hinter meinem Rücken versuchten, Nachfor­schungen bei der Polizei über John anzustellen, ob er vorbestraft war. Ich bekam einen Wutausbruch und brüllte alle an, ob sie schon total geistesgestört seien. Darauf erwiderte meine Mutter: „Wir haben in letzter Zeit eher den Eindruck, daß DU geistesgestört bist und nicht mehr so genau weißt, was du tust, daher müssen wir auf dich aufpassen. Und wenn wir versuchen, etwas über John herauszufinden, ist es nur zu deinem Besten. Wir wollen verhüten, daß du dich ins Unglück stürzt.“ Ich brüllte weiter, daß sie alle ganz genau wüßten, das ich von John eine Vollmacht hatte, um in alle seine Akten Einsicht zu nehmen: Weil er einerseits nichts vor mir verbergen wollte und ich ihm andererseits bei seinen Aufenthaltsangelegenheiten helfen wollte. Wenn ich wüßte, daß er ein in 17 Ländern gesuchter Schwerverbrecher wäre, hätte ich wohl kaum den Wunsch, ihm zu helfen.

Meine Mutter lächelte mich nur an, besser gesagt, sie lachte mich und meinen Wutausbruch aus und ließ mich stehen. Seit diesem Zeitpunkt bekam ich, wenn ich wütend war,  regelmäßig einen eitrigen Hals, den ich mit Antibiotika behandeln mußte. 

Und noch etwas entwickelte sich im mir, eine unerschütterliche Protesthaltung: Was, ihr Familie wollt nicht, daß ich heirate? Wie bitte? Du blöder Staat glaubst, ich lass´ mir was vorschreiben? Und du John denkst auch, ich bin zu feige, um mich gegen alle Besserwisser zu entscheiden? Ihr werdet schon sehen!!!!

 Als ich John von den großen Schwierigkeiten erzählte, die ich mit meiner Familie hatte, entstanden auch in unserer Beziehung Probleme. Ich wurde zum Prellbock zwischen meiner Familie und John, der sich nun verständlicherweise zu verteidigen versuchte, indem er einerseits sagte, meine Mutter sei schlecht und rassistisch und andererseits, daß ich die Hochzeit vergessen sollte. Er würde schon eine andere Lösung finden. Wir waren sogar schon so weit, daß ich ihm vorschlug, eine Frau zu suchen, die ihn heiratet. Ich würde ihm auch Geld geben, welches er einer möglichen „Kandidatin“ für die Ehe zahlen könnte. Ich würde trotzdem auch weiterhin mit ihm zusammenbleiben, wenn er das wollte. John meinte, daß er dies auf keinen Fall machen würde. Er würde entweder mich, die Frau, die er liebt, heiraten oder gar keine. Auch wenn das mit Sicherheit bedeuten würde, daß er Österreich verlassen würde.

 Monatelang fand ich keine Ruhe. Ich sah keine andere Lösung, als John zu heiraten, um ihn nicht zu verlieren. Ich wollte aber auch meine Familie nicht verlieren. Meine Nerven waren angespannt. Ich war dauernd im Streß, konnte nichts mehr essen. Meine wiederkehrenden Magenschmerzen diagnostizierte ein Arzt als Gastritis und ein Zwölffingerdarmgeschwür. Ich mußte mich in später Nacht ins Krankenhaus einliefern lassen, da ich wochenlang andauernde Kopfschmerzen hatte, und dachte, ich würde nun endgültig verrückt werden.

Im Nachhinein weiß ich, daß ich all diese psychosomatischen Beschwerden nicht gehabt hätte, wenn ich nicht gegen meine Familie kämpfen hätte müssen. Wenn sie mich unterstützt hätte, mir vertraut hätte und nicht zu meinem Feind geworden wäre, wäre vieles für mich einfacher gewesen. Ich war der Situation alleine nicht gewachsen.

 Kurz nach meinem 21. Geburtstag kam endlich die lang erwartete und gleichzeitig gefürchtete Entscheidung des VWGH: AUFSCHIEBENDE WIRKUNG!!! Gewonnen!!! Meine Freundin von Helping Hands kommentierte den Brief des VWGH mit folgenden Worten: „Sissi, jetzt mußt du dich entscheiden. Jetzt kannst du ihm helfen.“ Ich war unendlich erleichtert. Endlich war es für mich möglich, eine Entscheidung zu fällen, die mir ohnehin schon lange klar war: Ich würde John so schnell wie möglich heiraten. Ich würde die Heiratsurkunde nehmen und sie dem Chef der Fremdenpolizei auf den Tisch knallen, einen neuen Visumsantrag stellen. Dieser würde bewilligt werden, John würde einen Job finden und wir könnten zusammenziehen. Ich könnte in Ruhe weiterstudieren und alles würde endlich gut werden. Ich müßte nur so schnell wie möglich die Sache mit dem Standesamt hinter mich bringen.

 Binnen eines Monats hatten wir alle erforderlichen Dokumente zusammengetragen und bekamen einen Hochzeitstermin auf einem kleinen Standesamt in der Nähe von Salzburg. Ich erwartete, daß John nun überglücklich darüber wäre, daß ich mich endlich zur Heirat entschieden hatte. Statt dessen sagte er immer wieder zu mir, daß ich ihn nicht heiraten müßte, wenn ich nicht wirklich wollte. Vielleicht sollte ich doch lieber auf meine Familie hören, er würde auch ohne Heiratsurkunde früher oder später seine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Ich wußte jedoch, daß dem nicht so war. Ohne Eheschließung müßte er gehen und ich glaube, er wußte es ebensogut wie ich. Vielleicht wollte er es mir gegenüber nicht zugeben, um sich keine Abhängkeit von mir eingestehen zu müssen.

Wenn ich mich im Nachhinein an diese schreckliche Zeit vor und auch nach unserer Hochzeit erinnere, wird mir erst klar, in welch schwieriger Situation John sich befand: Er kannte mich ebenso gut oder schlecht, wie ich ihn kannte. Er wußte aber auch, daß ihm keine Zeit zum Überlegen blieb, ob wir gut zusammenpassen und ob unsere Beziehung überhaupt jemals eine dauerhafte Zukunft haben würde. Andererseits wollte er in Österreich bleiben und das einzig wirkungsvolle Mittel gegen die drohende Abschiebung war, sich an mich zu binden. Er hat dabei viel von seinem Stolz und seinem erwarteten Verhalten als Mann aufgegeben. Er wußte, daß er in der schwächeren Position und von meiner Entscheidung abhängig war. Das machte ihn unzufrieden und wütend, und ich war diejenige, an der er seinen Frust ausließ. 

Anstatt kurz vor der Hochzeit gemeinsam im siebten Himmel zu schweben, distanzierte er sich mir gegenüber und verschloß sich immer mehr, je näher der Hochzeitstermin rückte. Als ich ihn wiederholt fragte, ob er es sich nun doch anders überlegt hätte und nun doch nicht heiraten wollte, verneinte er jedesmal. 

  Als ich meine Mutter über die geplante Hochzeit informierte, brach sie in einen Weinkrampf Von „Wie schrecklich!“ bis „Wie kannst du mir so etwas antun?“ schluchzte sie mir ihr gesamtes Repertoire, welches ich nach all den vorhergegangenen Streits bereits nur zu gut kannte, vor. Trotzdem nahm sie die Einladung zur Hochzeit an und sagte ihr Kommen zu.

Mein Stiefvater sagte kaum etwas, lehnte die Einladung dankend ab, was mich doch sehr traf, und verließ kurz nach der Hochzeit meine Mutter. Meine Mutter gab mir als Grund für die Trennung an, daß er meine Eheschließung nicht verkraften konnte. Scheinbar konnte er meiner Mutter nicht verzeihen, daß sie mich nicht von der Hochzeit abbringen konnte, aber ich glaube, daß noch weitere mir unbekannte Gründe zur Trennung der beiden führten.  

Mein jüngerer Bruder sagte zu mir: „Du warst für mich immer ein Vorbild für Vernunft, aber nun muß ich meine Meinung wohl ändern.“

 Am Abend vor der Hochzeit fuhr ich mit dem Zug nach Salzburg zu John, um am nächsten Morgen zu heiraten. Diesen Abend verbrachte ich alleine in der Wohnung von John, wo ich von Nervosität und hundert Zweifel überwältigt, die ganze Nacht keinen Schlaf fand, während mein zukünftiger Mann mit seinen Freunden die Nacht in der Diskothek durchfeierte, mit dem Resultat, daß ihm am nächsten Morgen und den gesamten Tag speiübel war.

Als ich am Hochzeitsmorgen aufwachte, waren alle meine Handlungen wie ferngesteuert. Ich ging zum Friseur, um mich in Hochzeitstimmung zu bringen. Nachdem ich mir für die Hochzeit nicht einmal ein neues Kleid gekauft hatte, wollte ich wenigstens, daß meine Frisur neu aussieht. Als mich die Friseurin fragte, für welchen Anlaß ich denn eine Frisur bräuchte, sagte ich: „Eine Freundin von mir heiratet heute.“ So paranoid war ich bereits, was meine Ehe betrifft, noch bevor ich überhaupt verheiratet war. Ich hatte Angst, schon wieder in eine Situation zu geraten, in der ich mich rechtfertigen müßte und ohnehin nur auf Unverständnis stoßen würde.

Als ich in die Wohnung zurückkam, waren bereits alle meine Wiener Freunde eingetroffen. Ich war froh, sie zu sehen, denn für mich waren sie meine einzige „moralische Unterstützung“. Von John hatte ich an diesem Tag noch keinen einzigen freundlichen Blick, geschweige denn ein freundliches Wort erhalten. Als meine Trauzeugin Maria meinen Mann fragte, wie ihm denn, nachdem ich mich schon hochzeitsmäßig herausgeputzt hatte, seine zukünftige Frau gefalle, meinte er gleichgültig: „Good, of course, but too much makeup.“

Auf der Fahrt zum Standesamt malte ich mir die Aufregung und Verwirrung unter allen Anwesenden aus, wenn ich auf die Frage „Willst du, Elisabeth Berger, diesen Mann, bla, bla, bla….“ mit „NEIN“ antworten würde. Aber damals hatte ich mir meinen Leitsatz „Die Suppe die man sich eingebrockt hat, muß man auch auslöffeln“ schon zu sehr verinnerlicht. Also blieb’s beim „Ja“, einer Unterschrift und einem Ring am Finger. Meine Mutter trug während der gesamten Zeremonie eine schwarze Sonnenbrille, um ihre verweinten Augen zu verbergen, mein Bruder war kreideweiß und sprachlos.

Es waren viele Freunde von John gekommen, die ich nie zuvor gesehen hatte und die kein einziges Wort mit mir sprachen. Ich fühlte mich von diesen vielen unbekannten Menschen gestört und hatte das Gefühl, daß sie alle nur gekommen waren, um sich kostenlos vollzustopfen. Während alle aßen und tranken, brachte ich keinen Bissen hinunter. Ich saß am Kopfende der „Tafel“ im Garten eines Chinalokals, das meine Mutter mit den Worten „Ich komm’ mir vor wie auf einem Picknick.“ kommentierte, und fühlte mich einsam und verwirrt.

Ich habe diesen Tag meiner Hochzeit versucht zu verdrängen, da er für mich keine schöne Erinnerung darstellt. Ich war nur traurig, denn so hatte ich mir den vielgepriesenen „schönsten Tag im Leben“ nicht in meinen schlimmsten Alpträumen vorgestellt. Trotzdem versuchte ich fröhlich zu wirken, einerseits um meiner Familie zu zeigen, daß ich glücklich mit meiner Entscheidung war, andererseits weil ich es meinen Freundinnen schuldete, die sich mit der Vorbereitung meiner Hochzeit große Mühe gegeben hatten. Ich war ihnen unendlich dankbar und wollte sie nicht enttäuschen.

John verhielt sich mir gegenüber während der gesamten Feierlichkeiten distanziert. Er feierte ausgiebigst mit seinen Freunden und gab sich keine Mühe, auch nur ein Wort mit meinen Freundinnen oder meiner Mutter zu sprechen. So endete unsere Hochzeitsfeier damit, daß wir uns am nächsten Tag als „frischgebackenes Brautpaar“ wieder trennten. Er fuhr in seine Wohnung nach Salzburg und ich kehrte ins Elternhaus zurück. Meine Mutter hatte es schlußendlich doch nicht über’s Herz gebracht, ihre Drohung wahrzumachen, daß ich ausziehen müßte, wenn ich John heiraten würde.

Als ich nach Hause kam war alles wie immer, mit der Ausnahme, daß mein Zimmer mit Blumensträußen meiner Bekannten überfüllt war. John rief mich am Abend an und sagte: „Hi, how are you?“, wie immer, und ich sagte „Fine“, wie immer. 

 Nach unserer Eheschließung lebten wir unser Leben weiter wie zuvor. John blieb in Salzburg und ich lebte weiterhin mit meiner Mutter in unserem Haus. Ich dachte, wir würden uns nach der Hochzeit etwas häufiger sehen und früher oder später zusammenziehen, aber dem war nicht so. Wir sahen uns hauptsächlich dann, wenn ich ihn zur Fremdenpolizei, zum Anwalt oder zu sonstigen unerfreulichen Terminen begleiten „wollte“. John wollte mir nie das Gefühl geben, daß ich für ihn etwas tun müßte. Alles was ich für ihn tat, war freiwillig.  

Nach unserer Eheschließung hatte ich die Nase voll. Ich kam mir ausgenützt vor. Ich dachte, meine Familie hatte doch recht mit ihrer Meinung, daß John mich bloß heiraten wollte, um sein Visum zu bekommen, daß er mich gar nicht liebte und gar nie vorhatte, ein zumindest „eheähnliches“ Leben mit mir zu führen. Ich fühlte mich wie auf dem Abstellgleis alleingelassen mit allen Nachteilen, die die Eheschließung für mich brachte. Mein Vater mußte mir, da ich noch studierte, monatlich Alimente zahlen, was er nach meiner Heirat natürlich sofort einstellte, da er genau wußte, daß ab nun mein Ehemann für mich unterhaltspflichtig war. Deshalb war mein Vater auch der Einzige in meiner Familie, der sich aufrichtig über meine Ehe freute. Ich wußte jedoch auch, daß John selbst keinen Groschen besaß. Zu meinem monatlich größer werdenden finanziellen Problem meinte John nur: „Why don’t you get a part time job?“ Das tat ich dann schlußendlich auch.  

Resultat meiner Hochzeit war: Ich hatte einen Mann, den ich kaum sah, eine Familie, mit der ich zerstritten war, kein Geld, überspannte Nerven und eine ruinierte Gesundheit.

Ein halbes Jahr nach der Hochzeit beschloß ich, mich von John zu trennen. Da er nicht bereit war, auch nur einen Millimeter von seinem Weg abzuweichen, um sich ein wenig meiner Probleme oder Wünsche anzunehmen, sah ich auch keinen Grund mehr, auf ihn Rücksicht zu nehmen. Ich teilte ihm telefonisch mit, daß ich mich scheiden lassen wollte und er sich einen anderen Vollidioten suchen müßte, der sich so ignorieren lassen würde. Mir reichte es jedenfalls. Ich änderte unsere Telefonnummer in eine Geheimnummer und schickte seine Briefe „return to sender“ zurück. Ich reichte die Scheidung ein, John beeinspruchte vor Gericht, er wollte keine Scheidung. 

Nahezu ein Jahr dauerte dieser Zustand. Wir sahen uns nicht und waren immer noch verheiratet. Ich wußte, daß mir John immer noch sehr viel bedeutete, deshalb war ich auch so verletzt, daß dieses Gefühl scheinbar nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

Meine Mutter blühte auf, als sie hörte, daß ich mich von John getrennt hatte und mich scheiden lassen wollte. Endlich fanden wir wieder eine Gesprächsbasis, wobei meine Mutter das Thema „John“ vorsichtigerweise  umging.

Einen Tag vor einem entscheidenden Gerichtstermin bekam ich ein Paket von John zugesandt. Diesmal war ich zu neugierig und öffnete es. Darin fand ich einige CDs, eine Postkarte, die er beschrieben hatte, daß er mich immer noch sehr liebte, aber daß von Anfang an zu viele Schwierigkeiten zwischen uns gestanden waren. Außerdem befand sich eine Kassette im Paket, die ich sofort in meine Stereoanlage einlegte. John hatte diese Kassette selbst besprochen und mit Musik untermalt und sagte mir, daß er sich für alles entschuldigen möchte, daß er viele Fehler gemacht hatte, mich sehr vermissen würde, er unbedingt mit mir sprechen wolle und ich ihn doch zurückrufen solle. Ich war so gerührt, als ich seine Worte hörte, weil ich wußte, daß er mir noch nicht gleichgültig war. Also rief ich ihn in Salzburg an. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, seine Stimme nach fast einem Jahr wiederzuhören. Er freute sich sehr, daß ich anrief und nachdem wir sehr lange in aller Ruhe über unsere schiefgelaufene Ehe gesprochen hatten, beschlossen wir, uns einige Tage später in Wien zu treffen.

Am nächsten Tag ging ich zu Gericht und nahm die Scheidung zurück. Als ich mich nun endlich wieder mit John traf, hatte ich eine lange Liste von Vorwürfen geschrieben, die ich ihm Punkt für Punkt vorlegte und er versuchte jeden einzelnen Vorwurf zu entkräften und mir sein Handeln verständlich zu machen.

Sein Hauptproblem war, daß er wußte, daß er von meiner Familie abgelehnt wurde und die Belastung nicht verkraftete, zwischen mir und meiner Familie zu stehen. Er dachte, daß ich ihn früher oder später dafür verantwortlich machen würde. Daher zog er sich von mir zurück, um mir die Möglichkeit zu geben, mich frei zu entscheiden. Ich konnte ihn nicht verstehen, da ich mir eher erwartet hätte, daß er mir als mein Mann beisteht und mich nicht mit meinen Sorgen allein läßt. Ich denke, daß ein Grundproblem unserer Krise unser Alter und unsere Unreife war. Weder er noch ich wußten, was eine Ehe wirklich bedeutet und keiner von uns beiden hätte damals geheiratet, wären wir nicht mit seiner drohenden Abschiebung konfrontiert gewesen. 

Ab diesem Treffen ging unsere Beziehung weiter, als hätte es nie eine Trennung gegeben, nur mit dem Unterschied, daß ich meiner Mutter verheimlichte, daß ich wieder mit John zusammen war. So konnten wir einander absolut ohne Störung endlich richtig kennenlernen, etwas was vorher nie möglich gewesen war, da immer andere Probleme im Weg standen. Nicht einmal bei der Hochzeit hatte ich über meine Gefühle für John nachgedacht, sondern nur über die Probleme, die ich mit der Hochzeit zu lösen hoffte. 

Einige Monate später gab John endlich meinem Drängen nach und entschied sich, nach Wien zu ziehen. Schließlich war es doch an der Zeit, meine Mutter wieder einmal über John und mich in Kenntnis zu setzen. Ich sagte ihr: „John und ich treffen uns seit einiger Zeit wieder. Es wird keine Scheidung geben. Find’ dich damit ab oder nicht. Wenn du ein Problem damit hast, wirst du mich verlieren. Ich diskutiere jedenfalls nicht noch einmal über dieses Thema.“ Meine Mutter war sprachlos und schicksalsergeben. Sie seufzte nur: „Ach, die Liebe.“ Damit war das Thema für immer und ewig beendet. 

Ich zwang John förmlich dazu, bei Familienanlässen dabeizusein und meine Familie zwang ich, zu ihm freundlich zu sein. Die Atmosphäre war weniger angespannt als vor der Hochzeit, beide Seiten gaben sich Mühe miteinander und fanden sich mit den Tatsachen ab.

            Heute, fast fünf Jahre nach der Hochzeit, ist das Verhältnis zwischen meinem Mann und meiner Familie herzlich und familiär geworden. Meine Mutter entwickelte sich zur absoluten Anti-Rassistin und hat nun selbst einen dunkelhäutigen Lebenspartner. Unlängst sagte John zu mir, als ich mich von ihm verabschiedete, um nach Hause zu gehen: „Say hi to your family, tell them I love all of them.“ Vor ein paar Jahren hätte ich diese Situation in die Kategorie „Wunschträume“ eingeordnet und ich muß mir schon selbst auf die Schulter klopfen, daß ich schier Unmögliches wahr gemacht habe.

            Aber der Teufel schläft nicht und kaum waren die Probleme mit meiner Familie halbwegs von Tisch, begannen andere Schwierigkeiten. Die Fremdenpolizei weigerte sich mehr als zwei Jahre lang, obwohl John verheiratet war, ihm eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Ich hatte ständig das Gefühl, von den Beamten für blöd gehalten zu werden. Erst als ich einen Anwalt einschaltete, der 24.000,- S (ca. 1800 €) kassierte, ließ sich der zuständige Beamte der Fremdenpolizei herab, John ein sechsmonatiges Visum auszustellen.

 Als John nun endlich sein Visum hatte, begann die Jobsuche: Vom Arbeitsamt erhielt er Adressen für’s Tellerwaschen, Reinigen, Preßlufthammern und andere Schrecklichkeiten. Ich bewunderte John in dieser Situation, denn ihm war kein Job zu schmutzig, um ihn anzunehmen. Seine einzige Bedingung war, daß es ein „Indoor Job“ sein mußte, bei dem er unter keinen Umständen von seinen Bekannten gesehen werden konnte, wie etwa beim Fensterputzen in der Kärntnerstrasse. Innerlich schämte er sich für seine minderwertigen Jobs, die er zum Überleben benötigte. Doch selbst solche Tätigkeiten waren für ihn schwer zu bekommen, denn sobald er bei den Firmen zum Vorstellungsgespräch erschien, hieß es häufig: „Jessas, a Neger, na tut ma leid, da Chef is net do!“; angeordnet vom Chef persönlich, der sich verleugnen ließ! Einige Monate arbeitete er in einer Pizzeria in der Küche, die er laut Anweisung des Chefs nicht verlassen durfte, da die Gäste  nicht sehen sollten, daß ein Schwarzer in der Küche arbeitete. Eventuell wäre ihnen dadurch der Appetit vergangen. 

Und so verbrachte er sechs Monate mit Schwerstarbeit. Manchmal mußte er sieben Tage in der Woche arbeiten und bekam eventuell einen Vormittag frei. Er wurde von den Arbeitgebern ausgenützt, beispielsweise wurde er wochenlang nicht bei der Versicherung  angemeldet, obwohl ihm gesagt wurde, daß er bereits gemeldet sei. Erst als er einen Krankenschein benötigte, erfuhr er, daß er nicht versichert war. Vom Chef wurde ihm damals nur gesagt: „Wennst krank bist, kannst eh’ gleich z’haus bleib’n. Dann brauch’ ma di eh’ net.“

Nach Ablauf seines sechsmonatigen Visums war es ihm neuerlich unmöglich, eine Arbeit zu finden, obwohl er eigentlich laut Gesetz arbeiten durfte, da er rechtzeitig den Antrag auf Verlängerung gestellt hatte. Aber trotzdem wagte keine Firma, ihn ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung anzumelden. So schlug er sich wieder einmal mit „black jobs“ auf Baustellen und in Küchen durch. Er war nach einiger Zeit körperlich total ausgebrannt und ich ersuchte ihn mehrmals, sich selbst zuliebe diese schrecklichen Jobs aufzugeben, mit denen er sich komplett ruinierte. In einem Gespräch brachte ich ihn auf die Idee, es doch als DJ zu versuchen, da er Musik liebte. Er war sofort von diesem Gedanken besessen und schaffte es innerhalb weniger Wochen, eine Truppe von Freunden auf die Beine zu stellen, die gemeinsam Tanz-Choreographien einstudierten und mit Freestyle-Rap und DJ kombinierten. Er investierte seine gesamte Zeit in diese Idee und tatsächlich konnte er sich in dieser Sparte einigermaßen etablieren. Es erfüllte ihn mit großem Stolz, daß er auch Shows im Ausland absolvierte und zur Millenniums-Silvesterfeier sogar einen Auftritt in Prag hatte. Ich wiederum war froh, daß er etwas gefunden hatte, was sein Selbstbewußtsein stärkte und ihn zufriedenstellte. Auch wenn es für mich bedeutete, daß ich zur Millenniumsfeier alleine unter vielen glücklichen Pärchen herumhing. Ich hatte inzwischen auch erfahren, daß ich scheinbar geistig vollkommen umnachtet gewesen war. Ich hatte naiv angenommen,  daß mein Mann eines Tages einen „nine to five“ Job haben würde, mit dem er genug Geld verdienen würde, der ihn glücklich macht und der ihm auch genug Zeit lassen würde, um eine Beziehung zu führen.

 Nach fast zehnjährigem Kampf mit der Fremdenpolizei erhielt John endlich sein unbefristetes Visum. Trotzdem gibt es noch genug Probleme zu bewältigen und ich frage mich, ob dieses Leben jemals problemlos sein wird. 

Hauptproblem: Die rassistischen Übergriffe der Polizei. Bis jetzt verging kein Jahr, in dem John nicht mindestens einmal angezeigt wurde und vor Gericht mußte. Die Vorwürfe: Diebstahl, Körperverletzung, gefährliche Drohung, Urkundenfälschung …

Zweimal wurde er bisher verurteilt. Einmal stand seine Aussage gegen die eines Beamten, ein anderes Mal jubelte ihm die Polizei ein Geständnis unter. In allen anderen Fällen konnte er entweder seine Unschuld (etwa aufgrund einer Überwachungskamera) beweisen, oder die Verfahren wurden eingestellt. In den Akten der Polizei sieht mein Mann aus wie ein Schwerverbrecher. Zum Glück kenne ich auch jeden einzelnen Akt und konnte mir mein eigenes Urteil darüber fällen, wer die tatsächlichen Verbrecher sind. Für einen unbedarften Staatsbürger ist es unvorstellbar, mit welchen Methoden die Polizei sich Zutritt in eine Wohnung verschafft. Es ist unvorstellbar, wie einfach ein Waffenverbot verhängt werden kann, weil sich Eßbesteck in der Abwäsche befindet. Es ist  ungeheuerlich, daß jemand wegen „Unsittlicher Entblößung in der Öffentlichkeit“ angezeigt wird, weil er im Wald in einen Busch pinkelte. Die bisherigen Anwaltskosten liegen bei etwa ATS 150.000.- (ca. 11000 €) und ich weiß, daß es so weitergehen wird. Wenn man einmal in der Polizeikartei erfaßt ist, darf man als Sündenbock für alle anonymen Anzeigen hinhalten. 

In der Zeit, in der mein Mann kein Visum hatte, war es keine Seltenheit, daß er bis spät nachts auf einem Polizeirevier festgehalten wurde. Dies geschah zur Überprüfung seiner Daten, jedoch vorrangig zwecks Provokation, um ihm Widerstand gegen die Staatsgewalt vorwerfen zu können. Doch seit sein Bruder aufgrund dieses Vergehens sechs Monate in U-Haft in Österreich saß, ist er fast stoisch, wenn es um Konfrontationen mit der Polizei geht. Wenn ich von meinem Mann länger als einen Vormittag nichts höre und ihn am Handy nicht erreichen kann, gerate ich in Panik. Ich sehe ihn dann bereits hinter Gittern, zusammengeschlagen oder tot. Oder ich bin überzeugt, daß er nun doch endlich ins Ausland geflohen ist, weil er es nicht mehr ertragen konnte. Er würde mich dann von Belgien aus anrufen… 

So ein Leben ist nicht lebenswert, ich glaube das empfindet jeder so. Was würde ich also einer Österreicherin raten, wenn sie in der Situation wäre, eventuell einen Afrikaner zu heiraten?

Vor einiger Zeit hatte ich meinen Mann sehr erstaunt, als ich zu ihm sagte, daß ich meiner Tochter, wäre sie in der gleichen Situation wie ich damals, von der Beziehung abraten würde. Denn ich würde mir für meine Tochter ein glückliches, sorgenfreies, unbeschwertes Leben wünschen, und meiner ganz persönlichen Erfahrung nach ist dies mit einem Menschen nicht möglich, der nicht der gesellschaftlich akzeptierten Norm entspricht und  der vom Gesetz nicht genügend geschützt wird, um ein normales Leben zu führen. 

Was würde ich einer Frau also raten? Sie sollte sich so gut wie möglich über das Land ihres Partners informieren, um später nicht überrascht feststellen zu müssen, daß die Wörter „gemeinsam“ und „Freizeitgestaltung“ nicht unbedingt im gleichen Satz vorkommen müssen, und daß der ausländische Vater seinen Sohn höchstwahrscheinlich beschneiden lassen will, wenn dies seiner Kultur entspricht. Diese „Huch!“-Erlebnisse kann man sehr einfach vermeiden und sind meiner Meinung nach eigentlich Kleinigkeiten, bei denen man sich in vielen Fällen auf einen Kompromiß einigen kann.

Jedenfalls muß man sämtliche Illusionen, die man über die „ideale Beziehung“ hat, sofort aus den Gedanken löschen. Ich  muß mich selbst manchmal daran erinnern, daß mein Partner aus einer anderen Kultur stammt, und daher nichts selbstverständlich geschieht. Ich weiß noch, wie sehr ich mich gefreut habe, als mir mein Mann zum ersten Mal rote Rosen schenkte. Von „Flowers are useless. In Nigeria we hate them!“ bis zu „I love you!“ war es nicht unbedingt ein leichter Weg, aber er hat mich verstanden und so muß ich ihn eben auch verstehen, wenn ich in Anwesenheit seiner Freunde eher im Hintergrund stehe, oder noch besser, gar nicht dabei bin. Solche Verhaltensweisen darf man aber unter keinen Umständen persönlich nehmen und wenn man weiß, daß man mit solchen Problemen nicht fertig wird, sollte man es besser gleich lassen. Man muß seine Definition von Toleranz neu formulieren. 

Oft höre ich von Frauen: „Wir sind aber in Österreich, ich bin eine Österreicherin, also muß er sich anpassen.“ Ich finde diese Erwartung absolut falsch, diese Haltung führt geradewegs zur frustrierten Ehefrau. Ich kenne keinen Afrikaner, der sich nicht ohnehin im Rahmen seiner Möglichkeiten an die Erwartungen seiner österreichischen Frau anpaßt, und wenn jemand einen Mann will, der sich wie ein Österreicher verhält, soll man dann eben doch lieber einen Österreicher heiraten. Aber zu erwarten, daß ein Mensch seine eigene Kultur wegwirft und die seiner Frau gänzlich übernimmt, ist absolut unrealistisch.

Wären wir Frauen in der umgekehrten Situation und lebten im Land unseres Partners, würde ich bezweifeln, ob wir die lokalen Verhaltensregeln sofort durchschauen und verinnerlichen könnten, oder unsere eigene Kultur etwa ganz vergessen wollten. Von Freundinnen, die mit Österreichern zusammen sind, höre ich oft Erstauen, was ich mir vom meinem Mann alles „gefallen lasse“. Tatsächlich komme ich mir selbst etwas eigenartig vor, wenn ich unsere Beziehung mit jenen meiner Freundinnen vergleiche. Aber genau das darf man nicht!

Ich habe mir als eigenen Richtwert mein Gefühl genommen. Ich vergleiche mich nicht mehr mit Anderen, um festzustellen, was richtig oder falsch ist, sondern höre auf mich selbst. Wenn ich merke, daß ich über eine Situation unglücklich bin oder darunter leide, ist es Zeit, dies an- und auszusprechen. Ich kann mich nicht erinnern, daß mein Mann jemals keine Zeit für ein Gespräch gehabt hätte oder nicht kompromißbereit gewesen wäre.

Wenn unsere Beziehung nicht permanent von außen „bedroht“ wäre, würde ich unsere Beziehung als sehr positiv beurteilen. Doch Streß, Frustrationen, Angst und Sorgen schlagen sich eben aufs Gemüt und belasten die Nerven in einem sehr, sehr großen Ausmaß. Das führt dann zu Streits, die wir gar nicht hätten, wenn wir beide nicht vom „Alltagskampf“ teilweise schon komplett ausgebrannt wären.

 

 Ich kann einer Frau nicht abraten, einen Ausländer zu heiraten, das wäre in meinen Augen rassistisch. Wenn sie den Mann liebt und sie mit ihm zusammensein möchte, sollte sie ihn heiraten, auch wenn es aus einer „Notsituation“ heraus geschieht. Solange die Liebe – auf beiden Seiten! – mitspielt, sind alle anderen Umstände zweitrangig. Und wenn man es dann schafft, Probleme gemeinsam zu meistern, ohne seine eventuelle „Machtsituation“ auszuspielen, die „Abhängigkeit“ des Ehepartners auszunützen, vom Ehemann die Aufgabe seiner Kultur zu erwarten oder einer der beiden Partner in eine untergeordnete Situation gezwungen wird, kann die Beziehung viel stärker zusammenschweißen als jede andere Beziehung, die man im Bekanntenkreis beobachtet. Aber wie gesagt, nicht vergleichen!       

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