Afrikaner im Denken der Österreicher

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Afrikaner sind das sichtbarste Symbol von (oft unerwünschter) Zuwanderung. Sie werden teilweise als Zuwanderer, teilweise als Afrikaner mit oft negativen Einstellungen und Vorurteilen konfrontiert.

Seit den 80er-Jahren, besonders aber seit dem Fall der Berliner Mauer, nahmen in fast allen Ländern Europas fremdenfeindliche Stimmungen zu. Das Wohlstandsgefälle zum Westen sowie ethnische und politische Konflikte im ehemaligen Ostblock beschleunigten die Migration in den reichen Westen. Mit vielen Tausenden Migranten aus dem Osten kamen auch einige wenige Afrikaner, die äußerlich noch einfacher als Zuwanderer erkennbar waren.

Bis Ende der 80er-Jahre fühlten sich die meisten Afrikaner in Wien eher akzeptiert. Zahlenmäßig äußerst gering in Wien/Österreich vertreten (heute in Österreich ca. 1,5‰, in Wien ca. 2,5-3‰ Bevölkerungsanteil), hatten sie damals nach Aussage vieler Afrikaner eher das Image liebenswürdiger Exoten. Nun aber, in diesem Meer der Ängste vor Unterschichtung und „Umvolkung“ (Andreas Mölzer, FPÖ), waren sie spätestens nach dem Ausländervolksbegehren der FPÖ 1993 zum sichtbarsten Symbol unerwünschter Zuwanderung geworden. Das Image der „liebenswürdigen Exoten“ verwandelte sich zum Stereotyp der Drogenhändler und Ausnützer des Wohlfahrtsstaates.

Unsere Bilder von Afrika

Auch ohne Afrikaaufenthalte machen wir uns Bilder von Afrika. Diese entstehen durch Werbung, Medienberichterstattung, Gespräche u.a. Ein Großteil der Informationen wird nicht bewußt aufgenommen, dennoch meinen auffallend viele Mitglieder der sogenannten Bildungselite, Afrika zu verstehen und über Afrika Bescheid zu wissen. In einer minutiösen bildsemiotischen Studie „Typisch Afrika“ zeigt Pichlhöfer das enorme Auseinanderklaffen von Wissensanspruch und –realität Wiener Studierender (Pichlhöfer 2000:204):

„Das allgemeine Wissen über Afrika liegt im Sinne der Auswertungsrichtlinien der Fragebögen bei 50 Prozent oder knapp darunter – wir können also mit Recht von einem Halbwissen sprechen. Das soziale Wissen der befragten Personen kann nicht als ausgeprägt bezeichnet werden. Nur vier der Interviewten gaben an, irgendeinen Bezug zu Afrika zu haben – was angesichts der Zahl der Afrikareisenden doch einigermaßen überraschend ist. […] Die meisten beziehen ihr Wissen durch Massenmedien und haben den „Bezug, den eh jeder hier automatisch hat, durch Bilder, na eben durch diese, vor allem durch diese Hilfsaktionen, dadurch hat jeder eben ein gewisses Bild von Afrika, vor allem als Kontinent, in dem Elend herrscht oder in dem Hilfe benötigt wird.“, wie ein Interpret es formulierte. […] Dieser kaum vorhandene Bezug zu und das Halbwissen von Afrika charakterisieren die Kommunikation.“

Pichlhöfer untersuchte Assoziationen zu Afrika anhand ausgewählten Bildmaterials und überprüfte das Wissen der Studierenden mit einem kleinen Wissenstest (dessen Fragen allerdings nicht immer einfach zu beantworten waren).

Für viele Mitglieder der Bildungselite bleibt Afrika ahistorisch, ohne Wandlung, der Kontinent der Natur und der Naturmenschen, jeglicher Zivilisation abhold, die unsere ewigen Vorfahren darstellen (ebenda, S. 207):

„Von den meisten Interviewten wird Afrikanern Zivilisation abgesprochen. Im vorliegenden Fall zeigt uns das Wort “ noch“ eine sozialdarwinistische Bewertung an: „noch eine ganz andere Kultur […] Noch Wunderheiler, so an alten Mythen festhaltend „. Die Wertungen erfolgten dabei zum Vorteil der Bewertenden, indem die andere Kultur im Sinne einer linearen Entwicklung als Vorstufe zur höheren, eigenen Stufe gedacht wird.“

Was Pichlhöfer an Kerneindrücken bei Studenten beschreibt, deckt sich mit den Ergebnissen dieser Studie und mit vielen eigenen Erfahrungen auch mit anderen befragten Gruppen. Das dominierende Afrikabild ist immer noch eines der Rückständigen, der ewig Natürlichen im Gegensatz zu den Zivilisierten. Bedenklich daran ist, daß sich diese Denkschablone auch auf Seiten der Sympathisierenden wiederfinden läßt, wenn auch mit anderer Ausrichtung.

Tabelle 29: Assoziationen mit Afrikanern (n=567 Wiener)

Übergruppe Detailgruppe Häufigkeit in % % d. Gruppe
Extrem negative Einstellungen Ablehnung 14 2,48  
  verletzend 24 4,23 6,71
Sehr negative Assoziationen Kriminalität 89 15,70  
  Negative Eigenschaften 16 2,82 18,52
Assoziationen als (arme) Zuwanderer arm 21 3,70  
  Ausländer 17 3,00 6,70
Assoziationen als Opfer (Menschen mit Problemen) Problem 35 6,17  
  Opfer 50 8,82 14,99
  rückständig 12 2,12  
  Natureinklang 5 0,88  
  Natur 31 5,47  
Assoziationen mit Natur und dem unveränderlichen Naturmenschen Physis mit Hinweis auf Hautfarbe 19 3,35  
  Physis 36 6,35  
  Gefühl 2 0,35  
  Tradit. Kultur 15 2,65  
  Tradit. Musik 24 4,23 25,40
  einfache Arbeit 4 0,71  
  Orte & Länder 35 6,17  
  Urlaub 6 1,06  
  Exporte 4 0,71  
  Mensch (neutral) 19 3,36  
Neutrale Assoziationen Musik 36 6,35  
  Geschichte 2 0,35  
  Kultur 11 1,94 20,65
  Bekannter 15 2,65  
Stark sympathie-getragene Assoziationen Positive Eigenschaften 19 3,35  
  Sympathie 6 1,06 7,06
  Gesamt 567   100,03

Begriffserklärung:

Ablehnung: Unter Ablehnung wurden starke negative Gefühlsäußerungen zusammengefaßt, wie z.B. „Die mag ich überhaupt nicht“ oder „Die gehören raus!!“;

Verletzend: Unter verletzend wurden Assoziationen zusammengefaßt, die bewußt verächtliche Bezeichnungen für Afrikaner einbauten, wie z.B. „Neger“, „Nigger“, „Bimbos“, „das Unterste überhaupt!“.

Kriminalität: alle Assoziationen, die mit Delikten in Österreich zu tun haben, fast ausschließlich handelte es sich dabei um Assoziationen mit Drogenhandel;

Negative Eigenschaften: eine Reihe sehr negativ besetzter Assoziationen, wie „faul“, „aufdringlich“ (v.a. von Frauen genannt), einzeln auch „suspekt“ und „ungeschickt“;

Ausländer: Alle Assoziationen, die auf ihre Zuwanderung nach Österreich anspielen;

Problem: Alle Assoziationen, die auf Probleme/Katastrophen in Afrika Bezug nehmen wie bes. „Hunger“, „Krieg“, „Aids“, „Krankheit“, vereinzelt auch Nennungen wie Mobutu etc.;

Opfer: Alle Assoziationen, die Existenzbedrohung oder Unterdrückung durch (ungenannte) Täter beschreiben, wie Diskriminierung, Sklaverei, Kolonialismus, Polizeiübergriffe, einzeln auch „ermordete Asylanten“, Omofuma, „verfolgt“, „Vorurteile“, Missionarismus, „Knechte der 1. Welt“ u.a.;

Rückständig: Assoziationen, die Afrika im Vergleich mit anderen Weltgegenden als rückständig bezeichnen, wie Entwicklungsland (oder 3. Welt), „rückständig“,  vereinzelt auch „großer Nachholbedarf“ und „bloßfüßig“;

Natureinklang: Assoziationen mit der Vorstellung des Lebens im Einklang mit der Natur: naturbewußt, Leben in Einklang mit der Natur, Naturvölker;

Natur: Alle Assoziationen, die bei Nennung von „Afrikaner“ die Umwelt in Afrika nannten: besonders Ur- oder Regenwald, Busch, Wüste, Hitze, Löwe;

Physis: Assoziationen mit körperlichen Merkmalen oder körperlicher Leistungsfähigkeit der Afrikaner (wie beim Sport), wie (schöne) Körper, gute Läufer, Basketball, Athleten, stark;

Physis mit Hinweis auf Hautfarbe: bei Vorliegen von Assoziationen mit der Hautfarbe, wie bei „schwarz“, „dunkel“ etc.;

Gefühl: genannte Gefühlszustände der Afrikaner wie Liebe oder Herzlichkeit;

Traditionelle Kultur: Assoziationen mit alten kulturellen Traditionen und Elementen Afrikas, die für relativ unveränderlich genommen werden, wie z.B. Stammeskunst, Voodoo, Beschneidung, Masken, Folklore, Rituale u.a.;

Traditionelle Musik: Assoziationen mit Trommelmusik, traditionellem Tanz;

Musik: Assoziationen mit moderner afrikanischer (schwarzer) Musik wie z.B. Reggae, Gospel oder nicht ausdrücklich als traditionell bezeichneten Assoziationen wie Musik und Tanz;

Kultur: Assoziationen mit nicht eindeutig als traditionell interpretierbaren Kulturinhalten, wie z.B. gute Küche, Kunst, Rastazöpfe, Stoffe;

Einfache Arbeit: Assoziationen mit häufigen (relativ unqualifizierten) Arbeitsplätzen, die Afrikaner besetzen, wie z.B. Hilfsarbeiter, Taxifahrer;

Orte und Länder: Assoziationen mit Herkunfts- oder Kontaktstätten bzw. -regionen, wie z.B. Nigeria, Lagos, Afrika, Afro-Asiatisches Institut;

Urlaub: Assoziation mit Urlaubsreisen (ausdrücklicher Hinweis auf Urlaub);

Exporte: Hinweis auf afrikanische Exportprodukte, wobei stets Rohstoffe genannt wurden: Banane, Kakao, Diamanten;

Mensch (neutral): Assoziationen, die die Vergleichbarkeit von Afrikanern mit anderen Menschen hervorhoben, wie z.B. „Ein Mensch“, „Es gibt Gute und Schlechte“, „ganz normale Menschen“ u.a.;

Geschichte und Personen: Hinweis auf afrikanische Geschichte oder bedeutende (schwarze) Persönlichkeiten. Genannt wurden das Königreich von Benin und der (amerikanische!!) Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King;

Bekannter: namentlich genannte afrikanische Freunde/Bekannte der Befragten;

Positiv besetzte Persönlichkeitsmerkmale: besonders genannt wurden freundlich, nett, gemütlich, angenehm, lässig bzw. relaxed;

Sympathie: geäußerter positiver gefühlsmäßiger Bezug, wie z.B. „Super“, „irrsinnig lieb“.

Aus diesen Daten lassen sich folgende Tendenzen ablesen:

Extreme Betonung der Vergangenheit und Tradition Afrikas

Das assoziative Bild Afrikas ist somit deutlich von Traditionalität, Naturmensch-Vision und Problemen geprägt. Afrikaner sind für viele Teil der Natur, aus der sie im Gegensatz zu den „Zivilisierten“ noch nicht herausgetreten sind und in der sie nach Meinung vieler auch bleiben sollten. Daß moderne Gestalter und Gestaltung Afrikas in den Assoziationen überhaupt nicht auftreten, ist dramatisch. Es bedeutet keineswegs, daß Personen wie Nelson Mandela, Bischof Desmond Tutu, Koffi Annan oder Institutionen wie die OAU unbekannt sind, zeigt aber, daß sie als untypisch für Afrika und Afrikaner eingeschätzt werden. Hingegen wurden Völker wie die Maasai genannt, deren traditioneller Lebensstil bekannt ist. Im Vordergrund stehen vielmehr die Probleme und die vermutete Rückständigkeit Afrikas und seiner Menschen. Die Tradition Afrikas bei Natur und Mensch wird häufig hervorgehoben (von ca. 25%). Die einzigen Hinweise auf nicht problembesetzte aktuelle Entwicklungen Afrikas und der Afrikaner kamen aus dem Bereich der Kultur (Musik wie Reggae sowie zwei Hinweise auf Kunst) und des Sports (Ballsportarten, Athletismus);

Extreme Betonung von Afrikanern als Menschen mit Problemen: Mehr als 1/3 assoziiert Afrikaner mit Opferrolle, Problemen, Kriminalität und Armut;

Starke Betonung von Afrikanern als wehrlose Opfer: Fast ein Sechstel (15%) sieht in Afrikanern nahezu wehrlose Opfer des Schicksals und der Mächtigen;

Extrem negative und rassistische Ablehnung durch ca. 7% der Befragten;

Sehr negative Einschätzungen von Afrikanern, die aber möglicherweise durch Kontakte und Bewußtseinsarbeit verändert werden könnten, bei nahezu 1/5 der Befragten (Assoziationen „Kriminalität“ und „negative Eigenschaften“).

Hilde Weiß untersuchte für ihre Studie auch die emotionalen Reaktionen auf Zuwanderer (Weiß 2000:19):

„Spontane Reaktionen wie Mitgefühl oder Angst, Sympathie oder Unbehagen, sind vor allem aber zentrale Parameter für die Bereitschaft, Kontakte aufzunehmen oder in einer Notsituation zu helfen.“

Tabelle 30: Gefühlsmäßige Reaktionen auf Afrikaner (Weiß)

Gefühl In % (ganz Österreich) In % (Wien)
Sympathie 6,8 7,8
Wohlwollen 10,2 13,4
Anteilnahme 17,2 19,0
Unbeteiligtheit 36,0 32,2
Unbehagen 20,5 19,0
Angst 4,1 4,0
Abneigung 5,2 4,6

Verschiedene Kategorien des Assoziationstests scheinen sich mit den Gefühlsreaktionen der Weiß-Studie auch zahlenmäßig zu decken. Die Abneigung bei Weiß entspricht wahrscheinlich den extrem negativen Einstellungen. Die Anteilnahme bei Weiß deckt sich prozentmäßig mit den Assoziationen von Afrikanern als Opfer. Die Sympathie findet ihre fast exakte Entsprechung  in den stark sympathiegetragenen Assoziationen.

Weiß findet geschlechtsspezifisch unterschiedliche emotionale Reaktionen auf Afrikaner[1] (n=1958):

Tabelle 31: Emotionale Reaktionen auf Afrikaner nach Geschlecht (H. Weiß)

Gefühl Männer (in %) Frauen (in %) Gesamt (in %)
Sympathie 7,9 5,9 6,8
Wohlwollen 10,9 9,5 10,2
Anteilnahme 15,3 18,9 17,2
Unbeteiligtheit 38,4 33,8 36,0
Unbehagen 19,4 21,5 20,5
Angst 2,6 5,6 4,1
Abneigung 5,5 4,8 5,2

Frauen reagieren auf Afrikaner häufiger als Männer mit Angst, aber auch seltener mit Sympathie. In unserer Assoziationsuntersuchung assoziierten Frauen Afrikaner deutlich seltener mit verletzenden Ausdrücken (3,3%:5,3%), dafür deutlich stärker mit Ablehnung (3,6%:0,7%). Männer verbanden Afrikaner deutlich häufiger mit Kriminalität (19,4%:12,4%), Frauen dafür deutlich stärker mit mitfühlenden Gedanken wie Opfer (9,9%:7,6%) und Problem (7,2%:4,9%).

Die Starrheit der Bilder Afrikas

Viele der Vorurteile gegenüber Afrikanern stammen aus längst vergangenen Zeiten, als Afrika noch der sogenannte Dunkle Kontinent war, dessen Menschen für gerade gut genug empfunden wurden, um als Sklaven zu dienen. Fast alle Ansichten, denen wir auch heute noch begegnen, finden sich in geschichtlichen Zeugnissen wieder. Wenn Afrika von europäischen Philosophen einst als Kontinent ohne Geschichte, weil ohne erkennbaren Wandel, erdacht wurde, dann trifft dieser Vorwurf der Geschichtslosigkeit und Lernunfähigkeit  noch wesentlich mehr auf die europäischen Vorurteile gegenüber Afrika und seine Menschen zu. Zu den ältesten Vorurteilen zählen auch die durch die christliche Mythologie überlieferten:

Die Neger entstammen dem Geschlechte Kains; die schwarze Färbung seiner Haut entspräche dem Kainszeichen, mit welchem Gott den Brudermörder brandmarkte und aus der menschlichen Gemeinschaft ausstieß.[2]

Auch die schwarze Hautfarbe sei verschiedentlich als Kennzeichen diabolischer Herkunft gedeutet worden[3]. Sauer (1996:17) schreibt, daß in der Kreuzzugpropaganda Afrikaner häufig als „schwarze Heiden oder Teufel dargestellt wurden“. Dieses historische Vorurteil mag zur Verfestigung anderer Vorurteile, bei denen z.B. Afrikanern Aggressivität unterstellt wurde, beigetragen haben, finden sich aber direkt weder bei Assoziationen noch bei anderen Antworten wieder. Ich bezweifle, daß es heute noch von großer Bedeutung ist.

Afrika, von Europa durch die Sahara, eine schwierige See und die arabisch-islamischen Reiche getrennt, war für die Europäer lange eine unbekannte Welt, nur manchmal erhellt durch Reiseberichte nichteuropäischer Autoren wie Leo Africanus[4]. Seine Schilderung des Glanzes der Stadt Timbuktu in Mali mit ihrem materiellen und geistigen Reichtum beflügelte viele Phantasien. Die meisten und seltenen Berichte europäischer Seefahrer der frühen Kontaktjahrhunderte (ab dem 16. Jh.) waren hingegen anfänglich sehr viel stärker von Mißtrauen und Abneigung gegenüber den fremden und unbekannten Kulturen geprägt.

Der portugiesische Chronist Pereira betont im Jahre 1500, die „Neger seien allen erdenklichen Lastern verfallen, vornehmlich dem Diebstahl, der Bettelei und der Lügenhaftigkeit. Man findet nur Faulpelze und Trunkenbolde unter ihnen“[5]. Die meisten Reisenden der ersten beiden Kontaktjahrhunderte sehen nur eine gute Eigenschaft an den Afrikanern: die Gastfreundschaft. Unterstellt werden „Boshaftigkeit und Widerspenstigkeit, Trägheit und Unwissenheit, Ungeschlachtheit des Wesens und ein Hang zu Trunksucht, Ausschweifung und Dieberei.“ [6] Immer stärker wird auch die „Gottlosigkeit“ der Afrikaner betont, welche die Wurzel allen Übels sei, was als propagandistische Vorbereitung der westlichen Missionierung und Kolonialisierung nützlich war.

In seiner Beschreibung der Sitten und Gebräuche Afrikas im Jahr 1668 differenzierte der holländische Gelehrte Olfert Dapper mehr als seine Vorgänger. Er sprach weniger abfällig von Intelligenz und Bildungsstand der Einheimischen und vom Stand der Kulturen. Dennoch: „Die Kaffer, welche man nach ihrem Land so nennet, halten sich an keinen Gottes- oder Götzendienst: sie wissen auch von Gott gantz nichts; sondern leben als das Vieh.“ Dadurch setzten sie sich nach dem holländischen Calvinisten auf die Stufe von Tieren. Vom fehlenden Glauben leitet Dapper auch andere von ihm angenommene Untugenden der Afrikaner ab wie Geilheit und Lügenhaftigkeit, Mangel an Manieren und Hang zu Diebereien.[7]

Man könnte diese Liste von Dokumenten über reale und eingebildete historische Kontakte mit Afrika  beliebig fortsetzen. Ihre Beschreibungen schwanken meist zwischen den Klischees des Edlen Wilden, der zu keiner Schandtat fähig ist, und eines von Natur aus hinterhältigen und zur Zivilisation untauglichen Geschöpfes, dem in Diskussionen teilweise sogar die Seele abgesprochen wurde. Das Klischee des Naturmenschen scheint die meisten aktuellen Vorurteile gegenüber Afrikanern logisch zu integrieren.

Der Afrikaner als Vorfahre des Menschen oder ewiger Naturmensch

Auch heute noch suchen viele Menschen im Westen im Afrikaner den ewigen Naturmenschen. In unserer Zeit der zunehmenden Technisierung, Bürokratisierung, Selbstkontrolle und Technokratisierung postuliert und benötigt man als (teilweise beneidetes) Gegenstück den primitiven enthemmten Leidenschaftlichen, den keine Denkprozesse bei der Sexualität ablenken; denjenigen, der keine Zivilisation schafft, den Geschichtslosen, der immer in Einklang mit der Natur lebt und in diesem Zustand geschützt werden muß und letztendlich den, der in seinem Paradies, in welchem er harte Arbeit nicht benötigt, im Zustand kindlicher Güte und ausschließlichem Denken an die Gemeinschaft ohne die egoistischen Triebe der „zivilisierten“ Menschen lebt. Diese Vorurteile lassen sich logisch voneinander ableiten.

Der ewige Primitive: der schwarze Adam in seinem Paradies

Ein Reisender des 18. Jahrhunderts im Senegal schreibt von seinem Eindruck „reiner Natur“: Der Afrikaner sei faul, bequem und Müßiggänger, verweichlicht im Schatten liegend, die Einfachheit seiner Kleidung und ihrer Bräuche ließen den Autoren an die ersten Menschen denken und vermittelten ihm den Eindruck, der Entstehung der Welt beizuwohnen[8].

Meinrad Xavier de Golbéry, ein französischer Hauptmann fügt hinzu[9]:

„Alle Bedürfnisse und Lüste des ‚Negers’ werden also befriedigt, ohne ihn den geringsten Aufwand zu kosten, weder einen geistigen, noch einen körperlichen. Seine Seele verliert nie ihre friedliche Gleichgültigkeit; […] Durch seinen Fatalismus fürchtet er keine Ereignisse und unterwirft sich allem ohne Mucken. Sein Leben verläuft friedlich, in einer wollüstigen Lässigkeit, die sein oberstes Glück ist. Die ‚Neger’ zählen zu den glücklichsten Wesen der Natur. [..] Seine stets ruhige und zufriedene Seele wird von keinem Kummer (Langeweile) beeinträchtigt, diesem fatalem Gift, welches nur die erleuchteten, reichen, strebenden und glorreichen Gesellschaften befällt. Die Menschen, die der Natur näher geblieben sind, werden von diesem unheilvollen Gift ausgespart, welches mehr Chaos und Verbrechen verursacht, als man glaubt. Kindern vergleichbar, können die Männer im reifsten Alter den ganzen Tag mit sinnlosen Tätigkeiten verbringen, mit Unterhaltungen, die nach unseren Standards als Geschwätz beurteilt würden, [..] mit einer Fröhlichkeit, die man in Europa kaum mehr findet.“

Der Afrikaner ist dementsprechend ursprünglich und primitiv und als solcher Teil der Natur. Hochgebildete Afrikaner werden und wurden nicht zwingend als Beweis für die Unrichtigkeit der Annahmen gesehen, sondern als Ausrutscher. Im 18. Jahrhundert lebte in Wien Angelo Soliman, ein angesehener Hofdiener afrikanischer Herkunft, der wegen seiner Sprachkenntnisse, Intelligenz und Umgangsformen hochgeschätzt war. Dennoch wurde er nach seinem Tode umgehend ausgestopft und im k.k. Naturalienkabinett ausgestellt, und zwar in einem Zimmer, welches den von Tieren bevölkerten Urwald darstellte. Er kehrte sozusagen in die Wildnis zurück, als deren Teil er betrachtet wurde und die er kurzfristig verlassen durfte.

1896 zogen 70 „Aschantineger“ in den Pratertiergarten ein, wo sie in einem eigens eingerichteten „Dorf“ beim Kochen, in der Schule und bei ihrer täglichen Arbeit zu besichtigen waren. An die 400 000 Wiener sollen sich zu dieser Big-Brother-Inszenierung gedrängelt haben. […] Die neugierigen Besucher scheuten sich auch nicht, die samten braune Haut der „Aschanti“ zu betatschen. Der öffentliche Blick richtete sich primär auf den Körper der „Aschanti“, dessen Fremdheit und erotische Verheißung. Indem die Betreiber die „Aschanti“ zwangen, sich spärlich zu bekleiden, lieferte man ihren Betrachtern eine sexuelle Projektionsfläche[10].

Im April 1996 läutet in unserem Büro im Afro-Asiatischen Institut Wien das Telefon. Die Sekretärin eines Industriemagnaten ersucht uns um Hilfe. Ihr Arbeitgeber sei ein leidenschaftlicher Jäger und feiere in Kürze seinen Geburtstag. Daher wolle man ihm ein schönes Gewehr schenken und im Tiergarten Schönbrunn überreichen. Ob man denn nicht helfen könne mit ein paar Afrikanern, die sich halbnackt, am besten im „traditionellen Lendenschurz“, zwischen den Löwenzwingern aufstellen könnten? Besonders erwünscht seien einige Maasai. Wenn der Chef ankäme, sollten ihm die halbnackten Afrikaner das weitreichende Gewehr übergeben. So gerne wir normalerweise Anrufern halfen, diesmal mußten und wollten wir passen.

100 Jahre mit ihren Veränderungen, die scheinbar spurlos an manchen Menschen vorübergegangen sind… Noch immer werden Afrikaner gerne als Primitive, Ursprüngliche, ewige Vorfahren der restlichen Menschheit gesehen und nicht nur von Konservativen. Fast paradiesische Halluzinationen und verdrängte Wünsche werden auf sie, die „Kinder Edens“, projiziert.

Die Darstellung von Afrikanern als (glückliche) Kinder

„Der Afrikaner lebt im Stande kindlicher Unschuld; er ist frei und gut von Natur und genießt das volle Glück eines Menschen, für dessen Bedürfnisse eine gütige Schöpfung sorgt[11].“

So schreibt in längst vergangenen Zeiten Golbéry über die Afrikaner. Ist diese Beschreibung so gänzlich verschieden von der, die der Musiker Roland Neuwirth nach einem Kulturaustauschprojekt im Rahmen der EZA in der entwicklungspolitischen Zeitschrift Südwind (9/1999, S. 30) von sich gibt?

„Am meisten beeindruckt hat mich auf den Kapverdischen Inseln, und zwar auf allen vier Inseln, die wir angeflogen sind, die Freundlichkeit der Leute. Die Menschen sind unglaublich offen, haben so reine Augen, überhaupt nicht verschlagen oder hintergedankenträchtig, eher so wie Kinder.“

Es sind also Kinder, die in einer zumindest menschlichen paradiesischen Umgebung wohnen. Mit dem Klischee der Kindlichkeit, des Noch-nicht-Erwachsenseins gehen bei den Gutwilligen Klischees wie automatische Unschuld an Fehlentwicklungen, (reines) Leben im Einklang mit der Natur,  bei den Übelwollenden mangelnde Fähigkeit zur Verantwortung für komplexe Strukturen und generelle Unreife einher.

Das Leben in Einklang mit der Natur

Das Leben im Paradies erlaubt auch ein relativ leichtes Leben, in welchem die Tauben in den Mund fliegen und man sich dem Müßiggang hingeben kann. Kinder stehen der Natur näher, sie versuchen nicht, sie sich untertan zu machen, sie leben in Einklang mit ihr. Während anderswo Katastrophen eintreten müssen, um Hege- und Bodenschutztechniken zu entwickeln, fallen die Techniken den Kindern Edens, den Afrikanern, in den Schoß.  Sie sind eben „natürlich“.

Ich habe die Vorstellung von Menschen aus dem Süden, die in Einklang mit der Natur leben sollen, immer als weltfremd und naiv empfunden und teilweise sogar als arglistige Täuschung. Diese Einstellung gaukelt vor, Sympathie für Menschen aus dem Süden zu empfinden, in Wirklichkeit postuliert sie die Idee der Geschichtslosigkeit und fehlenden gesellschaftlichen und technologischen Wandels. Es genügt, daß durch verbesserte Gesundheitsvorsorge die Bevölkerung in einem bestimmten Gebiet erheblich zunimmt, um vielgelobte „nachhaltige“ Bewirtschaftungsformen plötzlich zerstörerisch werden zu lassen, wie z.B. die Brachfeldwirtschaft. Bedeutende Innovationen führen fast zwingend zu einem Spannungszustand zwischen Mensch und Natur und häufig zu Umweltproblemen. Die Entwicklung von Techniken der Nachhaltigkeit wie Hege- oder Bodenschutztechniken ist oft eine direkte Reaktion auf Umweltzerstörung durch Menschenhand.

Natur im Gegensatz zu Aktivität: Der passive und faule Afrikaner

Wer in Einklang mit der (reichen) Natur lebt, in Harmonie mit Mensch und Natur, tut dies nicht zuletzt durch relative Anspruchslosigkeit, Apathie und Fatalismus, wie diese historischen Quellen zeigen:

„….Die Seele des Schwarzen verliert fast nie eine friedliche Trägheit; Ruhelosigkeit, Panik, wilde Leidenschaften sind ihm fast unbekannt; durch seinen Fatalismus hat er vor keinem Ereignis Angst, daß er sich ohne Murren allen Launen des Schicksals unterwirft. Sein Leben verläuft friedlich in einer sinnlichen Teilnahmslosigkeit, die sein größtes Glück ist.“[12]

« Dieses Volk strebt nicht nach Reichtum und hat genug, wenn es genügend für den Rest des Tages besitzt; es hat keinerlei Unkosten, nicht für Miete, nicht für Kleidung und arbeitet nur so viel, um sich den Lebensunterhalt verdienen zu können.“[13]

Ähnlich ist der Tenor eines Reiseberichts über Gambia (TM3, 16.1.2001): Glückliche Menschen ohne große Ambition, denen die „Zivilisation“ nur Unglück bringt und die zu beneiden sind, weil sie keine Ziele haben… Glückliche Menschen, die sich nicht hetzen lassen… Dieser Vergleich mit Berichten aus dem 17. und 18. Jh. zeigt, wie andauernd viele Vorurteile sind. Auch bei der vorliegenden Studie assoziieren viele Wiener die Afrikaner mit Gedanken wie[14]

Faul, arbeitet nichts, traumhappert[15], verloren, naiv, unintelligent…

Nur wenige verbinden hingegen mit Afrikanern Dynamik und besondere Leistungsfähigkeit. Auch verschiedene eher wohlmeinende Klischees verbinden mit Afrika praktisch nur Tradition im Sinne des Edlen Wilden und sehen in jeder Wellblechhütte eine Störung einer Art Naturharmonie. Klischees über das „Leben der Afrikaner im Einklang mit der Natur“ fallen in die gleiche Kategorie. Für viele Touristen[16] ist praktisch nur das traditionelle, das naturnahe Afrika von Interesse. Afrika ist der vielleicht einzige Kontinent, bei welchem – ob von links wie von rechts – nahezu ausschließlich die Vergangenheit als attraktiv betrachtet und oft auch als Modell für die Zukunft gesehen wird. Auf diesem Kontinent muß alles, was man zuhause loswerden möchte, konserviert werden.

Natur als Kontrast zu Geist: Der Triumph des Körpers  über den Verstand

Der natürliche Mensch oder Naturmensch, das ist das Physische im Gegensatz zum Geistigen und Intellektuellen, die einfache Lebensform im Gegensatz zur hochentwickelten Zivilisation, die Einbindung in die Natur mangels der Unfähigkeit zur Entwicklung höherer Lebensformen. Natur und Natürlichkeit, das bedeutet Ungehemmtheit durch mangelnde Kontrolle der Emotionen durch den Geist. Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel stellt der „Neger“ den „natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar“. Das Merkmal des Naturmenschen ist physische Stärke und Emotion. Geist und Intellekt, der zum Aufbau komplexer Gesellschaften notwendig ist, werden bei ihm weder vermutet noch gesucht. Chamberlain (1934:342, Anm. 1) bezeichnete die „Neger“ als eine „in sich selbst kulturunfähige Menschenunterart“. Afrikaner bleiben „natürlich“, weil sie nicht fähig zur Komplexität und damit Naturentfremdung sind. Als Naturmenschen decken sie Sehnsüchte und Träume ab, denn in unserer kontrollierten Welt träumen viele von unkontrollierten Gefühlen und Trieben und wer böte sich für derartige Klischees mehr an als sogenannte Naturmenschen?

« Sexuelle Ausschweifungen, die der generelle Feind der menschlichen Gattung sind, sind bei den Negern als normal akzeptiert und stellen das größte Problem bei ihrer Bekehrung dar. «[17]

Afrikaner als Sexpartner oder –objekte sind für viele attraktiv. Nur die Angst vor Aids bremst heute den Sextourismus nach Kenia. Afrikanerinnen sind immer wieder geschockt, wie häufig sie auf der Straße frontal auf Sex angesprochen werden.

            Doch ungezügelte Natur kann nicht nur als erotisch, sondern auch als wild und aggressiv interpretiert werden. So spricht die FPÖ-Abgeordnete Partik-Pablé am 11.5.1999 im österreichischen Parlament von Afrikanern wohl im Kontrast zu kontrollierten und daher berechenbaren Weißen:

„… Erkundigen Sie sich doch einmal bei den Beamten über die Art der Schwarzafrikaner! Sie schauen nicht nur anders aus, wie Sie heute gesagt haben, sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie ganz besonders aggressiv. Das liegt offensichtlich in der Natur dieser Menschen. Sie sind meist illegal da, sie sind meistens Drogendealer, und sie sind ungeheuer aggressiv, wenn sie von Exekutivbeamten beanstandet werden.“

Unterstützt wird das Vorurteil der extremen Körper- und Gefühlsbezogenheit der Afrikaner nicht zuletzt auch durch den prominentesten Vertreter der sog. Négritude, Léopold Sédar Senghor, dem ehemaligen Präsidenten des Senegal. In Gedichten wie in „Aphorismen“ sprach er Europa den Intellekt und Afrika die Emotion zu, ein willkommenes Geschenk der Kapitulation an Europa:

«L’émotion est nègre, comme la raison hellène.»

Da der Körper über den Verstand triumphiert, gilt natürlich auch der Intellekt der Afrikaner als unterentwickelt. Fast 1/4 der bei dieser Studie Befragten halten Japaner für intelligenter als Afrikaner[18]. Man erinnere sich auch an die leidvolle Diskussion um die angeblich unterschiedliche Intelligenz der weißen, gelben und schwarzen „Rasse“, die Charles Murray und Richard Herrnstein im Buch „The Bell Curve“ 1994 postulieren[19]. Dabei nahmen sie an, sich berechtigter Kritik aussetzend, daß die gelbe „Rasse“ die intelligenteste sei, danach käme die weiße und letztendlich die schwarze[20].

Für die Rechtsstehenden sind Afrikaner vorwiegend Naturmenschen, die sich kaum auf die Stufe der sogenannten Zivilisation erheben können und die der Führung durch die Weißen bedürfen, um sich weiterzuentwickeln. Sie bleiben einfache Landmenschen, denen die Verwaltung komplexer Strukturen kaum zugetraut wird[21]. Die Sympathisierenden in Österreich protestieren gegen solche Ansichten, zeigen bei ihrer eigenen Postenvergabepraxis selbst aber kaum vor, daß sie Afrikanern höhere Fähigkeiten zutrauen.

Der Naturmensch ist ein Kollektivmensch

Mit „älteren“ und daher „menschlich gesünderen“ Menschengruppen verbinden viele auch weitgehende Besitzlosigkeit, damit auch  Kollektivdenken und weitgehende Absenz von Egoismus. Teilen und nicht Haben ist die mystifizierte Devise. Fremd sei Afrikanern nach dieser Annahme der Wunsch auf individuelles Eigentum und Status. Egoismus und Individualismus wären nach dieser Logik schon Merkmal westlicher Verderbung[22]

Viele, die Afrika besuchen oder sich dafür interessieren, glauben an den afrikanischen Kollektivmenschen, der zuallererst an die (familiäre) Gemeinschaft denkt und erst dann an sich. Afrikaner seien eher Kollektivwesen als Individuen. Einer ähnlichen Logik folgt die Kritik am sogenannten Tribalismus, also der Bevorzugung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft. Würde man dieses Wort durch Cliquenwirtschaft ersetzen, fielen wesentlich mehr Parallelen zu unserer Gesellschaft auf.

Man kann dies einfach falsifizieren: Man kehre in die ländliche afrikanische Familie zurück, in der man bereits weilte und mache der Familie ein tolles kollektives Geschenk. Man wird eine Reihe enttäuschter Gesichter bemerken. Gibt man hingegen nur den halben Betrag aus, den aber für rein individuelle Geschenke, erntet man meist wesentlich mehr Zufriedenheit.

Der Mensch wird durch die Zivilisation schlecht

Mit der Idee des „naturnahen Afrikaners“ hängt eng die Vorstellung zusammen, daß die Zivilisation den Menschen verderbe, eine Idee, die sich klassisch bei Rousseau wiederfindet und im Klischee des Edlen Wilden mündet[23]:

„Der Mensch ist seiner natürlichen Anlage nach gut, er ist glücklich, solange er seinen natürlichen Instinkten folgt, aber er wird böse, hinterhältig und unglücklich durch die Gesellschaft, durch die Verpflichtungen und Bindungen, die das Fortschreiten der Zivilisation ihm auferlegt.“

Der Naturmensch lebt per Definition in Einklang mit der menschlichen wie tierischen Natur und ist daher also gut, sozial und human. Er weiß sowohl beim Umgang mit Menschen wie mit der Natur, was richtig ist und braucht dazu keine Lernprozesse, sondern nur seinen Instinkt. Das Wissen fällt ihm sozusagen vom Himmel in den Schoß.  Diese Erhöhung des gottgegebenen Richtigen führt logischerweise zu weiteren Annahmen:

  • das Traditionelle muß unbedingt bewahrt und konserviert werden (da das Neue ja böse ist und das Traditionelle die Lösungen kennt)
  • die Veränderung der Gesellschaft muß nach Möglichkeit bekämpft werden

Ich habe noch den Abscheu der Reisegruppen vor Augen, die ich in Afrika begleitete, um mein Studium zu finanzieren, wenn eine Wellblechhütte auftauchte, Symbol einer immer mehr verdorbenen und nicht mehr ursprünglichen Gesellschaft… Welche Freude, in ein Maasaidorf hineinzugehen und sich dort zusammen mit einem „Primitiven“ und „Gefährlichen“ fotografieren zu lassen… Und obwohl man niemals unter gleichen Umständen wohnen wollte, blickt man mit Abscheu auf jedes Element, welches Ausdruck der Modernisierung ist. Waren diese glücklichen Menschen nicht dabei, ihr Glück zu verspielen?

Auf sonderbare Weise deckt sich vieles mit den Ansichten von Sympathisierenden, von denen oft jedes Abgehen von der Tradition, jeder Kulturaustausch mit dem Westen als inhärent destruktiv empfunden wird. Da propagieren die gleichen Personen, die in Österreich Individualismus und Nichtassimilation vertreten, die komplette Assimilation weißer Zuwanderer in afrikanischen Gesellschaften, damit man dort nichts zerstöre. Viele Menschen mit großer Sympathie für Afrika erstarren in Gesellschaften Afrikas häufig geradezu aus Angst, sie könnten zerstörende westliche Einflüsse nach Afrika tragen, die die lokalen Kulturen zersetzen[24].

Auch in den Bereichen und bei Akteuren der Entwicklungspolitik erscheint Veränderung durch Modernisierung, etwa durch Einführung marktwirtschaftlicher Konzepte, häufig als große Gefahr, vor der man „indigene“ Völker schützen müsse. Die Marktwirtschaft ist in der Entwicklungspolitik oft als Feindbild verschrien. Ihr wird eine idealisierte Fairneß und Gleichheit der traditionellen Gesellschaften gegenübergestellt, die die gleichen Experten der eigenen traditionellen Gesellschaft oft nicht zutrauen, deren Traditionen sie als faschistoid bezeichnen und ablehnen. Man möchte das südliche Fremde konservieren und das westliche Eigene modernisieren. Man beklagt in der Fremde den sichtbaren Kulturwandel wie importierte Lebens- und Konsumgewohnheiten und interpretiert ihn als Kulturverlust; man identifiziert sich mit den guten Bauern gegenüber den bösen Verwestlichten, lobt die Vorstellung vom Leben im Einklang mit der Natur, die durch moderne Eingriffe gnadenlos zerstört wird.

            Die Idee des passiv auf seine Umwelt reagierenden Afrikaners findet sich auch in der Erklärung von Migrationsprozessen. Eine junge und sehr engagierte Studentin sitzt mir gegenüber. Sie beschäftigt sich mit afrikanischen Flüchtlingen und verwendet das in sympathisierenden Kreisen häufig gebrauchte Schlagwort, daß „kein Mensch ohne Not migriere!“. Sie engagiert sich sehr für Mitmenschen, bemerkt aber nicht sofort die Doppeldeutigkeit ihrer Aussage. Während Menschen im Westen durch unerzwungene Reisen an Prestige gewinnen, sollen Afrikaner absolut desinteressiert an der Welt in ihrem Dorf leben, bis sie von einem grausamen Schicksal vertrieben werden? Tatsächlich gibt es z.B. bei den Bambara in Mali einen enorm starken Druck auf unverheiratete Männer, vor der Ehe andere Länder und Regionen kennenzulernen und dadurch ihren Horizont zu erweitern. Dies widerspiegelt sich im Sprichwort: /den min ye dugu kèmè yaala, ani cè min si ye san kèmè ye, olu fila bè se ka bàro kè nyògòn fè./ „Ein Kind, das 100 Siedlungen bereist hat, kann sich (gleichrangig) mit einem 100-jährigen zu einem Gespräch zusammensetzen.“ Bei meiner Studie 1991 in einem Bambaradorf  in Mali fand ich keinen einzigen Mann über 50, der nicht schon zumindest ein Mal mindestens drei Monate in mindestens 1000 km Entfernung arbeitete, eine auch im Vergleich mit Europa hohe Mobilität und Lust am Unbekannten.

Afrika dürfe nicht verändert werden, sagt sinngemäß ein substantieller Teil derer, die Hegel wegen seiner unsinnigen Aussagen über ein Afrika ohne Geschichte kritisieren[25]. Salzburg 1995: Sitzung verschiedenster Organisationen der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Wir diskutieren die Umsetzung eines landesweiten Afrika-Festprogramms mit vielen Kultur- und Diskussionsbeiträgen. Ich schlage vor, daß das Programm besonders auf in Österreich lebenden Afrikanern aufbauen sollte. Durch ihre Sprachkenntnisse könnten diese leichter mit dem Publikum in Kontakt treten, außerdem könnten afrikanische Künstler danach auch besser durch den gestiegenen Bekanntheitsgrad überleben. N.N., Vertreter einer der wesentlichen Organisatoren, der fast ausschließlich berühmte afrikanische Künstler aus Afrika holen möchte, widerspricht. Die in Österreich agierenden afrikanischen Musiker seien nicht mehr authentisch. Frei interpretiert: Wenn Afrikaner sich wandeln und durch Kulturkontakt weiterentwickeln, sind sie keine Afrikaner mehr.

Wir weisen mit Stolz darauf hin, wieviel wir von Ägyptern, Griechen, Römern und Arabern gelernt haben, was zwingend mit gewaltigen kulturellen Transformationen vor sich ging. Fehlt uns die germanische Kultur? Wohl nur wenigen. Wenn es aber Afrika betrifft, denken wir zuallererst nicht an die Chancen des Kulturkontakts, sondern an dessen Risiken. Im Falle Afrikas nehmen wir fast automatisch an, daß Kontakt nicht zu Kulturgewinn, sondern zu Kulturverlust führt. Hätten die Römer so auf uns aufgepaßt wie wir auf Afrika, wären wir heute alle blond, blauäugig und das rückständigste Volk in Europa.

Unverantwortliche Kinder oder Die Anderen sind schuld

Während die Rechte afrikanisches Scheitern als normal und sogar als afrikanisches Merkmal betrachtet, geraten Sympathisierende oft in Erklärungsnot:

Wie erklärt man großflächige Umweltzerstörung durch Afrikaner, wenn man die Idee ihres Lebens im Einklang mit der Natur postuliert? Wie vermittelt man die Existenz der Milliardäre Afrikas, die ihre Staaten durch Korruption und Ausbeutung plündern, wenn Afrikanern eine besonders große soziale Orientierung nachgesagt wird? Wie erklärt man Diktaturen, ethnische Konflikte und Massenmorde, wenn elementare Herzensgüte und Mangel an hinterhältigem Denken als fast schon rassisch determinierte Merkmale angenommen werden? Man erklärt negative Erscheinungen und Entwicklungen daher folgerichtig mit externen Einflüssen. Wenn die von Natur aus Guten Schaden anrichten oder scheitern, dann können nach der implizierten Logik nur Andere dafür verantwortlich sein, die per Definition aus dem Bereich der „Nichtnatur“, also der sogenannten Zivilisation kommen müssen.

Naturzerstörung kann also nur durch den Einfluß der (bösen weißen) Erwachsenen erklärt werden. So sind weder die afrikanischen Regierungen noch die Bauern schuld, wenn die letzteren Regenwälder niederbrennen, um Kakaoplantagen anzulegen, sondern ausschließlich westliche Kakaohändler oder Holzexporteure. An Wilderei sind westliche und östliche Abnehmer schuld, an Nichtaufforstung die mangelnde Unterstützung des Westens, an Überweidung die Brunnenbohrungen der westlichen Hilfsorganisationen[26], an ethnischen Konflikten der Kolonialismus, an Bodenerosion der Kolonialismus (mit z.B. Erdnuß- und Baumwollmonokulturen) und die Marktwirtschaft usw.

Man hätte die Idee des von Außen bedrohten Guten nicht krasser formulieren können als jene Universitätslehrerin, die bei einem von mir organisierten Weiterbildungsseminar im Februar 1993 vor afrikanischen Studierenden in Salzburg sagte: „Wenn irgendwo in Afrika ein korrupter Diktator erscheint, braucht man sich nur zu überlegen, welche europäische Macht ihn eingesetzt hatte.“ Will man Artikel in manchen entwicklungspolitischen Periodika veröffentlichen, hat man mit folgendem Ansatz die besten Erfolgschancen: Man nehme ein beliebiges Problem in Afrika und postuliere, daß es gänzlich durch Modernität und externe Einflüsse verursacht worden wäre. Der Erfolg in Form einer Publikation ist relativ sicher.

Diese Denkweise ist allerdings höchst zweischneidig. Sie versucht Sympathie für Afrikaner zu erwecken und beschreibt sie gleichzeitig als unverantwortliche Kinder, deren Missetaten immer und überall fremdverschuldet sind. Ist es dann erstaunlich, wenn Personalmanager bei der Vergabe qualifizierter Jobs an andere Profile denken und die Eltern von Partnern Vorurteile bezüglich ihrer Überlebensfähigkeit haben?

Ablehnende wie Sympathisierende vereinigen sich seltsamerweise in der paradiesischen Beschreibung des Afrikaners. Für Ablehnende ist es ein Blick mit Verachtung und Stolz darauf, daß man weiter zu sein glaubt, für Sympathisierende ein Blick des Bedauerns auf das, was man glaubt, verloren zu haben. Beiden gemeinsam ist häufig eine Unterschätzung der Fähigkeiten und der Selbständigkeit von Afrikanern sowie deren Verkindlichung.

„Weiße“ Vorurteile nach Ansicht von Afrikanern

1991-93 befragten wir insgesamt 60 Afrikaner, wodurch sie sich besonders abgelehnt fühlen. Afrikaner sehen die von ihnen empfundene Ablehnung der lokalen Gesellschaft primär verursacht durch (siehe Ebermann 1993:10) [27]:

Tabelle 32: Von Afrikanern angenommene Hauptgründe ihrer Zurückweisung

Haben die Österreicher Vorur­teile bezüglich Ihrer …. alle die
meisten
viele wenige niemand weiß nicht Vorurteils­stärke
Hautfarbe 2 20 14 18 4   2,97
Armut 4 13 11 15 8 1 2,81
Denkweise 2 13 14 14 11   2,64
Kultur = kulturelle Distanz   16 11 21 9   2,60
Religion   6 4 17 31   1,74

Hautfarbe und Armut: Als wichtigsten Grund ihrer Zurückweisung nehmen Afrikaner. klassischen „biologischen Rassismus“ an[28]. Schwarz sei als Farbe sehr negativ assoziiert, nicht zuletzt auch durch christliche Einflüsse seien als Schwarze Erkennbare daher automatisch abgewertet[29]. Die Befragung der lokalen Bevölkerung läßt hingegen eher den Schluß zu, daß die Abwertung der afrikanischen Zuwanderer stärker durch Assoziation mit Armut und Problemen, als aufgrund physischer Merkmale erfolgt:

Tabelle 33: Grundassoziationen mit Afrikanern

Einstellungen zu Afrikanern in wesentlichen  Bereichen. Die Befragten… Assoziation von „Afrikaner“ mit … (in %)
  Physis (auch Hautfarbe, n=55[30]) Armut und Probleme (n=56)
… würden Afrikanern qualifizierte Arbeitsplätze eher geben 61,8% 46,4%
.. würden Afrikaner als Nachbarn eher akzeptieren 50,0% 28,6%
… würden Afrikaner als Familienmitglieder eher akzeptieren 38,8% 30,4%

Wer bei Afrikaner an körperliche Merkmale denkt, ist also deutlich häufiger bereit, sie in wesentlichen Integrationsbereichen zu akzeptieren, als Personen, die sie mit Armut und Problemen verbinden. Beide Assoziationen sind dennoch für afrikanische Zuwanderer verheerend, wobei die Ablehnung mit der Intensität des Kontaktbereichs steigt.

Denkweise und Kultur: Kultureller/kulturell-differentialistischer Rassismus[31].

Afrikaner fühlen sich auch wegen der von ihnen vermuteten Geringschätzung ihrer kulturellen und geistigen Eigenheiten stärker abgelehnt. Am negativsten der sehr divergierenden Assoziationen wirkt sich die starke Assoziation von Afrikanern mit Kriminalität aus. 15,7% aller befragten Wiener assoziieren Afrikaner mit Kriminalität.

Das Vorurteil vom Sexualübermenschen Afrikaner ist auch den meisten Afrikanern bewußt. Für kurzweilige erotische Abenteuer hätte man ihrer Ansicht nach als Afrikaner sogar eher Vorteile (Ebermann 1993, n=49).

Tabelle 34: Hautfarbe und Erotik

Die Hautfarbe erleichtert ein kurzfristiges und unverbindliches Verhältnis, wäh­rend sie den Auf­bau einer Liebes- oder Freundschaftsbeziehung erschwert. In der Praxis stellt dieses Vorurteil besonders für afrikanische Frauen am Arbeitsplatz ein Ärgernis dar, da die Häufigkeit sexueller Belästigung steigt. Das Wissen um diese Vorurteile ermutigt manche afrikanischen Männer, oft sehr nachdrücklich Kontakt zu suchen. Die dabei eingesetzte Art und Weise wird von einem Teil der betroffenen weißen Frauen als Respektlosigkeit interpretiert und zerstört für sie weiteres Interesse an afrikanischen Zuwanderern:

„In verschiedene Diskotheken kann ich als blonde Frau gar nicht hineingehen, wenn Afrikaner drinnen sind. Die akzeptieren einfach nicht, wenn ich auf ihre Kontaktversuche mit Nein antworte. Im besten Fall hängen sie sich an Dich wie eine Klette, im schlimmsten Fall beschimpfen sie Dich, Rassist zu sein. Daher meide ich Diskotheken, in denen Afrikaner häufiger zu finden sind. Ich bin froh, wenn ich keinen mehr sehe.“ (I. H., 28 Jahre).

Auf die Frage, ob manche Afrikaner zum schlechten Image von Afrikanern beitrügen, antwortete ein Sechstel der befragten Experten aus den sympathisierenden Bereichen mit „Belästigung von Frauen“ (nur freie Antworten, keine vorgegebenen Antwortkategorien).

Die Untersuchungen des Jahres 2000 zeigten, daß Afrikaner (siehe Kapitel über den Arbeitsmarkt) sich bezüglich Intelligenz wie Arbeitswilligkeit erheblich unterschätzt fühlen.


[1] Von Hilde Weiß liebenswürdigerweise privat zur Verfügung gestellten Daten über Afrikaner.

[2] Bitterli 1970:112

[3] Bitterli, ebda.

[4] 1495 in Granada geboren, 1550 erscheint in Rom seine „Beschreibung Afrikas“.

[5] Zitiert in Bitterli 1970:44.

[6] Bitterli 1970:49

[7] Bitterli  1970:53-59

[8] Michael Adanson, der zwischen 1749-54 den Senegal bereiste, zitiert nach Bitterli 1970:84.

[9] Übersetzt nach einem französischen Originalzitat in Bitterli 1970:84.

[10] Vortrag von Werner Schwarz am Wiener IFK über „Anthropologische Spektakel und die Repräsentation des „Primitiven“, zitiert in der Presse vom 27.10.2001.

[11] Golbéry 1785, zitiert in Bitterli 1970:85

[12] Son âme ne sort presque jamais de sa paisible indolence, les inquiétudes, les allarmes, les passions violentes lui sont presque entièrement inconnues, son fatalisme fait, qu’il ne craint ni n’espère aucun événement, que sans murmure, il se soumet à tout, et sa vie se passe dans le calme, dans une voluptueuse nonchalance, qui font son suprême bonheur  (Golbery S. M. X. Fragmens d’un voyage en Afrique, Band II, p. 347, zitiert in Bitterli 1970 :85)

[13] Ce peuple qui n’ambitionne pas de richesse, qui a tout dès qu’il a de quoi vivre la journée, qui n’a aucun frais à faire, soit pour son logement, soit pour son habillement, ne travaille qu’autant qu’il est nécessaire pour se procurer sa subsistance.. Abbé Demanet. Nouvelle Histoire de l’Afrique française. Paris 1767, zitiert in Bitterli (1970:100).

[14] Beispiele aus den mit Afrikanern verbundenen Assoziationen im Rahmen dieser Studie

[15] Wiener Dialekt: verloren im Leben, herumschwankend, ungeschickt, unfähig

[16] Aus zahlreichen eigenen Erlebnissen aus einem Jahr Erfahrung als Reiseleiter in Tansania 1979/80 bzw. in Nigeria, Benin, Togo 1981.

[17] Abt Denamet in seinem Buch « Nouvelle Histoire de l’Afrique française », 1767, zitiert in Bitterli 1970:101: La luxure ennemie universelle du genre humain, est telle chez les Nègres qu’ils se la croient permise, et, par-là, elle forme le plus grand obstacle à leur conversion. 

[18] Nach der vorliegenden Studie halten 21,7% der befragten Wiener Afrikaner für nicht intelligent oder weniger intelligent als andere, z.B. Japaner. Dies deckt sich mit Umfragen von Hilde Weiß, in welcher 19% der Befragten Farbige für nicht intelligent hielten (H. Weiß. Stereotyp und Attribution ethnischer Gruppen in Österreich: Komponenten des Vorurteils und soziale Hintergründe. Projektbericht. Wien 2000).

[19] Newsweek 24.10.1994. S. 30-38.

[20] Diese Diskussion wurde auch in österreichischen Qualitätszeitungen von sonst sehr verantwortungsvollen und kritischen Journalisten in Artikelserien weitergeführt und nach vielen Protesten beendet.

[21] Siehe z.B. den Spiegel-Titel  im Jänner 1994: „Braucht Afrika eine neue Kolonisation?“

[22] Deutlich verkörpert z.B. im Film „Die Götter müssen verrückt sein“ (1989) über die Khoisan in Südafrika, in welchem behauptet wird, daß diese kein Wort für Diebstahl kennen.

[23] Zitiert in Bitterli 1970:91

[24] In einer Podiumsdiskussion im AAI 1995 diskutierten wir das „richtige Verhalten“ von Fremden in anderen Kulturen. Es wurde offensichtlich, daß oft die gleichen Personen als Fremde im Süden eine komplette Zurückhaltung und Anpassung befürworten (Assimilation), was sie bei Fremden im Norden strikt ablehnen würden.

[25] „Afrika ist kein geschichtlicher Weltteil, es hat keine Bewegung und keine Entwicklung aufzuweisen, und was etwa in ihm, das heißt in seinem Norden geschehen ist, gehört der asiatischen und europäischen Welt zu .. Was wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose und Unaufgeschlossene, das noch ganz im natürlichen Geiste befangen ist, und das hier bloß an der Schwelle der Weltgeschichte vorgeführt werden mußte“ (Hegel 1949:144f).

[26] Afro-Asiatisches Institut 1992. Bei einer Podiumsdiskussion über die Rio-Umweltkonferenz bemüht ein Universitätslehrer für Nord-Süd-Fragen das Schlagwort von den Naturvölkern, die in Einklang mit der Natur leben. Ich kritisiere diese Ansicht und meine, daß die Veränderung eines einzigen Parameters genügt (wie z.B. die Beschleunigung der Bevölkerungszunahme), um die gleichen „bewahrenden“ Kulturtechniken wie Wanderfeldbau auf einmal zerstörerisch zu machen. Leben in Einklang mit der Natur ist nicht der Erstzustand, sondern das Ergebnis von Lernprozessen nach verursachten Katastrophen. Nach der Diskussion zieht mich eine Universitätskollegin zur Seite: Ich hätte recht, aber man könne das nicht in der Öffentlichkeit sagen.

[27] Ebermann 1993

[28] Nach Miles (1991:105): „Bedeutungskonstruktion einer oder mehrerer biologischer Merkmale als Kriterium für die Bezeichnung einer Kollektivgruppe in der Weise, daß ihr ein naturgegebener, unwandelbarer Ursprung und Status und von daher eine ihr innewohnende Differenz anderen Gruppen gegenüber zugeschrieben wird. Es muß, mit anderen Worten, ein Prozeß der Rassenkonstruktion stattfinden. Zweitens müssen der so bezeichneten Gruppe zusätzliche, negativ bewertete Merkmale zugeschrieben werden und/oder sie muß so dargestellt werden, daß sie negative Konsequenzen für irgendeine andere Gruppe verursacht.“

[29] Siehe dazu auch die Diskussion der Assoziationen mit Schwarz auf S. 385

[30] Die Zahl der Antwortenden schwankte bei den Fragen zwischen 50 und 55 Personen.

[31] Nach Balibar (1990:28) Rassismus, „dessen vorherrschendes Thema nicht mehr die biologische Vererbung, sondern die Unaufhebbarkeit der kulturellen Differenzen ist; eines Rassismus, der – jedenfalls auf den ersten Blick – nicht mehr die Überlegenheit bestimmter Gruppen oder Völker postuliert, sondern sich darauf beschränkt, die Schädlichkeit jeder Grenzverwischung und die Unvereinbarkeit der Lebensweisen und Traditionen zu behaupten.“

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