Afrikaner in wichtigen Lebensbereichen
Die Gesellschaft, in die sie kamen … Afrikaner in verschiedenen Lebensbereichen
In der Folge werden die Einstellungen und Erfahrungen von Afrikanern in verschiedenen Lebensbereichen diskutiert, vermischt mit den Einschätzungen und Erfahrungen der Mehrheitsgesellschaft.
Diese Bereiche sind:
- Afrikaner auf dem Wohnungsmarkt
- Afrikaner auf dem Arbeitsmarkt
- Afrikaner und die Behörden
- Liebe und Freundschaft zwischen Schwarz und Weiß
Der Traum von Europa – die Fahrt ins Blaue
Afrikaner erleben Europäer in Afrika vor allem als Privilegierte, Reiche und Helfer: in teuren Hotels, deren Tageskosten mitunter dem Mehrfachen eines lokalen Monatsgehalts entsprechen; in oft blendend bezahlten Jobs im Entwicklungsbusiness und auch bei den einfachen Grass-Root-Entwicklungshelfern zumindest als Helfende. Mitunter resultiert dies in erstaunlichen Erwartungshaltungen und Urteilen, wie ich bei soziologischen Studien in einem kleinen westafrikanischen Dorf 1991 feststellte[1]:
Tabelle 47: Wer hilft afrikanischen Bauern? (n=64 Afrikaner)
Frage |
Ja |
Nein |
Bemüht sich die Regierung, den Bauern aus ihrem Elend herauszuhelfen? |
3 |
61 |
Bemühen sich die Europäer, den Bauern aus ihrem Elend herauszuhelfen? |
64 |
0 |
Die daraus erkennbare Mystifizierung der Europäer und Verdrängung der oft sehr unliebsamen Seiten der Kolonialzeit ist nur mit der gewaltigen Enttäuschung über die Performance und Integrität eigener Regierungen sowie über die wirtschaftliche und politische Entwicklung erklärbar. Besonders Landbevölkerungen wurden oft von den modernen Eliten strukturell stark benachteiligt; städtische Eliten, die häufig offene Mißwirtschaft und Korruption im Interesse weniger betrieben… Da entwickeln sich mitunter nostalgische Gefühle, die durch keinerlei historische Erfahrungen gerechtfertigt sind.
Umweltzerstörung, postkoloniale Abhängigkeitsverhältnisse, in vielen Ländern zunehmende innenpolitische Konflikte bis zum Bürgerkrieg führen dazu, daß viele Jüngere in ihrer Region keine Perspektiven mehr sehen und – angelockt von oft irrealen Vorstellungen – ihr „Paradies“ in Europa suchen. Ein kleiner Teil von ihnen gelangt auch nach Österreich. Österreich ist von vornherein weder sprachlich noch kulturell ein Wunschland, da zu wenig bekannt und sprachlich zu verschieden von den (europäischen) Nationalsprachen Afrikas, aber es ist Teil des reichen Europa. Findet man in Österreich Auffangstrukturen vor, wie durch Familienmitglieder oder Freunde, so steigt die Wahrscheinlichkeit der
Zuwanderung. Man reist mit hohen Erwartungen und auch Verpflichtungen nach Europa:
- Man nahm Weiße in Afrika fast ausschließlich als Menschen ohne materielle Probleme wahr: Europa mußte deshalb bedingungslos reich sein und eine
Region, in der jeder zu Wohlstand kommt; - Darüber hinaus erfuhr man – durch Entwicklungszusammenarbeit, Missionare, Katastrophenhilfe und über Erzählungen – auch oft Hilfsleistungen durch Weiße. Warum sollten also Weiße in Europa weniger hilfsbereit sein?
- Die Heimkehrer aus Europa vermieden Berichte von frustrierenden Erfahrungen in Europa, weil sie sich zuhause als erfolgreich präsentieren wollten.
- Die Familie investierte enorme Mittel in die Reise und erwartet sich dementsprechende materielle Gegenleistungen. Der afrikanische Zuwanderer wird fast zu einer Art Aktie, mit der viele Spekulationen und Hoffnungen verbunden sind.
Mit diesen Erwartungen und einer großen Last auf den Schultern landen die afrikanischen Zuwanderer in Europa. Hier stellt sich bald vieles als Seifenblase heraus. Fast alles ist anders:
- Europa ist zwar reich, aber der Reichtum ist oft sehr ungleich verteilt. Es gibt sogar Menschen, die auf den Straßen und unter Brücken schlafen;
- Es gibt zwar Jobs, aber auch viele Arbeitslose;
- Viele legale Beschränkungen machen es Afrikanern fast unmöglich, im Lande bleiben und arbeiten zu dürfen. Die meisten afrikanischen Zuwanderer erhalten keine legale Arbeitserlaubnis und müssen – wollen sie im Land bleiben – in Grauzonen abtauchen;
- Afrikanische Success-Stories in Europa stellen sich oft als Notlügen heraus;
- Wo es Arbeit für afrikanische Zuwanderer gibt, liegt sie meist weit unter deren Qualifikation und wäre für sie im Heimatland unakzeptabel;
- Man merkt auch nichts von der erhofften Hilfsbereitschaft der Weißen, hingegen ist man mit einer starken beruflichen wie privaten Ablehnung und Unterschätzung der afrikanischen Zuwanderer konfrontiert.
Die Zuwanderer kommen in einem Jahrzehnt nach Österreich, in welchem sich – nicht zuletzt ausgelöst durch eine starke Einwanderungswelle zu Beginn der 90er-Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer – eine starke Aversion gegen neue Zuwanderung herausbildete. Vorbei ist die Zeit, als – auch durch ihre damals verschwindend kleine Zahl – afrikanische Zuwanderer als liebenswürdige Exoten galten. Afrikaner sind wegen ihrer Hautfarbe als optisch klar erkennbare
Fremde oft auch das sichtbarste Symbol unerwünschter Zuwanderung. Durch ihre kulturelle und intellektuelle Unterschätzung haben sie – falls sie eine Arbeitsgenehmigung erhalten – trotz ihrer überdurchschnittlichen Bildung
nur geringe Chancen auf dem Wiener Arbeitsmarkt. Vor ihnen liegen bereits anfangs gewaltige rechtliche Hürden, die nur wenige meistern.
[1] Nkorongoji/Mali 1991. Ebermann Erwin. Unveröffentlichte Studie über die Entwicklung eines
kleinen Dorfes.