Afrikaner und Österreicher: Fragmente einer Beziehung

(Artikel in 1996. In ‚Das afrikanische Wien‘.  Walter Sauer (Hg). 1996/41-64. (hier als PDF)

AFRIKANER UND ÖSTERREI­CHER

Fragmente einer Beziehung

Erwin Ebermann1

In diesem Artikel werden die Beziehungen zwischen in Österreich lebenden Afrikanern aus Afrika Südlich der Sahara und Österreichern beschrieben. Der Beitrag stützt sich auf die Ergebnisse einer quantitativen wie qualitativen Umfrage von 1991-1993 unter insgesamt 86 Menschen aus Afrika Südlich der Sahara über ihre Lebenssituation in Wien und ihre Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung2.

A.             Woher kommen sie und wer sind sie?

Herkunft und Anzahl der in Österreich lebenden Afrikaner/innen3

In Österreich leben etwa 10 000 Menschen subsaharanischer Herkunft. In der afrikanischen Bevölkerungsgruppe sind Männer etwa 5x häufiger als Frauen. Die beiden bedeutendsten Nationalitäten sind Nigeria und Ghana. Etwas mehr als die Hälfte der Afrikaner/innen stammt aus Westafrika, etwa 1/3 aus Ostafrika, ein Zehntel aus Zentralafrika. Ungefähr 2/3 kommen aus Städten, nur 1/3 vom Land. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da in afrikanischen Städten eher als in ländlichen Gebieten Afrikas die teilweise erheblichen Mittel für den Transport nach Europa aufzutreiben sind.

Die Sprachgewandtheit unserer Gäste

Nach eigenen Angaben sprechen unsere afrikanischen Gäste im Schnitt 5,2 Sprachen. Selbst wenn der eine oder andere leicht übertrieben haben sollte, bleibt doch eine erstaunliche durchschnittliche Sprachgewandtheit, die angesichts der sprachlichen Situation Afrikas durchaus möglich erscheint4.

Die soziale Herkunft unserer afrikanischen Mitbürger/innen:

Gerade weil unsere afrikanischen Mitbürger/innen oft pauschal als arm abgetan werden, überrascht ein Blick auf die Berufe und Einkommenssituation ihrer Eltern in Afrika. Als Berufe der Eltern wurde u.a. angegeben: Bankier, Ärzte, Diplomat, ehemaliger Außenminister, Finanzminister, Großgrundbesitzer, Baumeister, Juwelier, Rechtsanwalt, Universitäts­professor u.a. Verblüffend waren u.a. auch die Summen, die für verschiedene Studierende zur Unterstützung des Studiums monatlich aus Afrika zu kommen scheinen. Diese gingen in Einzelfällen erheblich über das Höchststipendium (8500,– monatlich) hinaus. Etwa 40% der befragten Personen kommen wegen des Berufs oder/und seiner Unterstützung aus Afrika vermutlich aus der afrikanischen Oberschicht/Elite. Nur 1/6 der Befragten läßt sich eindeutig der Unterschicht zuordnen.

B.             Einige Details zu ihrer Lebenssituation in Wien/Österreich

Arbeit: Etwa 4000 Afrikaner haben eine Arbeitsgenehmigung. 46% der Befragten gaben an, in Österreich zu arbeiten, 19,2% der befragten Arbeitenden waren arbeitslos.  Die meisten Befragten litten darunter, daß sie keinen ihrer Ausbildung angemessenen Beruf ausüben konnten: 60,7% gaben unqualifizierte Arbeiten als in Österreich ausgeübte Berufe an. Auffallend ist, daß Afrikaner/innen meist in Unternehmen arbeiten, welche einen größeren Ausländeranteil aufwiesen: 40% der Afrikaner/innen gaben an, in ihrer Firma mehrheitlich ausländische Arbeitskolleg/innen zu haben. Die arbeitenden Afrikaner/innen verdienten nach Eigenangaben durchschnittlich S 10.143,– /Monat, die Nichtarbeitenden konnten durchschnittlich über  öS 7.057,– verfügen.

 Studium: 736 Afrikaner studieren 1995/96 (laut ÖFSE) offiziell in Österreich.

Wohnsituation: Es gibt keine afrikanischen Ghettos in Wien. Der in der Befragung am häufigsten genannte Wohnbezirk ist der 3. Bezirk, in welchem etwa 14% der Befragten leben. Etwa 1/5 der Afrikaner wohnt in den Nobelbezirken (1., 13., 18. bzw. 19.), dies entspricht in etwa dem Prozentsatz, der in eher abgewohnten Bezirken mit niedrigem Wohnwert und bekannt hohem ausländischem Mieteranteil lebt (wie z.B. dem 15. Bezirk). Der Rest der Afrikaner/innen wohnt in Bezirken durchschnittlicher Attraktivität.

AFRIKANER/INNEN IN WIEN UND IHR VERHÄLTNIS ZUR HIESIGEN BEVÖLKERUNG

A.             Von der O.K.Gesellschaft in die Ellbogengesellschaft

Afrikaner kommen häufig aus Gesellschaften mit geringer sozialer Absicherung. Hohe strukturelle Arbeitslosigkeit in den Städten, periodische Dürren in vielen Gebieten Afrikas mit sich daraus ergebenden sehr unterschiedlichen Ernteerträgen, eine vor allem im ländlichen Afrika immer noch sehr hohe Kindersterblichkeit u.a. gehen einher mit einem nahezu völligen Mangel an staatlichen Strukturen, welche im Notfall Unterstützung geben könnten. Daraus ergeben sich verschiedene Einstellungen und Notwendigkeiten:

Gemeinschaftssinn und Solidarität:

Die gesellschaftliche Solidarität innerhalb von Gruppen muß erhalten und verstärkt werden (heute habe ich Arbeit und helfe Dir, morgen bin ich arbeitslos und Du hilfst mir). Um dieses System aufrechtzuerhalten, sind stabile zwischenmenschliche Beziehungen notwendig, die gepflegt werden müssen und bei denen der gegenseitige Respekt kontinuierlich gezeigt werden muß, z.B. durch häufige gegenseitige Besuche oder aber auch durch Gesten, die bei uns mitunter dramatisch falschverstanden werden:

In den meisten afrikanischen Gesellschaften darf ein Jüngerer oder sozial Unterlegener dem Älteren, Angesehenen nicht ins Gesicht starren, ihm also nicht unentwegt ins Auge blicken. Im Westen wird das Nicht-ständig-ins-Auge-blicken aber als Unehrlichkeit interpretiert, obwohl der Afrikaner es als Respektsbezeugung beabsichtigte.

Eng damit zusammen hängt auch

    • Die „Ich bin OK, du bist OK“-Einstellung

Bei Gesprächen von Afrikaner/innen läßt sich oft folgendes beobachten: Person A erzählt etwas und wird sich bemühen, stets nur in Halbsätzen zu sprechen, dann kurze Pausen zu lassen, in welchen Person B eine Rückbestätigung in Form einer Zustimmung gibt. Während der ganzen Erzählung wird meist immer nur zugestimmt, oft auch noch pauschal nach dem Ende der Erzählung, erst dann kommen die Einschränkungen. Daraus ergibt sich eine Atmosphäre „Ich bin O.K., du bist O.K.“, die für zwischenmenschliche Beziehungen sehr günstig ist. Beispiel:

A: Musa, gestern habe ich einen Freund getroffen. B: Schön. A: Ich habe mit ihm früher gemeinsam in einer Wohnung gewohnt. B: Hmm. A: Wir haben uns immer sehr gut verstanden. B: Sehr schön. usw.

Der Mangel an konstanter Rückbestätigung im Gespräch kann Afrikaner/innen anfangs verunsichern.

Afrikanische Gesellschaften sind oft relativ klein und v.a. im ländlichen Gebiet auch von einem langsamen technischen Wandel geprägt. Das Wissen des Einzelnen veraltet daher auch nicht so schnell wie in westlichen Industriegesellschaften.  Alte Menschen genießen deshalb in Afrika nach wie vor großen Respekt, weil sie aufgrund ihrer Erfahrung auch wirtschaftlich wertvoll sind. Durch diesen langsameren technologischen Wandel in Verbindung mit ihrer Einbindung in Solidaritätsnetze kommen Menschen auch langsamer an die Spitze der Gesellschaft oder werden auch langsamer an deren Rand gedrängt, d.h. der Status eines Menschen verändert sich weniger schnell und leicht als bei uns, wo man angeblich sehr leicht vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann und vermutlich auch wiederum leicht vom Millionär zum Tellerwäscher. Daraus ergibt sich in Afrika eine Art Mindestrespekt vor dem unbekannten Anderen, um den dieser anfangs nicht kämpfen muß.

-> Freieres Verhalten durch rigidere Statusvergabe und umgekehrt

Der Person wird dadurch – mit einem deutlichen Altersbonus, wenn er älter ist – ein gewisser Prestigevorschuß zuteil. Diesen Bonus kann er nur in bescheidenen Maße und nur recht langsam ver­größern bzw. verkleinern. Dies führt dazu, daß er im Gespräch und in seinem sonstigen Aus­drucksverhalten auch freier agieren kann, weil sein Risiko, die Achtung des Andern zu verlieren, wesentlich geringer als das eines Euro­päers ist. Er kommt weniger schnell auf der sozialen Leiter nach oben, aber auch weniger schnell nach unten. Ist es Zufall oder Genetik, wenn Afrikaner sich z.B. auf der Tanzbühne meist sehr viel expressiver, ungezwun­gener verhalten als Westeuropäer? Bei uns ist der erste, oberflächliche Kontakt oft einem Kräf­temes­sen gleichzusetzen. Visitkarten werden präsentiert, aus denen der Status hervorgeht und die häufig – mit Angabe von Titeln und Funktionen – zeigen sollen, daß man dem anderen überlegen ist. In der folgenden Unterhaltung, meist eigentlich Diskussion, mitunter sogar Wettkampf, will man dem Anderen möglichst be­wei­sen, daß man ihm zumindest gleichwertig, wenn nicht überlegen ist. Durch die Gefahr, nicht dem eigenen Wert entsprechend eingestuft zu werden, liegt die Taktik oft pri­mär darin, Fehler zu vermeiden und nur das scheinbar Sattelfeste zu präsentieren, was ein erheblich redu­ziertes Ausdrucksspektrum zur Folge hat, ob in Witz, ob in Gestik, ob in Mimik. Ist es unlogisch, daß ein Österreicher gehemmt tanzt, wenn er damit rechnen muß, daß ein Zuseher zu seinem Ge­sprächspart­ner sagt: „Schau Dir den an, wie blöd der tanzt!“? In Afrika hingegen (auch in südeuropäischen Ländern) klatscht man begeistert in die Hände, wenn ein Kind einmal etwas Neues ausprobiert. Insofern hat die westliche Flexibili­tät bei der Statusvergabe Rigidität des Verhaltens zur Folge, während es bei vielen Afrikanern umge­kehrt zu sein scheint. Dieses Nichtverzeihen von Fehlern von Seiten der Österreicher stellt für viele Afrikaner ein Problem dar und verunsichert sie.

Positives Denken:

Der Mangel an der vorhin geschilderten existentiellen Absicherung führt zu einem in Afrika weitverbreiteten psychischen Schutzschild, einer Art „Die Flasche ist halbvoll, nicht halbleer“-Mentalität. In westlichen Gesellschaften glauben wir, und dies hält unser Wirtschaftssystem in Gang, alles haben zu müssen, um glücklich sein zu können. Der Partner muß perfekt sein, die Wohnung repräsentativ, das Auto beeindruckend und wir glauben auch tatsächlich, dies alles erreichen zu können und zu müssen. Daher blicken wir eher darauf, was uns noch fehlt und so ist die „Die Flasche ist halbleer“-Einstellung bei uns in gewissem Sinne logisch und systemerhaltend. In Afrika hingegen ist man häufig schon froh, wenn eine schwierige Situation sich nicht zu einer Katastrophe ausartet, weil man sich gegen letztere oft nicht mehr wehren könnte.

In Grußsituationen zeigt sich dieser afrikanische Wille zum Positiv-Sehen oft überdeutlich. Das Leben ist prinzipiell in Ordnung, wobei es einige Einschränkungen geben mag. Ein in Westafrika beobachtetes Beispiel:

A: Musa, wie geht’s Dir.                            B: Gut, Isa.

A: Wie geht’s Dir bei der Arbeit?                            B: Gut, Isa. Leider habe ich sie verloren.

Die Tendenz in unserer Gesellschaft, das Negative überzubetonen, erweckt in Afrikaner/innen mitunter den Eindruck einer freudlosen Gesellschaft.

B.              Die Sichtweise der Österreicher über die Afrikaner

In Österreich lebende Afrikaner sehen sich mit einer Fülle von Einstellungen ihnen und ihrem Kontinent ge­gen­über konfrontiert, die sich in unterschiedlichen Bereichen äußern können. Sie zeigen sich unter anderem  in den Bezeich­nungen, die für Afrika und seine Menschen und Religionen verwendet werden; in der Berichter­stat­tung der Medien und in verschiedenen Arten zwischenmenschlicher Beziehungen.

1.               Die für Afrika und Afrikaner verwendeten Bezeichnungen

Die richtige Bezeichnung für Menschen aus anderen Kulturen erleichtert oft den Kontakt mit ihnen, die falsche kann dazu führen, daß sich diese Menschen verletzt oder unverstanden fühlen und für ein Gespräch nicht mehr offen sind. Wir wollten herausfinden, welche Bezeichnungen Afrikaner selbst als verletzend und welche sie als ak­zeptabel empfinden. Die schon länger in diesem Bereich arbeiten, werden von den meisten Ergebnissen nicht über­rascht sein. So war natürlich eine heftige Zurückweisung des belasteten Ausdrucks ‚Neger‘ vorauszuse­hen. Wichtig erscheint mir dennoch, daß die unter einer größeren Zahl von Afrikanern aus verschiedenen Re­gionen des Kontinents erhobenen Wertungen eine wesentliche Argumentationshilfe bei Diskussionen bieten. Wer kennt sie nicht, die behaupten, einen Afrikaner zu kennen, der den Ausdruck ‚Neger‘ als akzeptabel be­zeich­net? Amüsant mag höchstens sein, daß die, die so sprechen, scheinbar alle den gleichen Afrikaner ken­nenge­lernt haben. Denn nur ein Afrikaner in der Befragung akzeptierte den Ausdruck „Neger“, während ihn alle anderen bedenklich fanden, die allermeisten sogar als verletzend einstuften.

Auch wenn bestimmte Ausdrücke per se bereits als verletzend aufgefaßt werden, versuchen – nach unseren In­terviews – die meisten Afrikaner sehr wohl herauszuhören, ob der Ausdruck „Neger“ mit Absicht oder aus Unwissen gewählt wurde. Es ist bekannt, daß die Bezeich­nung ‚Neger‘ von Afrikanern mit dem englischen Wort „Nigger“ und folg­lich mit der Sklavenzeit as­soziiert und daher als äußerst verletzend empfunden wird. ‚Farbiger‘ wird von einigen als etwas un­gewohnt einge­stuft. Weitgehend akzeptiert werden die mit der Nennung der (natürlich verallgemeinern­den) Körperfarbe verbundenen Bezeichnun­gen ‚Schwarzafrikaner‘ und ‚Schwarzer‘. Afrikaner selbst schlagen – falls keine genauere Spezifikation erfor­derlich ist – meist den unge­nauen Aus­druck ‚Afrikaner‘ vor.

Um zu untersuchen, inwieweit der Ausdruck ‚Neger‘ überhaupt noch verwendet wird, haben G. Slezak, B. Frislovics und H. Trauner insgesamt etwa 50 Personen bezüglich der Wahl der Bezeichnungen für Afrikaner befragt. Etwa 90% aller Befragten akzeptieren den Ausdruck in Gesprächen, etwa ein Viertel verwen­det ihn aktiv weiter und nur etwa ein Zehntel weist diese Bezeichnung eindeutig zurück. Viele Österreicher sind verunsichert, welchen Ausdruck sie verwenden sollen. In den Medien wird ‚Neger‘ kaum mehr verwendet. In einer zweiwöchigen Untersuchung über die Afrikaberichterstattung von Krone, Kurier und Presse fand sich nur in den Aussagen von Interviewten, nicht aber in Kommentaren eine Verwendung dieser Be­zeichnung.

Hingegen überrascht es nicht, daß eine große Mehrheit der Afrikaner den Ausdruck ‚Schwarzer‘ bzw. ‚Schwarzafrikaner‘ eher akzeptiert, gibt es doch auch in der Mehrzahl afrikanischer Sprachen farbbezo­gene Kategorisierungen von Menschengruppen: z.B. in der Bambarasprache Malis für den Europäer /farajè/ ‚Weißhaut‘ bzw. /tulobilènin/ ‚kleines rotes Ohr‘, /farafin/, ‚Schwarzhaut‘, für den Afrikaner oder in der Nord­samosprache Burkina Fasos /seeci/ ’schwarzer Mensch‘ für Afrikaner bzw. /seefu/ ‚weißer Mensch‘ für den Eu­ropäer etc.

Weiters wurde abgefragt, wie Bezeichnungen für die Herkunftsregionen der Afrikaner/innen beurteilt werden. Während es kaum erstaunt, daß der Ausdruck ‚unzivilisiertes Land‘, der ja eindeutig Lebensformen als minderwertig beurteilt, am meisten abgelehnt wird, überrascht doch, daß ‚armes Land‘ negativer gesehen wird als ‚unterentwickeltes Land‘. Dazu mag beitragen a) die ständige Kata­stro­phenberichterstattung der internationalen Medien über Afrika (siehe auch Einschätzung der Medien) führt zu einer extremen Übersensibilisierung in diesem Bereich. Man hat es satt, daß Afrika immer nur von seinen Schwä­chen her gezeigt wird, auch wenn der Gesprächspartner viel­leicht damit nur Solidarität ausdrücken will; b) Armut ist auch in Afrika Anzeichen für Scheitern, für gesell­schaftliche Unter- und Überordnung und insofern auch Maßstab für die Über- und Unterlegenheit von Kulturen und Personen. Die fol­genden Sprichwörter aus der Kultur der Bambara in Mali zeigen, daß Arme auch in Afrika kein sonder­lich großes Prestige genießen:

faantan nana dinyèsen minè a wòròbagaw ye. Der Arme ist in die Welt gekommen für die, die den Rahm der Welt abschöpfen = der Arme wird zum Diener der Anderen, die den Rahm seiner Arbeit abschöpfen.

faama ka gwèsè ye faantan ye. Der Arme ist die Zahnbürste der Reichen (der mit ihm macht, was er will).

c) die Messung des Entwicklungsstands von Nationen am Bruttonationalprodukt pro Kopf ver­stärkt natürlich den Eindruck, daß ein materiell Armer gleichzeitig unterentwickelt ist. Der oft solidarisierende Hinweis auf die Armut kann daher auch als Andeutung auf einen niedrigeren Entwicklungsstand gesehen wer­den.

Der Ausdruck ‚Entwicklungsland‘ wird weit nicht so negativ beurteilt wie ‚unterentwickeltes Land‘, da er – weil vielleicht weniger Unterordnung ausdrückend – als weniger wertend empfunden wird. Der unspezifische und auch vielfach unpräzise oder falsche Ausdruck ‚Land des Südens‘ sowie der rein wirtschaft­liche Ausdruck ‚Nichtindustrieland‘ werden hingegen eher akzeptiert. Die Befragten schlagen selbst meist die Nennung des Landesnamens vor, aber auch häufig den Ausdruck ‚Drittweltland‘.

2.               Die Afrika-Berichterstattung in den österreichischen Medien

Ihren wahren kulturellen Stellenwert in unserer Gesellschaft erfahren Fremde besonders durch die Medienberichterstattung über ihre Herkunftsregion. Sie erfahren in ihr und ihrer Frequenz, was für die Mehrzahl der Bürger interessant bzw. uninteressant ist, worin die Charakteristika und wo der Wert der Kultur gesehen wird.

Die Beurteilung der österreichi­schen Me­dienberichterstattung über Afrika durch Afrikaner fällt überwiegend negativ aus. Am besten, trotz leicht negativer Ge­samtnote, schneidet der Standard vor der Presse ab, ziemlich schlecht der ORF, der andererseits den größ­ten Bekanntheits­grad genießt. Als ex­trem ne­gativ und groß­teils ver­let­zend wird die Afrikabe­richt­erstattung der Kronenzei­tung eingestuft. Besonders kritisiert wird an der Berichterstattung der Zeitungen:

a) Am häufigsten wird die äußerst negative Darstellung Afrikas kritisiert, d.h. daß fast ausnahmslos von Katastrophen in Afrika berichtet wird, aber kaum jemals von seinen schönen und konstruktiven Sei­ten. Damit wird das Bild eines verarmten und stets von Almosen abhängigen Konti­nents erzeugt;

b) oft wird den Journalisten bewußte bzw. unbewußte Fehlinformation unterstellt: Sie werden kritisiert, zu einseitig zu berichten und nicht alle Facetten zu beleuchten; Vorurteile ungeprüft weiter­zu­geben und zu verstärken; allzusehr zu verallgemeinern; aus Absatzgründen eher das Sensationelle zu betonen und dabei mitunter auch die Realität ein wenig zurechtzubiegen etc.;

c) zu oberflächlich und inkompetent zu sein, weil sie selbst zu wenig über Afrika wüßten bzw. den Kontinent nicht ernst nähmen.

G. Slezak und H. Trauner untersuchten im Herbst 1992 einige Wochen lang, inwieweit die Berichterstattung in Krone, Kurier und Standard dieses harte Urteil der Afrikaner rechtfertigt. Sie kamen auf etwa 70% katastrophenabhängige Be­richterstattung in allen drei Zeitungen. Die Unterschiede in der Berichterstattung lagen somit weniger in der Themenwahl, denn in der Art und Qualität der Darstellung desselben. Dort, wo der größte Prozentsatz an katastrophenunabhängiger Berichterstattung beobachtet wurde (im Kurier), fällt ihr seitenmäßiger Umfang auch be­sonders klein im Verhältnis zur katastrophenabhängigen aus, d.h. daß ein Artikel über eine Katastrophe meist wesentlich umfangreicher als etwa eine Berichterstattung über Landeswahlen ist.

Das äußerst negative Urteil der Afrikaner über die österreichische Medienlandschaft läßt verständlich er­schei­nen, warum ein relativ großer Teil von ihnen regelmäßig zu ausländischen Zeitungen greift. Das wiederum er­schwert aber ihre Integration, weil ein Teil unserer Werte auch über die Zeitungsmedien weitergegeben wird.

3.               Die Reaktionen der Österreicher auf den Schwarzafrikaner

Wer aus einer anderen Kultur stammt, nimmt ein Bündel von Eigenheiten mit, die unterschiedlich beurteilt wer­den. Zum Beispiel mag bei Moslems in erster Linie die Religion und erst in zweiter das Aussehen mit Mißtrauen betrachtet wer­den. Wie fühlen sich Afrikaner in unterschiedlichen Bereichen geschätzt oder abgelehnt?

a)                Allgemeine Einschätzung:

Auf die Frage, weswegen die Österreicher Afrikanern gegenüber besonders Vorbehalte hätten, antworteten die Befragten mit  (in absteigender Rangordnung):

a) die Hautfarbe: nach Ansicht der Afrika­ner wer­den sie zuerst we­gen ihrer Hautfarbe und der damit as­soziierten Vor­stel­lungen abge­lehnt. Jedoch wissen Afri­kaner durchaus zu unter­scheiden, in wel­chen Berei­chen die Haut­farbe von Vor- bzw. von Nachteil ist;

b) nur knapp dahinter folgt die Assoziie­rung der Afri­kaner mit Armut, mit der Rolle von ‚hilfsbedürftigen Personen, die stets fremder Un­terstützung be­dürfen‘. Afrikaner, die über mehr als 11000,– ö.S. mo­natlich verfügen, sind deut­lich weniger dieser Ansicht. Dies hängt wohl mit einer anderen Art des Auf­tretens, der Kleidung usw. zusammen. Man muß sich geradezu fragen, ob durch den ständigen Hin­weis auf die Armut des Kontinents nicht ein erhöhter Druck auf Afrikaner gegeben ist, durch die Anhäu­fung verschiedener Statussymbole zu beweisen, daß der Kontinent nicht so bemitleidenswert arm ist wie be­richtet;

c) die Denkensweise;

d) die Kultur;

e) in religiöser Hinsicht fühlt sich die Mehrheit der Afrikaner durchaus respektiert, doch gilt es zu be­rücksichtigen, daß der Großteil der in Wien lebenden Afrikaner christlichen Glaubens ist. Etwas weni­ger als 1/4 der befragten Afrikaner sind Moslems. Diese beurteilen die hiesige religiöse Toleranz we­sentlich kritischer: Während nur 7% der Christen der Meinung sind, daß der Großteil der Österreicher Vorbehal­te wegen der Religion der Afrikaner hätten, sind ungefähr die Hälfte der Moslems dieser An­sicht.

b)                In Beziehungen erscheinende Vorurteile

Afrikaner zu sein ist in vielen Beziehungsarten hinderlich, in manchen sogar förderlich. Gerade in längeren Beziehungen wie Freundschaft oder Liebe kommt es vermehrt zur Ablehnung der Afrikaner. Hautfarbe in Verbindung mit dem Vorurteil der Armut führen häufig zur Einstufung als potentieller Sozialfall, weswegen oft auch ein größerer Widerstand der Eltern bzw. des familiären Umfelds der Partner ge­gen eine Liebesbeziehung zu bemerken ist. Dem Autoren ist z.B. ein Fall bekannt, wo die Eltern Druck auf den finanziell unterstützten Sohn ausübten, seine Frau zur Abtreibung zu bewegen, andernfalls sie jegliche Unterstützung einstellen würden.

Ist die Beziehung jedoch nur von extrem kurzer Dauer und entstehen daraus keinerlei weitere Verpflichtungen, kann auf Grund anderer Vorur­teile die Hautfarbe sogar als Vorteil empfunden werden:

Eine klare Aussage: Die Hautfarbe ist bei sexuellen Kontakten eher ein Vorteil, denn ein Nachteil. Das Kli­schee vom Sexualübermen­schen Afrikaner schlägt voll durch und ist auch den Betroffenen großteils bewußt. Die Hautfarbe erleichtert es, mit jemandem ein kurzfristiges und unverbindliches Verhältnis zu haben, wäh­rend sie den Auf­bau einer Liebes- oder Freundschaftsbeziehung erschwert.

c)                Die Rolle der Hautfarbe bei flüchtigen Kontakten

Dabei wurde abgefragt, wie oft verschiedene Formen der Zustimmung bzw. der Ablehnung bei zufälligen Kon­takten auf der Straße vorkommen.

1/5 der Befragten wurden bereits wegen ihrer Hautfarbe attac­kiert. Geringschätzige Blicke und abfällige Worte werden von unseren afrikanischen Gästen fast täglich erfahren. Besonders bei unerwünsch­ter, aber unvermeidlicher Nähe, wie in der U-Bahn, scheint die Intensität und Häufigkeit abweisender Blicke zuzunehmen.

Die persönliche Empfindlichkeit, vielleicht auch das Mißtrauen ist bei Moslems wesentlich größer als bei anderen Afrikanern. 2/3 aller befragten Moslems geben an, daß es zumindest einmal wöchentlich in ih­rer Gegenwart zum Ausdruck von Geringschätzung kommt, während nur 1/4 (27%) der Christen dieser Mei­nung sind. Die in Medien und von Individuen häufig gegen Moslems gerichteten negativen Einstellungen bewirken offensichtlich, daß sich diese eher diskriminiert fühlen, auch da, wo die Religion vermutlich keine Rolle spielt.

d)                Die Rolle der Hautfarbe bei der Wohnungssuche

Etwa die Hälfte der Befragten glaubt, daß die überwiegende Mehrheit der Österreicher Afrikaner bei der Wohnungssuche abweist. Afrikaner/innen reagieren mitunter darauf, indem sie österreichische Freunde ersuchen, ebenfalls wegen der Wohnung anzurufen, um herauszufinden, ob sie als Afrikaner/innen abgelehnt wurden. Gerade die Abweisung bei der Wohnungssuche ist für Afrikaner besonders verletzend, gilt doch in Afrika das Bereitstellen einer Wohnmöglichkeit als Zeichen des Respekts vor der Würde des An­dern, wie man unter anderem aus folgenden Sprichwörtern der angesprochenen Bambarakultur in Mali ersehen kann:

dunan ni so tè yaala. Ein Fremder reist nicht mit seinem Haus herum, d.h. man muß ihm Unterkunft geben.

si sòrò ka gèlèn siyòròko ye. Es ist schwerer, alt zu werden als eine Unterkunft zu finden.

Aber auch in Afrika sollte der Gast seine Grenzen kennen:

sontan te sògòma dònkili da. w. Der Hauslose (=Fremde) soll nicht das Lied des Morgens singen, d.h. wie ein Hahn alle aufwecken = er darf nicht alles tun, was ihm gefällt, er muß als Gast besondere Rücksicht nehmen.

dunan ye nkòmi ye. a bi na tile bi tuma, a bi taa tlebò tuma. Der Fremde ist wie der Tau, er kommt in der Nacht und geht am Morgen.

Doch ist auch bei der Wohnungssuche das Auftreten und noch mehr die vom Österreicher vermutete Ein­kommensschicht von großer Bedeutung: Mit steigendem Einkommen werden Afrikaner/innen eher als Mieter akzeptiert. In der Umfrage gab die Mehrheit der über 11000,– S Verdienenden an, daß sie meist keine Probleme bei der Wohnungssuche hätten.

C.              Probleme in Freundschaften zwischen Afrikanern und Österreichern

Zwei Menschen finden sich sympathisch und eine Freundschaft könnte beginnen. Diese kann jedoch nur funktionieren, wenn die Vorstellungen von einer Freundschaft nicht allzuweit auseinanderliegen.

1.               Die wesentlichen Elemente einer Freundschaft aus afrikanischer Sicht

Afrikaner wurden ersucht, in einer Liste aus 14 Elementen die anzukreuzen, die ihnen in einer Freundschaft besonders wichtig erscheinen.

Ehrlichkeit, Vertrauen und gegenseitige Hilfe sind für die Befragten die mit Abstand wich­tigsten Elemente einer Freundschaft. Viele Afrikaner meinen, den Gefühlen bzw. der Sympathie eines Österrei­chers nicht trauen zu können, weil es oft zu einem für sie nicht vorhersehbaren Rückzug desselben kommt, was sie mit Mangel an Ehrlichkeit assoziieren. Vertrauen hängt eng mit Ehrlichkeit zusammen. Ge­genseitige Hilfe ist wesentlicher Bestandteil einer Gesellschaft, die ihren Mitgliedern keine ausgebaute soziale Sicherheit darbieten kann und somit eine Art Sozialversicherung; auch in Österreich, wo die Mehrzahl der Afrikaner über keine feste Anstellung und somit nicht über regelmäßige Einkünfte verfügen. Die Notwendigkeit zur gegenseitigen Hilfe in der afrikanischen Gesellschaft zeigt das folgende Bambarasprichwort:

ni i ye dugaw ye mògò su kan, e ka a fò bò an kan, e kana a fò: bò mògò su kan. Wenn du Geier über dem Leichnam eines Menschen siehst, dann sag: „Geht von uns weg!“ und nicht „Geht vom Leichnam weg!“. D.h. Man soll sich mit einem Menschen in Not solidarisieren und identifizieren.

Interesse für die Kul­tur des Anderen (viertwichtigstes Element) ist wohl in Österreich für die Afrikaner von subjektiv größerer Bedeu­tung als in ihrem Heimatland, weil sie sich der Geringschätzung ihrer Zivilisation seitens der Österreicher be­wußt sind. In unse­ren Zeitungen besteht die Tendenz, viele Vorkommnisse in Afrika als ‚Stammeskonflikte‘ bzw. ‚Tribalismen‘ zu erklären. Wäre es da nicht naheliegend, daß der Afrikaner in Freund­schaften eher Menschen mit ‚gleichen Einstellungen‘, mit ‚gleicher Religion‘ suchen müßte? Gerade diese bei­den Elemente von Freundschaften liegen aber nur an dritt- bzw. vorletzter Stelle der Wichtigkeitsskala. Dies be­trachte ich durch­aus als ein weiteres Indiz für eine wahrscheinlich richtigere Deutung von ‚Tribalismen‘ als Wirt­schaftskonflikte und -interessen, sind doch viele der Konflikte zwischen afrikanischen Völkern Konflikte ver­schiedener Wirt­schaftsformen um knapper gewordene Ressourcen (z.B. Viehzüchter vs. Bauern).

Interessanterweise steht bei Westafrikanern ‚Interesse für die Kultur des Andern‘ an erster, bei Ostafrikanern nur an 5. Stelle. Der Grund kann u.a. darin liegen, daß viele der größten (und auch die ältesten) schwarzafri­kanischen Königreiche in Westafrika beheimatet waren. Der Stolz auf diese Geschichte scheint nach meinem subjektiven Empfinden in Westafrika meist auch ausgeprägter als in Ostafrika zu sein und daher ist auch der stärkere Wunsch verständlich, daß der österreichische Gesprächspartner diesen Traditionen mehr Wertschät­zung entgegenbringen sollte.

2.               Worauf man bei der Freundschaft mit Österreichern besonders achten muß

Mit zunehmender Erfahrung in Österreich entwickeln Afrikaner Strategien, wenn sie hiesige Mitmenschen zu Freunden machen wollen. Worauf müssen sie dabei beson­ders achten?

a) auf große Reserviertheit des Österreichers. Die zwischenmenschliche Distanz als Merkmal der österreichischen Kultur erlaubt keine schnelle Annäherung, die Akzeptanz der Privatsphäre des Andern kann über Gelingen und Nichtgelingen einer Freundschaft entscheiden. Allzu große Nähe soll nach Möglichkeit vermieden werden. Gefühle müssen gedrosselt werden, weil sich sonst Österreicher leicht überfordert fühlen. Ein Teil der Distanz wird auf Vorurteile Afrikanern gegenüber zurückgeführt, auf den Mangel an Information über afrikanische Kulturen und Mentalitäten, was in Arroganz und Urangst vor dem Fremden resultiert. Von großer Bedeutung ist die Gleichwertigkeit der Beziehung (materiell etc.), deren Fehlen die Ängste auf der österreichischen Seite schnell vergrößern kann;

b) andere Arten der Gesprächsführung, besonders die Tabuisierung  mancher Themen und In­toleranz bei der Gesprächsführung. Man sollte mit Österreichern nicht allzuviel über Politik, über Rassismus sprechen. Man darf sich auch kaum Fehler erlauben, weil sie sich und die Situa­tion zu ernst nehmen. Positiv wird angemerkt, daß man bei offenen Gesprächen keine Rücksicht auf Al­ters­unterschiede nehmen muß;

c) sonstige Wesenszüge wie Aggressivität, Ehrlichkeit, Brutalität, leichte Verletzbarkeit, Ras­sismus, Falschheit.

Aus dem Vergleich der wesentlichen Elemente einer Freundschaft aus afrikanischer Sicht mit den Erfordernissen einer Freundschaftsbeziehung zu einem Österreicher wird der Konflikt ersichtlich, daß für Öster­rei­cher die (auch materielle) Gleichwertigkeit von Beziehungen von großer Bedeutung ist (und damit auch die Wahrscheinlichkeit geringer wird, dem Anderen helfen zu müssen), während für Afrikaner – wegen ihrer meist schlech­teren Existenzabsicherung – die Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe besonders bedeutend ist. Dieser Gegensatz wird in vielen Fällen zu Problemen führen.

D.              Der einseitige Kulturaustausch

Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen könnte große gegenseitige Bereicherung bewirken. Wo Menschen andere jedoch sträflich unterschätzen, wird die Qualität des von ihnen eingebrachten nicht erkannt. Die Afrikaner dürften somit mehr von Österreich mitnehmen, als sie hin­terlassen.

1.               Was glauben Afrikaner, von Österreich/-ern lernen zu können?

Welche Elemente unserer Kultur empfinden unsere afrikanischen Gäste als so wertvoll, daß sie von ihnen lernen und sie mitnehmen möchten? Worin fühlen sie sich bereichert? Worin sehen sie vielleicht auch Defizite ihrer eigenen Gesellschaften? Sie lernen von uns spezifisch:

a) Wissen über österreichische Kultur und Tradition). Dazu zählen alle Bestandteile österrei­chischen Lebens, wie Lebens-, Ernährungsweise, Lebenseinstellung, Musik, Architektur etc.

b) große Effizienz der Gesellschaft und des Individuums. Als besonders positive Elemente werden hier Pünktlichkeit, vorausschauendes Planen, Zuverlässigkeit, Organisation, wirtschaftliches Denken, Sparsamkeit und Disziplin genannt;

c) nützliche Kenntnisse. Hier werden spezifisch die Möglichkeiten, in Wissenschaft, Technik und Kultur Kenntnisse erlangen zu können, hervorgehoben;

d) Sozialsystem und gesellschaftlicher Aufbau. Dabei wird auf das Sozial- und Bildungssy­stem hingewiesen, aber auch auf die Offenheit zwischen den Generationen sowie auf die relativ gut funktio­nierende Demokratie;

e) Eigenschaften. Hier wird ein Bündel von meist mit Ordnung und Kontrolle zusammenhän­genden Eigenschaften subsumiert wie z.B. Ordnungssinn, Selbständigkeit, Selbstbeherrschung, Vor­sicht, Verantwortung, Sauberkeit etc.

Auffallend ist die nahezu völlige Absenz von Elementen, die mit seelischer Bildung, mit dem Charakter zu­sam­menhängen. Offensichtlich wird unsere Gesellschaft trotz all unserer Überlegenheitsgefühle menschlich als sehr arm eingestuft. Unsere Rosinen, die übernehmenswert erscheinen, liegen eher in der Wis­sensvermittlung und der Organisation.

2.               Was sollten Österreicher von Afrikanern lernen?

Worin sehen Afrikaner Defizite der österreichischen Gesellschaft? Sie erblicken sie in:

a) der Einstellung zum Mitmenschen. Besonders werden die Beziehungen außerhalb des Familienkerns als defizitär empfunden. Hier wird insbesonders der Mangel an Offenheit, an Toleranz, an Hilfsbereitschaft, am Sinn für Gemeinschaftsleben, Respekt und Hilfsbereitschaft für ältere Men­schen, Kontaktfreudigkeit hervorgehoben. Häufig erwähnt wurde auch die negative Einstellung dem und den Fremden gegenüber, die durch ungenügende Akzeptanz und Respektierung derselben, vie­len Vorurteilen, Mangel an Interesse für andere Kulturen gekennzeichnet ist. Auch der mangelnde Zu­sam­menhalt innerhalb der Familien wurde als verbesserungsfähig kritisiert;

b) afrikanische Landes- und Menschenkunde. Es wird vielfach die Meinung vertreten, daß zu­wenig Wissen über Kultur und Denkweisen der Afrikaner in Österreich bekannt ist;

c) spezifische Eigenschaften. Als Eigenschaften, die in Österreich eher als fehlend eingestuft werden, werden erwähnt: Sensibilität für Tanz und Musik, Religiosität, Spontaneität, Lust am Leben, In­tegrationsfähigkeit etc.

E.              Die defizitäre Gesellschaft – erfüllte und die enttäuschte Er­wartungen

In der Regel hat der, der sich für längere Zeit in einem anderen Land niederläßt, auch mehr oder weniger prä­zise Vorstellungen, was ihn erwarten könnte. Ein Vergleich dieser Vorstellungen mit der in der Folge erlebten Realität gibt Auskünfte über mögliche Kulturschocks, persönliche Wichtigkeit bestimmter Bereiche und stellt gleichzeitig ein wichtiges Spiegelbild für das ‚Gastgeber‘-Land dar. In welchem Bereich erlebten die in Öster­reich lebenden Afrikaner ihre größten Enttäuschungen, wo wurden sie positiv überrascht?

1.               Das Bild vom Österreicher vor der Ankunft und heute

Die folgenden Erwartungshaltungen wurden am meisten enttäuscht:

1. die Österreicher sind wesentlich schlechter über Afrika informiert als gedacht;

2. sie sind wesentlich weniger offen für Neues;

3. wesentlich weniger gastfreundlich und viel weniger hilfsbereit;

4. das Leben hier ist für die meisten viel schwieriger als vermutet;

5. hingegen entsprach es eher den Erwartungen, daß die Österreicher (wie die anderen Europäer) rassistisch seien, im Durchschnitt machte man sich auch eher richtige Vorstellungen vom österreichischen Wohlstand.

ad 3) die Angst und Abgrenzung des Österreichers vor dem Armen zeigt sich auch darin, daß das Urteil der über größere Einkünfte5 verfügenden Afrikaner über die Gastfreundlichkeit des Österrei­chers deutlich positiver ausfällt als das der schlechtergestellten. Diejenigen, die der Meinung sind, daß die Österreicher gastfreundlicher als erwartet seien, verfügen im Schnitt über etwas mehr als 12.000,– öS., während die, die dem nicht zustimmen, durchschnittlich etwa 8500,– öS. monatlich bekommen. Die Angst des Österreichers vor dem Teilen verringert sich, wenn eine auch finanziell ebenbürtige Be­ziehung vorliegt;

ad 4) über je mehr Mittel ein Afrikaner verfügt, desto geringer schätzt er die Schwierigkeit des hiesigen Lebens ein. So verdienen die, die das Leben hier leichter als gedacht finden, im Schnitt knapp unter 12.500,– öS., hingegen die, die es schwerer als erwartet beurteilen, monatlich etwas weniger als 7.900,– öS..

ad 5) Moslems scheinen auch hier wiederum negativere Urteile zu fällen.

Moslems werden oft nicht nur als Afrikaner, sondern auch als Angehörige des Islams abgewertet. Diese zweifache Degradierung sensibilisiert sie offensichtlich ganz beson­ders für alles, was bei weiterer Auslegung als ‚Rassismus‘ bezeichnet werden kann. Es ist auch denkbar, daß vieles, was eigentlich auf religiöser Ablehnung beruht, von ihnen als rassistisch gedeutet wird.

Je höher die soziale Schicht in den Herkunftsländern, desto eher entspricht die erlebte Hilfsbereitschaft der Österreicher den Erwartungen. Dies läßt zumindest zwei Deutungsmöglichkeiten zu: a) die Oberschicht ist durch den leichteren Zugang zu Medien in ihren Heimatländern von vornherein besser informiert und erwartet sich dadurch weniger; b) da Mit­glieder der Oberschicht auch in Österreich über wesentlich höhere Mittel als et­wa Mitglieder der Unterschicht verfügen, können sie leichter in gleichwertige Beziehungen mit Österreichern eintreten. Es ist auch denkbar, daß es der Oberschicht durch leichteren Zugang zu Ausbildungswegen (Sprache, Selbstdarstellung, Schulbildung etc.) leich­ter fällt, sich positiv darzustellen, und dadurch auch öfters Unterstützung bei ihren Vorhaben findet.

2.               Was fehlt Afrikanern besonders in Österreich, um sich heimisch zu füh­len?

a. gewohnte Bezugspersonen aus dem Herkunftsland, besonders Familie, Eltern, Freunde, Frau, Bekannte;

b. herzliche und intensive zwischenmenschliche Beziehungen. Besonders wird der Mangel an Geselligkeit der Österreicher hervorgehoben, ihre Kontaktangst, die fehlende Wärme und Spontaneität in den Beziehungen;

c. gewohnte kulturelle Elemente der Heimatregion, besonders Traditionen wie Feste, bestimmte Ernährungsarten, Musik, Tanz etc., aber auch beschaulichere/ruhigere Lebensweise, geprägt von positiver Weltsicht und größerem Humor;

d. gewohnte Elemente der natürlichen Umgebung. Hierzu zählen besonders klimatische Faktoren wie höhere Temperaturen, Sonnentage, aber auch die spezifische Natur der Heimatländer;

e. existentielle Sicherheit: d.h. besonders ein stabiler und akzeptabler Arbeits­platz.

Auffallend ist, wie selten Elemente genannt werden, die zum Bereich des täglichen Existenzkampfes ge­hö­ren, wie Arbeit, sicheres Einkommen etc. Aus den Antworten läßt sich ein großes Maß an Einsamkeit der in Österreich lebenden Afrikaner herauslesen.

3.               Was unterdrücken Afrikaner in Österreich?

Ein Migrant muß, will er sich integrieren, Kompromisse mit dem Gastland schließen. Diese bestehen zum ei­nen in der Übernahme von Verhaltensformen des Gastlandes, zum Anderen im Ablegen von kulturellen Ge­wohnhei­ten. Auf welche Elemente ihrer Kultur und ihres Verhaltens verzichten Afrikaner in Österreich, um Konflikte mit Österreichern zu vermeiden?

a. kulturelle Gewohnheiten. Insbesonders wird darunter die Möglichkeit verstanden, seinen Gefühlen und seiner Kreativität zusammen mit Gleichgesinnten Ausdruck geben zu können, wobei un­ter den Anlässen spezifisch Feste und Musikveranstaltungen (Tanz, Gesang) im afrikanischen Sinne verstanden werden. Aber auch Sprache, gewohnte Ernährung, Jagd, Fabeln erzählen nach dem Essen vor dem Feuer, beten mit Freunden und Familie werden erwähnt;

b. gemeinschaftliches Leben (32x). Hier wird besonders bedauert, daß dem Wunsch nach intensi­vem gegenseitigen Austausch nicht nachgegeben werden kann, nach Kontakten, bei welchen man auch ohne Voranmeldung Besuche abstatten kann, nach Fürsorglichkeit für das Schicksal des An­dern, nach Gastfreundschaft ohne Hintergedanken, nach Einbindung in eine Gemeinschaft;

G. Slezak und H. Trauner fanden in ihren Interviews, daß sich Afrikaner häufig bewußt ein richtiges Netzwerk sozialer Beziehungen um ihre Wohnstätte herum aufbauen, das ihnen ein Minimum an Heimatgefühl ermög­licht. Dies erfolgt durch den Einkauf bei stets den gleichen Kleinhändlern, in den gleichen Trafiken etc.

c. respektvoller und herzlicher Umgang mit dem Andern (14x). Die Antwortenden bedauern die man­gelnde Offenheit in den Beziehungen, die Absenz von Wärme und Hilfsbereitschaft, die körperli­che Di­stanz und Zurückhaltung der Österreicher und deren Mangel an Taktgefühl und Höflichkeit;

d. Spontaneität (11x). Man kann in Österreich seinen Gefühlen nur schwer freien Lauf lassen, beim Spazieren singen, vielleicht auch lauter sprechen; ständig wird man zur Selbstkontrolle angehalten.

F.              Der Wunsch nach der Rückkehr mehr als ein Gedanke?

Materielle Probleme, Mangel an Geborgenheit, Geringschätzung durch viele österreichische Bürger und ande­re Enttäuschungen haben bei vielen keine sonderlich starke Beziehung zu Österreich geschaffen. Es wäre daher naheliegend, daß ein starker Wunsch besteht, so schnell wie möglich Österreich zu verlassen:

1.               Geplante Aufenthaltsdauer in Österreich

Für etwa ein Drittel der Befragten ist es unklar, wie lange sie bleiben wollen. Der Großteil möchte bleiben, bis er ein ganz bestimmtes Ziel erreicht hat: Das Studium abschließen, eine bestimmte Summe Geldes verdie­nen, um sich im Heimatland eine neue Existenz aufbauen zu können etc. Nur sehr wenige, nämlich 5,17% aller Befragten, hat die feste Absicht, in Österreich zu bleiben. Es ist also für die Mehrzahl nicht un­bedingt verlockend, in Österreich zu bleiben. Mit Ausnahme dieser drei würden alle, die Österreich verlassen möchten, am liebsten nach Afrika zurückkehren, ein Vorhaben, dessen Verwirklichung wohl stark von der dann in Afrika gegebenen sozioökonomischen Situation abhängen wird.

Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Schichten im Heimatland und damit die unterschiedliche Möglichkeit zu Zugängen zu privilegierteren Lebensformen in diesem beeinflußt den Wunsch zur Rückkehr: Nur 23,1% der Oberschicht-Angehörigen wissen nicht, wie lange sie in Österreich bleiben wollen, bei Mit­tel- und Unterschicht hingegen 48,3%. Je besser – u.a. durch Zugehörigkeit zur Elite – die Chancen sind, sich im Heimatland zu etablieren, desto größer ist der Wunsch nach Rückwanderung.

2.               Pläne für die Zeit nach dem Studium

Ein Großteil der Studenten möchte Österreich nach dem Studium wieder verlassen. Nur 25% haben die Absicht, nach dem Studienabschluß in Österreich eine Arbeit zu suchen. Die Wahrscheinlichkeit, im Heimatland eine Arbeit zu finden, kann erhebliche Einflüsse auf die Rückkehrabsicht haben: Diejenigen mit den größten Chancen auf einen Arbeitsplatz in ihren Heimatlän­dern (Informatiker, Techniker etc.) zeigen auch die größte Tendenz, in Österreich nach dem Studium arbei­ten zu wollen. Nur 1/3 der Gruppe mit eher schlechten Berufs­chancen möchte nach dem Stu­dium in Österreich arbeiten, aber mehr als 2/3 der Personen mit guten Berufschancen. Dafür könnte es zumin­dest zwei Erklärungen geben: a) die Hochqualifizierten und Begehrten sind in ihrer Ausbildung an den Umgang mit Tech­nologien gewöhnt, die in ihren Herkunftsländern kaum zu erhalten sind; b) die für die Herkunftsländer at­traktiven Berufe (Techniker etc.) sind häufig auch für den österreichischen Arbeitsmarkt inter­essant, was ihre Inte­gration in un­sere Gesellschaft erleichtert.

3.               In Österreich altern und sterben?

Nur eine einzige der befragten Personen kann sich sicher vorstellen, in Österreich alt zu werden. Insgesamt 15,8% halten es für mög­lich. Dies hängt wahrscheinlich u.a. auch mit der sehr unterschiedlichen Wertschätzung alter Menschen in Afrika und Österreich zusammen, worauf auch die folgenden Bambarasprichwörter hinweisen:

cèkòròba ka fisa a sòngò ye. Alte Menschen sind mehr wert als ihren (Markt-)Preis.

cèkòròba kan ye duga ye. Die Worte des Alten sind ein Segen.

Zusammen mit den beiden vorausgehenden Antworten ergibt sich das Bild, daß Österreich als kulturell zu ver­schieden und auch menschlich als zu abweisend, vielleicht zu arm betrachtet wird, um ein Gefühl der Gebor­genheit und der Sicherheit zu vermitteln. Dennoch lassen studientechnische und materielle Gründe die meisten Afrikaner/innen hier verharren, hoffend auf ein besseres Morgen, das nicht so schnell zu kommen scheint.

G.             Abschließende Bemerkungen:

An Leser, die in Bereichen arbeiten, der sie mit Afrikaner/innen zusammenbringt, ist der erste Teil gerichtet,  der sich mit Bezeichnungen beschäftigt. Viele Menschen sind unsicher, welche Begriffe sie verwenden können, um über Afrika und seine Men­schen zu sprechen, aus Angst, Ausdrücke zu gebrauchen, welche Menschen aus diesem Erdteil verletzen könnten. Diese Angst wird durch (österreichische) Puristen noch erheblich verstärkt, welche dazu tendieren, praktisch jede hier behandelte Bezeichnung rassistisch zu nennen. Für viele ist der Ausdruck ’schwarz‘ (neben seiner vereinfachenden Wiedergabe der Realität) negativ besetzt und daher abzu­lehnen. Man könnte ihnen vorschlagen, einen ersten kurzen Blick in die Welt afrikanischer Sprachen zu wer­fen, wo mit Farben ver­bundene Klassifizierungen in sehr vergleichbarer, oft sogar deckungsgleicher Weise verwendet werden. Es war mir wichtig, herauszufinden, wie Afrikaner selbst angesprochen werden möchten, um die Normierung der fraglichen Begriffe durch selbsternannte Richter oft fragwürdiger Kompe­tenz auszuschalten. Wenn ein Ausdruck gleichzeitig präzise ist und in hohem Maße von den Betroffenen akzep­tiert wird, sollte er ohne große Probleme verwendet werden können. Viele präzisere Ausdrücke sind jedoch für Afrikaner negativ besetzt; ein bewußter geringfügiger Verzicht auf Trennschärfe des Ausdrucks mag mitunter einen Gewinn an Beziehungsqualität zum afrikanischen Mit­bürger bringen. Hier gilt es Fall für Fall abzuwägen. Die Untersuchung zeigt auch deutlich, daß immer mehr Afrikaner Pro­bleme damit haben, daß – wenn auch oft in gutgemeinter und solidarisierender Weise – stets auf ih­re Armut hingewiesen wird. Afrika ist in der Meinung vieler längst zu dem armen Kontinent par excellence ge­wor­den, nicht nur zu ei­nem, der momentan gewisse Probleme hat. Im afrikanischen Sinne jetzt den Andern und Afrika so zu behan­deln (auch terminologisch), daß derjenige, dem es im Augenblick besser geht, dem Andern kurzfristig aushilft und später selbst Hilfe erwarten kann, wenn es ihm schlechter geht, erschiene mir weniger abwertend und sinnvoller. Der französische Ausdruck für Entwicklungshilfe ‚co-opération‘, Kooperation oder Zusammenarbeit, könnte da­für durchaus als Symbol dienen.

Für die, die sich für Menschen afrikanischer Kulturen interessieren und Freundschaft mit ihnen schließen wol­len, ist der zweite Abschnitt gedacht. Sie sollten sich bewußt sein, daß sie es mit Menschen zu tun haben, die häufig zwischenmenschliche Enttäuschungen in Österreich erlebten und erleben und daher vielleicht schneller auf eine abweisende Haltung des Österreichers schließen, als es der Realität entspricht. Offene Worte, Kenntnis der spezifischen Erwartungen des Andern, aber auch Hinweis auf eigene Bedürfnisse, die aber artikuliert werden sollten, können einen soliden Grund­stock für eine schöne Freundschaft darstellen. Afrikaner kommen nahezu immer aus Vielvölkerstaaten und verstehen daher sehr wohl, daß Menschen verschiedener Kulturen unterschiedliche Ansprüche haben. Viele Öster­reicher behandeln Afrikaner wie rohe Eier, weil sie Angst haben, sie zu verletzen. Statt einige sensibel artikulierte Worte zu sagen, die dem Afrikaner mitteilen, wo Österreicher andere Vorstellungen haben, ziehen sie sich still zurück und mei­nen, so humaner gehandelt zu haben. Gerade dadurch verletzen sie und schaffen Vorur­teile auf der anderen Seite. Gerade dadurch behandeln sie Afrikaner wie nicht erwach­sene, wie nicht gleich­wertige Menschen.

Die letzten Abschnitte sind unter anderem denen gewidmet, die die Defizite unserer eigenen Kultur durch die Augen der Anderen erkennen wollen. Aus afrikanischer Sicht mag das Urteil so lauten: Wirtschaftlich Elite, menschlich ein Entwicklungsland, dem man eigentlich helfen müßte. Müßte es nicht schockierend für uns sein, daß es für 85% der Afrikaner unvorstellbar ist, in Österreich alt zu werden? Was, diese ‚ungebildeten Primitiven‘ ziehen ihre Länder, in denen ihnen weder Luxusbad, noch Farbfernseher, noch Auto, noch Sozial­versicherung, und mitunter nicht einmal die Absicherung der täglichen Grunderfordernisse wie Nahrung und Arbeit gewiß sind, vor? Wer ist da krank, wem müßte man helfen? Ich weiß es nicht.

              ANMERKUNGEN:

1 Bildungsreferent am Afro-Asiatischen Institut Wien,  Universitätslehrer an verschiedenen Universitäts­instituten in Österreich, Gastprofessor am Institut d’Etudes et de Recherches Interethnique et Interculturel der Universität Nizza/ Frankreich.

2. Wesentliche Mitarbeiterinnen bei dieser Studie waren Gabriele Slezak, Helene Trauner und Bettina Frislovics. Durch die Nichtexistenz verläßlicher Statistiken über die afrikanische Grundpopulation in Österreich/Wien wurde die angestrebte Repräsentativität der Stichprobe erheblich erschwert.

3. Es ist ungeheuer schwierig, verläßliche Daten über die Zahl der in Wien lebenden Afrikaner/innen zu ge­winnen. Die letzte Volkszählung stammt aus dem Jahr 1991 und führt bei einer vom Statistischen  Zentralamt angegebenen Gesamtzahl von 8515 Afrikaner/innen in Österreich nur einige Länder Subsahara-Afrikas auf. Bedeutendstes Herkunftsland ist nach dieser Statistik Nigeria mit 741 Personen vor Südafrika mit 206 und dem Sudan mit 131 Personen. Das Verhältnis von Männern zu Frauen liegt bei etwa 5:1 zugunsten der Männer. Nach dieser Statistik dürften maximal 2595 Menschen aus Afrika Südlich der Sahara in Österreich leben. Der Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 1994 nennt Ghana, das in den Daten des Statistischen Zentralamts gar nicht ausgewiesen wurde, als subsaharanisches Land mit den meisten Arbeitsgenehmigungen, nämlich 595, vor Nigeria mit 469 Arbeitenden.  Es ist daher wahr­scheinlich, daß die Daten des Statistischen Zentralamts die Zahl der subsaharanischen Mitbürger in Österreich deutlich unterschätzen. Rechnet man zu den Personen mit Arbeitsgenehmigung Abhängige, 736 Studierende (ÖFSE-Be­richt für das Jahr 1995/96), Nichtgemeldete (natürlich keine Statistiken) sowie österreichische Staats­bürger/innen afrikanischer Herkunft (keine Statistiken), Asylanten, Botschaftsangehörige, UN-Mitarbei­ter/innen usw. hinzu, so scheint ein Schätzwert von etwa 10.000 Menschen aus dem Raum Subhara-Afrikas in Öster­reich realistisch, von denen vermutlich mehr als die Hälfte in Wien lebt. Auch in Wien vertretene Bot­schaften konnten keine genauen Auskünfte über ihre in Wien/Österreich lebenden Staatsbürger/innen geben.

4. In Afrika werden zwischen 800-2000 verschiedene Sprachen gesprochen. In afrikanischen Städten kann ein Jugendlicher durchaus zwei Sprachen seiner Eltern lernen, dazu eine Sprache des Marktes, dazu die (meist europäische) Nationalsprache und bei Reisen noch eine weitere wichtige Verkehrssprache.

5. Einkünfte können sein: eigener Verdienst, finanzielle Unterstützung seitens der Familie aus Afrika, Stipen­dien und sonstige Unterstützungen.

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