Schwarze und blaue Aggression: Zu den Vorverurteilungen Helene Partik-Pablés

(Kommentar der Anderen am 18.5.1999 in der Tageszeitung der Standard als Reaktion auf Aussagen der FPÖ-Politikerin Partik-Pablé, dass Afrikaner aggressiv und kriminell seien)

Schwarze und blaue Aggression

Zu den Vorverurteilungen Helene Partik-Pablés:

Etwa sieben Jahre verbrachte ich in 15 afrikanischen Ländern. Erst die rassentheoretischen Überlegungen Helene Partik-Pablés machten mir klar, in welcher Gefahr ich mich dabei befand, sagte sie laut Bericht des STANDARD doch in einer Parlamentssitzung, daß Schwarzafrikaner ganz besonders aggressiv seien, weil dies in ihrer Natur läge.

Zitternd denke ich an unzählige Abende in afrikanischen Dörfern, wo ich große Herzlichkeit und Respekt wahrzunehmen glaubte, während hinterrücks wohl schon die Messer geschliffen wurden, aber bis zu meinen Abreisen anscheinend nicht mehr fertig wurden. Ich denke – als Afrika-Wissenschaftler – an meine fehlerhaften Analysen, in denen ich beschrieb, wie vielerorts in Afrika durch akzeptanzvermittelnde Verhaltensmuster Aggressivität reduziert wird.

Gehässigkeit oder Alltagsaggressivität wird z.B. durch die weitverbreitete Redekultur verringert, den Andern beim Sprechen niemals zu unterbrechen, ihm während seiner Erzählungen ausschließlich zuzustimmen, wofür der Erzählende bewußt kleine Pausen einlegt, in denen der Zuhörer seine Übereinstimmung ausdrückt: z.B. „Ich glaube, daß alle Esel braun sind.“- „Genau.“ Nach der fertigen Erzählung weist der Antwortende (selbst wenn er das Gesagte für Schwachsinn hält) zuerst darauf hin, daß der Erzähler die Wahrheit gesagt hätte, und erst dann fügt er seine Widersprüche ein, getreu dem Motto „Ich bin o.k., Du bist o.k.“

Drogendealer

Prinzipiell ist die andere menschliche Flasche halbvoll und nicht halbleer. Nach Partik-Pablés Ausführungen schreibe ich meine Skripten um und vermute nun hinter diesem Feedback Einschläferungsversuche für nachfolgende Angriffe.

Ich sehe nun auch die 4000 bis 6000 in Wien lebenden Afrikaner mit anderen Augen, sind doch nach Auskunft Partik-Pablés die meisten davon Drogendealer. Florence hat fünf Kinder zwischen vier und 13 Jahren, die ich bisher in ihrer kriminellen Neigung unterschätzte. War die Überspanntheit ihrer Kinder vor drei Tagen doch nicht auf Müdigkeit zurückzuführen, sondern auf Drogenkonsum?

Leider sind Afrikaner brillant im Verstecken ihrer wahren Natur. Aber ich werde ihre laut Partik-Pablé vorhandene Aggressivität schon aufdecken, und wenn ich sie aus ihnen herausprügeln müßte. Ich sehe ja ein, daß Afrikaner lügen, aber warum log mich Hofrat Edelbacher, der Leiter des Sicherheitsbüros, in einem Gespräch an, als er sagte, daß legal in Wien lebende Afrikaner unterdurchschnittlich kriminell und aggressiv seien? Leidet er durch seine anerkannte Gesprächs- und Diskussionsbereitschaft mit Afrikanern schon an einem afrikanischen Bazillus?

Soweit dumme Antworten auf dumme und menschenverachtende Feststellungen einer Abgeordneten . . .

Frustentladung

Natürlich gibt es auch in Afrika Aggressivität. In traditionellen Gesellschaften gibt es häufig Frust, gerade unter Jüngeren, weil sie, auch wenn sie recht haben, Älteren trotzdem meist nicht widersprechen dürfen, also die offizielle Konfliktlosigkeit respektieren müssen. Dafür existieren lokale Frustentladungsmechanismen, wie z.B. Geheimbundtreffen, in welchen die Jungen unsanktioniert einmal jährlich das Recht haben, den Alten im Suff all den Frust entgegenzuschreien, unter dem sie leiden.
Natürlich nehmen auch in Afrika in vielen Gegenden Aggressivität und Kriminalität spürbar zu, weil viele Menschen durch die wirtschaftliche Misere hoffnungslos, durch steigende soziale Ungerechtigkeit empört und durch die extreme Zunahme und Mobilität der Stadtbevölkerung auch anonym werden: Afrika amerikanisiert sich.

Und natürlich gibt es auch unter illegal hier lebenden und marginalisierten Afrikanern einige schwarze Schafe, die aber von der großen Mehrheit der afrikanischen Gemeinde verurteilt werden, Afrikaner, die übrigens sowohl bezüglich Bildung als auch Herkunft erheblich unterschätzt werden.
Afrikaner sind als Menschen weder besser noch schlechter als andere Gruppen. Sozialwissenschaftlich gibt es nicht den geringsten Hinweis, daß unter gleichen Bedingungen Afrikaner überdurchschnittlich aggressiv werden, nicht in Afrika, nicht in Österreich. Übrigens wurde nach meinen Umfragen bereits jeder fünfte Afrikaner in Wien tätlich angegriffen, wenn auch nicht von Afrikanern.

Abschließend geht mir vieles durch den Kopf: die von mir bisher nicht so ernstgenommene Forderung der Abgeordneten Brinek nach Intelligenztests für Abgeordnete; der mangelnde Schutz von Angeklagten vor richterlichen Vorverurteilungen wie denen Partik-Pablés; weitere logische Verallgemeinerungen im Stile Partik-Pablés: FPÖ-Geschäftsführer Rumpold wurde wegen Genitalienzwickens in einer Disco verurteilt. Sind nun alle Parteigeschäftsführer Genitalienzwicker oder nur die FPÖ-Politiker? Und ist Rumpold Afrikaner? Falls nein, woher bezog er dann seine gerichtsnotierte Aggressivität? Und falls ja, was wird dann aus ihm in der FPÖ? Muß man für diese Partei schwarzsehen?


Dr. Erwin EbermannUniversitätslehrer an der Universität Wien, Forschungen zur Situation von Afrikanern in Wien und zu Entwicklungsfragen

Erwin Ebermann erwidert FPÖ-Sicherheitssprecherin Helene Partik-Pablé mit „dummen Antworten auf dumme Fragen“ und wissenschaftlichen Erkenntnissen

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