Bilder Afrikas und der AfrikanerInnen in Österreichs Medien und Öffentlichkeit: Gedanken zu Übereinstimmung, Unterschieden, Kausalität & Möglichkeiten
(Artikel 2012 in Buch ‚Verantwortungsbewusster Journalismus: Afrikas Dimension in der westlichen Medienlandschaft‘. Publikation zum Symposium anlässlich des African Press Day 2010. Hrsg.: Radio Afrika TV, S.29-36)
Bilder Afrikas und der AfrikanerInnen in Österreichs Medien und Öffentlichkeit: Gedanken zu Übereinstimmung, Unterschieden, Kausalität & Möglichkeiten
Dr. Erwin Ebermann
Die in den Köpfen der österreichischen Mehrheitsgesellschaft dominanten Bilder von Afrika und den AfrikanerInnen sind sehr häufig abwertender Natur und unterscheiden sich meist kaum von denen vergangener Jahrhunderte[1]:
- Die Intelligenz und intellektuelle Leistungsfähigkeit von AfrikanerInnen werden erheblich unterschätzt;
- AfrikanerInnen werden häufig als Naturmenschen verkindlicht, wobei ihnen die Fähigkeit zur Bewältigung der eigenen Probleme abgesprochen wird;
- AfrikanerInnen werden dementsprechend weniger mit Zivilisation und Hochkultur, als vielmehr mit Gefühl und Körper assoziiert.
- AfrikanerInnen werden als eine relativ homogene Gruppe von Menschen wahrgenommen;
- Mit abnehmender Tendenz werden extrem abwertende historische Bezeichnungen wie z.B. N…. weiterhin für die Bezeichneten verwendet.
Relativ rezenter Natur sind hingegen die folgenden Bilder:
- Spezifisch afrikanische Männer werden in hohem Maße mit Kriminalität und hier besonders mit dem Drogenhandel assoziiert[2];
- das Bild Afrikas ist überwiegend von Konflikten, Armut und Katastrophen gekennzeichnet.
Die Bestimmung des Anteils der Medienberichterstattung an den gängigen Bildern zu AfrikanerInnen und Afrika ist schwierig, da an der Entstehung der Bilder neben Medien unter anderem beteiligt sind:
- frühkindliche Prägungen über das Eigene und das Fremde inklusive äußerlicher Normen;
- frühkindliche Tradierungen von wesentlichen Werten und Selbstbeschreibungen der Gesellschaft (z.B. die Annahme, dass die eigene Gesellschaft besonders kultiviert, leistungsorientiert und intellektuell hochstehend sei)
- die logische Verknüpfung der Annahmen der herausstechenden Charakteristiken der eigenen Gesellschaft mit lokalen physischen Zuschreibungen, was die Andersaussehenden oft zu Nichtträgern dieser Eigenschaften macht (z.B. Rückschluss von Hautfarbe oder ‚feinen‘ Gesichtszügen wie z.B. schmale Nasen auf Kultiviertheit);
- im früheren Kindesalter bereits Tradierung alter Vorstellungen über die Anderen durch das familiäre und gesellschaftliche Umfeld (Witze, Anekdoten, Erzählungen etc.).
- einfache Welterklärungsversuche durch Ableitungen/logische Schlüsse von bekannten Informationen auf andere und persönlich nicht erlebte Bereiche (z.B. von der wirtschaftlichen Schwäche vieler afrikanischer Staaten auf geringe geistige Leistungsfähigkeit der Individuen)
- die Prägung und Informationen in den Bildungseinrichtungen;
- die Möglichkeit der Überprüfung von Vorurteilen anhand von Kontaktmöglichkeiten mit den von Klischees Betroffenen.
Es gibt also zuviele prägende Faktoren, um die Schuld für verschiedene Klischees ausschließlich in den Medien suchen zu können.
Manche Vorurteile sind durch die aktuelle Berichterstattung der Massenmedien auch kaum erklärbar. Es wäre undenkbar, dass in einem heutigen Massenmedium AfrikanerInnen explizit als weniger intelligent bezeichnet werden und dennoch ist diese Vorstellung weit verbreitet. Auch die extrem verletzende Bezeichnung N…. für Afrikaner ist in heutigen Medien kaum mehr nachweisbar, obwohl sie in Teilen der Bevölkerung durchaus noch geläufig ist.
Manche Bilder wurden hingegen unter starker Mitwirkung der Medien erst in den letzten Jahrzehnten durch überproportionale Abbildung negativer Ereignisse geprägt, wie z.B.
- die Darstellung Afrikas als Kontinent der Katastrophen, Konflikte und der Armut;
- das Bild der Afrikaner als Dealer und Kriminelle[3]. Im Rahmen der Berichterstattung über den Drogenhandel wurde und wird auch der Begriff Schwarzafrikaner weit überproportional häufig verwendet, weshalb der Begriff Schwarzafrikaner in der Öffentlichkeit heute weitgehend mit Drogenhandel assoziiert wird. Dadurch wendet sich die African Community in Österreich auch zunehmend gegen die Verwendung dieses Begriffs, der im Jahr 1992 durchaus noch von der Mehrheit der Bezeichneten als positiv besetzt galt (s. Ebermann 2007: 387).
Qualitätsmedien wie z.B. der ORF (besonders in Ö1), Der Standard, Profil oder die Presse bemühen sich seit einigen Jahren durchaus um eine ausgewogenere und vielfältigere Berichterstattung, bei der auch immer häufiger AfrikanerInnen als Interviewte oder Gestaltende eingebunden werden.
Durch die Veränderung der Medienlandschaft ist es jedoch fraglich, ob die nun häufig ausgewogenere, wenn auch noch nicht optimale Berichterstattung zu einer Veränderung in den Köpfen führen wird. Die Medien wurden multikultureller und vielfältiger, jedoch wurde es auch wesentlich leichter, einseitiger zu konsumieren. Noch vor wenigen Jahrzehnten war im Großteil Österreichs eine Wahl der Informationsquellen kaum möglich: staatlicher Rundfunk/Fernsehen, die Kronenzeitung, relativ wenige Bezugspersonen. Durch diesen Mangel an Alternativen konnten Massenmedien leichter Meinungen beeinflussen.
Die inzwischen allerorts gegebene Vervielfältigung der Wahlmöglichkeiten von Informationsquellen (über Internet und Satelliten) könnte in der Zukunft vermehrt dazu führen, dass Informationsquellen bevorzugt nach der eigenen Prägung ausgewählt werden, was die Chance verringert, dass man bei ihrem Konsum eine Meinungsveränderung erfährt.
Die Gefahr der Verkrustung von Vorurteilen unter bildungsferneren Schichten kann durch die moderne Medienvielfalt möglicherweise sogar zunehmen. Nach einer Studie der GFK (2009) konsumieren ¾ der türkischen Zuwanderer in Österreich fast täglich türkische Fernsehprogramme, aber nur 30% von ihnen österreichische. Analog konsumieren auch Jugendliche immer seltener Medien, welche ihnen verbesserte Einblicke in die Gesellschaft bieten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Jugendliche mit bedenklichen Ansichten mangels Alternativen aus Langeweile Fernsehprogramme konsumieren, welche ihnen andere Sichtweisen näherbringen könnten, ist trotz der Medienvielfalt vielleicht sogar geringer geworden. Das nun mögliche ausschließliche Zappen auf der eigenen Wellenlänge könnte zu einer unerwünschten Eindimensionalität und Einseitigkeit im Medienkonsum führen.
Diese Entwicklung wird erhöhte Anforderungen an die Bildungseinrichtungen stellen, die SchülerInnen schon frühzeitig dazu zu bringen, sich Informationen aus verschiedenen und gegensätzlichen Medien zu erarbeiten, um einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Ich teile aus Theorie und Praxis heraus daher nur bedingt den Optimismus von Frau Beate Winkler bezüglich des besonderen Einflusses der Medien und von Informationsvermittlung auf Veränderungen der Einstellungen zu Afrikanerinnen. Ich teile nur bedingt den Optimismus von Frau Beate Winkler bezüglich der besonderen Wirkung von Musik zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Afrikanern. Auch der Großteil der Personen, welche Afrikanern niemals einen qualifizierten Job anbieten würden, hält Afrikanerinnen für musikalisch und tänzerisch begabt.
Ich teile nur bedingt den Optimismus von Frau Beate Winkler über die besondere Bedeutung von entschlossenen Ansprachen von Politikern zur Veränderung des Bildes von Afrikanern. Antirassismus war eine erklärte Doktrin der kommunistischen Länder, dennoch kam es nach dem Fall des Kommunismus gerade in ehemaligen kommunistischen Ländern zu extremen Ausbrüchen von Rassismus, gerade gegen Afrikaner, gerade im Mutterland des Kommunismus und der Antirassismus-Doktrin, in Russland.
Ich bin jedoch optimistisch, dass besonders Kontakt mit und Sichtbarmachung von Zuwanderern sehr viel und rasch zu einem besseren Bild beitragen kann, sofern Kontakt und Sichtbarmachung mit der Erkennungsmöglichkeit von – oft unvermuteter – Kompetenz verbunden sind.
Vorurteile sind eigentlich nichts anderes als Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Aus ersten Informationen/Annahmen – oft aus dem familiären Kreis – entstehen erste und durch den Mangel an Kontakt vorerst nicht überprüfbare Einstellungen. Negativen Informationen über die Zielgruppe stehen keine positiven gegenüber, daher ist es für den Lernenden logischer, eine Arbeitshypothese zu bilden, nach der Mitglieder der besprochenen Gruppe wahrscheinlich „so sind“. Je länger sich kein Kontakt mit den durch die Klischees bezeichneten Personen ergibt und je länger man innerhalb der gleichen Gruppe mit ähnlichen Anschauungen bleibt, desto mehr erstarren und verfestigen sich die Klischees.
Die Modifikation und der Abbau von Hypothesen/Klischees durch direkten Kontakt ist deutlich leichter und wirksamer als durch die Informationsvermittlung. Man weiß, dass zum gleichen Sujet oft sehr unterschiedliche Meinungen kursieren und dass Informationen auch verfälscht oder gefiltert weitergegeben werden können. Nimmt man an, dass Afrikaner Weißen intellektuell unterlegen seien und hört man dann in einer Sendung, dass Afrikaner in Wahrheit gleich intelligent seien, so kann man das glauben oder auch nicht. Vielleicht hält man das Medium für unausgewogen, vielleicht konsumiert man eine Reihe von spezifischen Homepages und Sendern, in welchen man in seiner Abwertung der Afrikaner bestätigt wird. Wenn jedoch ein konkreter Mensch vor einem steht, der durch ein Maß an Kompetenz und Zivilisation überrascht, welche man ihm durch seine Gruppenzugehörigkeit nicht zugetraut hätte, kann man die eigene Überraschung kaum als tendenziöse Einstellung/Meinung abtun. Hier steht ein unleugbarer Gegenbeweis gegen die eigene Arbeitshypothese. Falls keine sonstigen Kontakte mit Mitgliedern dieser Population erfolgen, kann man diese Person als untypisch für die beschriebene Gruppe erklären, als Ausnahme, und seine Meinungen beibehalten. Lernt man mehrere Personen aus dieser Gruppe kennen, die dem vermuteten Bild widersprechen, wird man seine Hypothesen meist modifizieren oder vielleicht sogar aufgeben müssen.
Erfolgreiche Bildungspolitik zum Abbau von Klischees müsste daher meiner Ansicht nach folgenden Prinzipien folgen:
1. sie sollte in einem frühen Alter der Vorurteilsträger beginnen, um eine Verkrustung/Erstarrung früher Vorurteile weitgehend zu unterbinden;
2. sie sollte Meinungsänderung vor allem durch direkten und überraschenden Kontakt mit kompetenten Mitgliedern der abgewerteten Gruppen bewirken wollen.
ad 1: Eine ‚Impfung‘ gegen die Erstarrung der frühkindlich überlieferten Vorurteile könnte im Besuch von Afrikanern in Kindergärten/Horten liegen, welche aus der Welt afrikanischer Märchen und Kinderwelten erzählen. Viele Afrikaner können mit Kindern ausgezeichnet umgehen und würden meist einen positiven und bleibenden Eindruck hinterlassen.
ad 2: Eine größere Zahl von Mitgliedern der African Community sollte dem Einzelnen unerwartet an kompetenter Stelle begegnen können. Deren erhöhte Sichtbarkeit an diesen Stellen könnte von Seiten des Staates und der Stadt bewusst gefördert werden.
Ein befreundeter EDV-Manager mit afrikanischem Migrationshintergrund, welcher für Projekte mit einem Budget von 30 Millionen Euro verantwortlich ist, verändert ohne Missionierungsabsicht tagtäglich mehr Meinungen als bestintendierte Informationsveranstaltungen. Seine Kontaktpersonen erwarten sich nie und nimmer an dieser wichtigen und hochkompetenten Position einen höchstqualifizierten Afrikaner. Er steht im offensichtlichen Widerspruch zu Hypothesen/Vorurteilen der geistigen Unterlegenheit von Afrikanern und zu deren mangelnder Eignung für anspruchsvolle wirtschaftliche Spitzenpositionen.
Man könnte afrikanische EDV-Experten – von denen es in Österreich gar nicht so wenige gibt – bei Schulungen von Jugendlichen mit schlechterer Ausbildung einsetzen, um diese z.B. Netzwerktechniken zu lehren. Dies könnte die Berufschancen der Jugendlichen wesentlich verbessern. Dies hätte zur Folge, dass die Jugendlichen Afrikaner nicht als Konkurrenten, sondern als Helfende in ihrer schwierigen Situation erleben. Darüber hinaus wären sie überrascht von der Kompetenz der Afrikaner in einem für die Jugendlichen hochkomplexen Bereich. Diese Eindrücke stünden in direktem Gegensatz zum Klischeebild der Sozialparasiten und geistig Unterlegenen, als welche Afrikaner oft betrachtet werden.
Wie effizient persönlicher Kontakt beim Abbau von Vorurteilen ist, zeigt sich auch in deutlich besseren Bildern von Afrikanern bei jüngeren Menschen. Viele jüngere Menschen kennen Afrikaner vom Kindergarten oder von der Schule her, sie können ihre möglicherweise vorher bestehenden Klischeebilder anhand konkreter Personen überprüfen. Nach unseren Untersuchungen können sich nur 28% der über 55jährigen vorstellen, mit Afrikanern befreundet zu sein, bei den unter-25jährigen sind es immerhin 63%. In praktisch jedem Vorurteilsbereich haben jüngere Menschen deutlich seltener Vorurteile gegenüber Afrikanern als ältere Menschen. Ein wesentlicher Faktor dafür dürfte auch ihre wesentlich bessere Vertrautheit mit diesen sein.
Dass Afrikaner auch in den Medien stärker sichtbar werden, ist absolut wünschenswert, und auch als zartes wachsendes Pflänzchen beobachtbar. Dass eine Afro-Österreicherin in Zukunft eine der beliebtesten Informationssendungen des ORF moderieren wird, wird mit Sicherheit zu einem verbesserten Image von Afrikanern beitragen. Dies ist praktisch nur der Eisberg einer Reihe von Persönlichkeiten mit afrikanischem Migrationshintergrund wie Karim El-Gawhary, Alexis Neuberg oder Simon Inou, welche mit ihren bemerkenswerten Medienaktivitäten zu einem Umbruch in einer Sparte führen, in welchem bisher Journalisten mit Migrationshintergrund nur eine Nebenrolle spielen[4].
Eine wirklich positive Entwicklung besteht auch darin, dass Betroffene zunehmend zu Subjekten der Information werden. So war 1996 eine von einer Redakteurin geplante Club 2-Diskussion, in der ausschließlich AfrikanerInnen als Gäste eingeladen werden sollten, undenkbar gewesen. 2010 kam diese Sendung zustande. Immer häufiger werden ungewohnte und nicht-traditionelle Bilder von Afrika und Afrikanern gesendet. So war es z.B. erfreulich und mit Sicherheit für viele Menschen im Konflikt mit klassischen Afrikabildern, dass im Rahmen der Berichterstattung über die Fussball-WM 2010 auch die Oper von Cape Town ausführlich vorgestellt wurde.
Die Welt ist im Umbruch und es gibt Anzeichen dafür, dass die klassischen Klischees bezüglich Afrikas und der Afrikaner zunehmend aufgeweicht werden, nicht zuletzt auch aufgrund der besseren Kontaktmöglichkeiten und der immer stärkeren Mitwirkung von Afrikanern in öffentlichkeitswirksamen Bereichen.
[1] Für dominierende Vorurteile siehe z.B. Ebermann, Erwin (ed.). 2007 (3. Auflage). Afrikaner in Wien – zwischen Mystifizierung und Verteufelung. Berlin: LIT.
[2] Die Assoziation mit Drogenhandel ist neu, nicht jedoch die Unterstellung eines zum Schlechten neigenden Charakters. Siehe z.B. die Information über negro in der Encyclopeida Britannica des Jahres 1797: „Vices the most notorious seem to be the portion of this unhappy race – idleness, treachery, revenge, cruelty, impudence, stealing, lying, profanity, debauchery, and intemperance, are said to have extinguished the principal of natural law and to have silenced the reproofs of conscience. They are strangers to every sentiment of compassion, and are an awful example of man when left to himself.”
[3] Der Medienwissenschaftler Florian Arendt untersuchte 2009 über vier Monate hinweg die Berichterstattung der Kronenzeitung und konnte zeigen, dass bei Tatverdächtigen weit überdurchschnittlich häufig auf eine ausländische Herkunft hingewiesen wurde, was bei LeserInnen der Zeitung zu einer Überschätzung der Ausländerkriminalität führen muss.
[4] Laut Petra Herczeg beträgt der Anteil von JournalistInnen mit Migrationshintergrund 0,5%.