Die Schwarzafrikaner und die Österreicher

DIE SCHWARZAFRIKANER UND DIE ÖSTERREI­CHER.

Einige Verständnisprobleme zwischen den Kulturen aus der Sicht von in Öster­reich lebenden Afrikanern.

von Erwin Ebermann[1], AAI  (Hier als PDF)

In Österreich leben etwa 10 000 – 15 000 Schwarzafrikaner[2]. In diesem Artikel, der sich auf einen Teil der Er­gebnisse einer noch unveröffentlichten Studie im Studienjahr 1991/92 über das Leben von Afrikanern in Öster­reich stützt, soll der Frage der Qualität dieser Beziehung nachgegangen werden. Wegen der Kürze des zur Verfügung stehenden Raumes wird die Diskussion methodischer Probleme auf eine nachfolgende größere Publikation verschoben. Es sei aber vorausgeschickt, daß in der Gruppe der 70 Befragten 3 Teilgruppen wahr­scheinlich überrepräsentiert waren: a) Männer gegenüber Frauen; b) Studenten gegenüber Arbeitern und c) si­cherlich in Wien gegenüber in den anderen Bundesländern lebende Afrikaner. Es kann daher sein, daß die Er­gebnisse mehr die Sicht dieser Gruppen als die der anderen widerspiegeln. Durch die erforderte Kürze des Ar­tikels können eine Reihe von wichtigen Zusatzinformationen nicht gegeben werden: Arbeitsplatz-, Studiensitua­tion; monatli­che Einkünfte; Lebensgewohnheiten; Häufigkeit und Qualität der Kontakte mit Österreichern in ver­schiedenen Lebensbereichen usw. Da – aus unterschiedlichsten Gründen – nicht jeder Befragte jede Frage be­antwortete bzw. weitere Fragen im Laufe der Studie erst hinzukamen, können die Antwortzahlen mitunter vari­ieren.

Ich möchte das Problem der mangelnden Integration der Schwarzafrikaner anhand der folgenden Punkte be­handeln:

1. Einstellungen gegenüber Afrikanern, wie sie aus Sprache und Verhalten ersichtlich sind;

2. die spezifischen Erwartungen, die Afrikaner in Freundschaften entwickeln;

3. das Problem des defizitären kulturellen Austauschs zwischen Afrikanern und Österreichern;

4. ein Vergleich der Erwartungen der Afrikaner vor ihrer Ankunft mit dem, was sie vorgefunden haben;

5. ihre Bindung an Österreich als Folge ihrer hiesigen Erfahrungen.

1.1.    Die Probleme der Afrikaner mit der Sichtweise der Österreicher über Afrika und die Afrikaner

In Österreich lebende Afrikaner sehen sich mit einer Fülle von Einstellungen ihnen und ihrem Kontinent ge­gen­über konfrontiert, die sich in unterschiedlichen Bereichen äußern können. Sie zeigen sich unter anderem  in den Bezeich­nungen, die für Afrika und seine Menschen und Religionen verwendet werden; in der Berichter­stat­tung der Medien und in verschiedenen Arten zwischenmenschlicher Beziehungen.

 1.1.1. Die für Afrika und Afrikaner verwendeten Bezeichnungen

Bezeichnet man Menschengruppen in einer für sie verletzenden Weise, dann können diese darauf mit erhöhter Zu­rückhaltung in den Kontaktsituationen reagieren. Gleichzeitig kann der gewählte Ausdruck aber auch auf-schluß­reich über die eigene Geisteshaltung sein.

Auch wenn bestimmte Ausdrücke per se bereits als verletzend aufgefaßt werden, versuchen – nach unseren In­terviews – die meisten Afrikaner sehr wohl zu unterscheiden, ob sie bewußt oder unbewußt ge­wählt wurden, d.h. ob eine verletzende Absicht dahintersteckt oder nicht. Sie werden daher sicherlich bei einer offensichtlich aufgeschlossenen Person anders reagieren als bei einer auch sonst überheblichen.

Wir wollten herausfinden, welche Bezeichnungen die Afrikaner selbst als verletzend und welche sie als ak­zeptabel empfinden. Die schon länger in diesem Bereich arbeiten, werden von den meisten Ergebnissen nicht über­rascht sein. So war natürlich eine heftige Zurückweisung des belasteten Ausdrucks ‚Neger‘ vorauszuse­hen. Wichtig erscheint mir dennoch, daß die unter einer größeren Zahl von Afrikanern aus verschiedenen Re­gionen des Kontinents erhobenen Wertungen eine wesentliche Argumentationshilfe bei Diskussionen bieten. Wer kennt sie nicht, die behaupten, einen Afrikaner zu kennen, der den Ausdruck ‚Neger‘ als akzeptabel be­zeich­net? Amüsant mag höchstens sein, daß die, die so sprechen, scheinbar alle den gleichen Afrikaner ken­nenge­lernt haben. Denn nur ein Afrikaner in der Befragung akzeptierte den Ausdruck.

Wenn Sie  … genannt wer­den, ist es für Sie … verletzend unangenehm teils/teils eher positiv in Ordnung Grad der Ablehnung[3]
Neger 26 4 6   1 4,46
Farbiger 9 11 4   9 3,33
Schwarzafrikaner 2 1 7 4 23 1,78
Schwarzer 1 2 7 2 25 1,70

Es ist genügend bekannt, daß die Bezeich­nung ‚Neger‘ von Afrikanern mit dem englischen Wort „Nigger“ und folg­lich mit der Sklavenzeit as­soziiert und daher als hochgradig verletzend empfunden wird. Die Be­zeichnung ‚Farbiger‘ wird von einigen als etwas un­gewohnt einge­stuft. Weitgehend akzeptiert werden die mit der Nennung der (natürlich verallgemeinern­den) Körperfarbe verbundenen Bezeichnun­gen ‚Schwarzafrikaner‘ und ‚Schwarzer‘. Afrikaner selbst schlagen – falls keine genauere Spezifikation erfor­derlich ist – meist den unge­nauen Aus­druck ‚Afrikaner‘ vor.

Um zu untersuchen, inwieweit der Ausdruck ‚Neger‘ überhaupt noch verwendet wird, haben Gabriele Slezak, Bettina Frislovics und Helene Trauner insgesamt etwa 50 ‚weiße‘ Personen bezüglich der Wahl ihrer Bezeichnungen für Afrikaner befragt. Etwa 90% aller Befragten akzeptieren den Ausdruck in Gesprächen, etwa ein Viertel verwen­det ihn auch weiter und nur etwa ein Zehntel weist diese Bezeichnung eindeutig zurück. Viele Österreicher sind verunsichert, welche Ausdrücke sie verwenden sollen. In den Medien wird der Ausdruck ‚Neger‘ kaum mehr verwendet. In einer zweiwöchigen Untersuchung über die Afrikaberichterstattung von Krone, Kurier und Presse fand sich nur in den Aussagen von Interviewpartnern, nicht aber in Kommentaren, eine Verwendung dieser Be­zeichnung.

Hingegen ist es nicht weiter verwunderlich, daß eine große Mehrheit der Afrikaner den Ausdruck ‚Schwarzer‘ bzw. ‚Schwarzafrikaner‘ eher akzeptiert, gibt es doch auch in der Mehrzahl afrikanischer Sprachen farbbezo­gene Kategorisierungen von Menschengruppen: z.B. in der Bambarasprache Malis für den Europäer /farajè/ ‚Weißhaut‘ bzw. /tulobilènin/ ‚kleines rotes Ohr‘, /farafin/, ‚Schwarzhaut‘, für den Afrikaner oder in der Nord­samosprache Burkina Fasos /seeci/ ’schwarzer Mensch‘ für Afrikaner bzw. /seefu/ ‚weißer Mensch‘ für den Eu­ropäer etc.

Wenn Ihr Land .. genannt wird, ist es für Sie … verletzend unangenehm teils/teils eher positiv in Ordnung Grad der Ablehnung
unzivilisiertes Land 30 2     3 4,60
armes Land 14 5 8 1 6 3,59
unterentwickeltes Land 16 5 1   10 3,53
Entwicklungsland 6 4 6 2 17 2,43
Land des Südens   5 13 1 15 2,24
Nichtindustrieland 2 5 5 1 20 2,03

Während es kaum erstaunlich ist, daß der Ausdruck ‚unzivilisiertes Land‘, der ja eindeutig Lebensformen als minderwertig beurteilt, am meisten abgelehnt wird, überrascht doch, daß ‚armes Land‘ negativer gesehen wird als ‚unterentwickeltes Land‘. Es mag hier verschiedene Erklärungsmodelle geben: a) die ständige Kata­stro­phenberichterstattung der internationalen und natürlich auch österreichischen Medien über Afrika (siehe auch Einschätzung der Medien) führt zu einer extremen Übersensibilisierung von Afrikanern in diesem Bereich. Man hat es satt, daß Afrika immer nur von seinen Schwächen her gezeigt wird, auch wenn der Gesprächspartner viel­leicht damit nur Solidarität ausdrücken will; b) Armut ist auch in Afrika Anzeichen für Scheitern, für gesell­schaftliche Unter- und Überordnung und insofern auch Maßstab für die Über- und Unterlegenheit von Kulturen und Personen. Die fol­genden Sprichwörter aus der großen Kultur der Bambara in Mali zeigen, daß Arme auch in Afrika kein sonder­lich großes Prestige genießen:

faantan nana dinyèsen minè a wòròbagaw ye. Der Arme ist in die Welt gekommen für die, die den Rahm der Welt abschöpfen = der Arme wird zum Diener der Anderen, die den Rahm seiner Arbeit abschöpfen.

faama ka gwèsè ye faantan ye. Der Arme ist die Zahnbürste der Reichen (der mit ihm machen kann, was er will).

ko tè to kulusikolontigi ta la, nka a laban bè to a la. Man folgt nicht den Lehren eines ärmlich Gekleideten, auch wenn er am Ende recht hat.

faantan ni kuntanya tè ban. Der Arme wird immer für einen Dummkopf gehalten.

faantan jo, faantan jalaki, a na bo kè a bèè la. Ob der Arme recht oder unrecht hat, spielt keine Rolle (w. er kann darauf sch…).

c) die Messung des Entwicklungsstands von Nationen am Bruttonationalprodukt pro Kopf der Bevölkerung ver­stärkt natürlich den Eindruck, daß ein materiell Armer gleichzeitig unterentwickelt ist. Der oft solidarisierende Hinweis auf die Armut kann daher auch als Andeutung auf einen niedrigeren Entwicklungsstand gesehen wer­den.

Der Ausdruck ‚Entwicklungsland‘ wird weit nicht so negativ beurteilt wie ‚unterentwickeltes Land‘, da er – weil vielleicht weniger Unterordnung ausdrückend – als weniger wertend empfunden wird. Der unspezifische und auch vielfach unpräzise oder falsche Ausdruck ‚Land des Südens‘ sowie der rein wirtschaft­liche Ausdruck ‚Nichtindustrieland‘ werden hingegen eher akzeptiert. Die Befragten schlagen selbst meist die Nennung des Landesnamens vor, aber auch häufig den Ausdruck ‚Drittweltland‘.

Wenn afrikanische Religio­nen als .. bezeichnet werden, ist das für Sie … verletzend unangenehm teils/teils eher positiv in Ordnung Grad der Ablehnung
Fetischismus 15 8   1 5 3,93
Elementarreligion 10 3 1 1 5 3,60
Animismus 10 4 4 2 4 3,58
Voodoo 9 6 2   6 3,52
Ahnenkult 4 4 4 3 8 2,70
Naturreligion 3 3 3 8 10 2,30
traditionelle Religion 1 2 4 1 19 1,70

Fetischismus, Animismus und Voo­doo werden eng mit ‚Schwarzer Magie‘, mit Aberglauben etc. assoziiert. Am – vielen nicht so geläufigen – Ausdruck ‚Elementarreligion‘ stört meist die Vorstellung, daß damit ein pri­mitives und allzu einfaches religiöses Weltbild beschrieben werden soll.  Für viele ist hingegen die Be­zeichnung ‚Ahnenkult‘ akzeptabel, weil die ‚Ahnen‘ (wie natürlich auch in den Verkündi­gungsreligionen) eine gewisse Rolle spielen. Die Nichttrennung von Gott, Mensch und Na­tur im religiösen Weltbild läßt die Be­zeichnung ‚Naturreligion‘ für viele als annehmbar er­scheinen. Der weniger die Art, als vielmehr Geschichte be­schreibende Begriff ‚traditionelle Religion‘ wird von den meisten akzeptiert. Er ist auch der am häufigsten von den Befragten selbst vorgeschlagene Begriff.

Sicherlich ist störend, daß die komplexe Realität der afrikanischen Religionen durch die meisten der hier ange­führten Bezeichnungen terminologisch auf ein einziges Merkmal reduziert wird.

 1.1.2. Die Afrika-Berichterstattung in den österreichischen Medien

Seinen wahren kulturellen Stellenwert in unserer Gesellschaft erfährt der Fremde aber noch stärker durch die Berichterstattung in den Massenmedien. Er erfährt in ihnen, was für die Mehrzahl der Bürger interessant bzw. offensichtlich uninteressant ist. Meinungen werden durch Medien geprägt, verstärkt oder abgeschwächt. Wie empfinden Afrikaner die Qualität und das Engagement der afrikaspezifischen Berichterstattung in den ge­bräuchlichsten Medien der österreichi­schen Szene?

Die Afrika-Berichterstattung im … finde ich … verletzend unzutreffend neutral zutreffend wohlgesinnt ubk. Note[4]
Krone 18 19 3 2 1 17 4,19
Kurier 13 17 8 4 1 16 3,86
ORF 15 19 15 5 1 5 3,76
Presse 5 12 12 3 1 27 3,51
Standard 4 12 13 6 3 21 3,21

Die Beurteilung der österreichi­schen Me­dien fällt überwiegend negativ aus. Am besten, trotz leicht negativer Ge­samtnote, schneidet der Standard, ge­folgt von der Presse ab, ziemlich schlecht der ORF, der andererseits den größ­ten Bekanntheits­grad genießt. Als ex­trem ne­gativ und groß­teils ver­let­zend – vielleicht nicht ganz unbe­gründet ­- wird die Afrikabe­richt­erstattung der Kronenzei­tung eingestuft.

Weshalb wird den Medien bzw. deren Journalisten schlechte Berichterstattung über Afrika vorgeworfen?

a) Am häufigsten (19x) wird die äußerst negative Sicht Afrikas angesprochen, d.h. daß nahezu nur von Katastrophen in Afrika berichtet wird, aber kaum jemals von seinen schönen und konstruktiven Sei­ten. Damit wird das Bild eines verarmten und stets von den Almosen der Anderen abhängigen Konti­nents erzeugt;

b) 16x wird den Journalisten bewußte bzw. unbewußte Fehlinformation unterschoben: Sie werden kritisiert, zu einseitig zu berichten und nicht alle Facetten zu beleuchten; Vorurteile ungeprüft weiter­zu­geben und zu verstärken; allzusehr zu verallgemeinern; aus Absatzgründen eher das Sensationelle zu betonen und dabei mitunter auch die Realität ein wenig zurechtzubiegen etc.;

c) zu oberflächlich und inkompetent zu sein, weil sie selbst zu wenig über Afrika wüßten bzw. den Kontinent nicht ernst nähmen.

G. Slezak und H. Trauner untersuchten zwei Wochen lang, inwieweit die Berichterstattung in Krone, Kurier und Standard dieses harte Urteil der Afrikaner rechtfertigt. Sie kamen auf etwa 70% katastrophenabhängige Be­richterstattung in allen drei Zeitungen. Die Unterschiede in der Berichterstattung lagen somit weniger in der Themenwahl, denn in der Art und Qualität der Darstellung desselben. Dort, wo der größte Prozentsatz an katastrophenunabhängiger Berichterstattung beobachtet wurde (im Kurier), fällt ihr seitenmäßiger Umfang auch be­sonders klein im Verhältnis zur katastrophenabhängigen aus, d.h. daß ein Artikel über eine Katastrophe meist wesentlich umfangreicher ist als etwa eine Berichterstattung über landesspezifische Wahlen.

Das äußerst negative Urteil der Afrikaner über die österreichische Medienlandschaft läßt verständlich er­schei­nen, warum ein relativ großer Teil von ihnen regelmäßig zu ausländischen Zeitungen greift. Das wiederum er­schwert aber ihre Integration, weil ein Teil unserer Werte auch über die Zeitungsmedien weitergegeben wird.

Wie oft lesen Sie .. nie mehrmals monatlich mehrmals wöchentlich täglich
österreichische Zeitungen 6 13 22 17
europäische Zeitungen 9 17 20 11

Wie anzunehmen war, steigt mit der Aufenthaltsdauer in Österreich und mit zunehmender Beherrschung der deut­schen Sprache die Zahl derer, die österreichische Zeitungen öfters lesen. Die durchschnittliche Aufent­halts­dauer derer, die angeben, täglich zu österreichischen Zeitungen zu greifen, liegt bei knapp unter fünf Jah­ren; hingegen sind die, die nie zu österreichischen Zeitungen greifen, im Durchschnitt erst 2,5 Jahre im Land. Aber der Verzicht auf das Lesen österreichischer Zeitungen kann nicht allein durch schlechte Sprach­kenntnisse erklärt werden: ein Viertel derer, die sehr gut Deutsch sprechen, liest trotzdem nie­mals österreichische Zeitun­gen. Die Erklärung dafür liegt wahrscheinlich in erster Linie in der mangelnden Qualität der hiesigen (Afrika)-berichterstattung.

1.1.3. Die Reaktionen der Österreicher auf den Schwarzafrikaner

Wer aus einer anderen Kultur stammt, nimmt ein Bündel von Eigenheiten mit, die unterschiedlich beurteilt wer­den. Zum Beispiel mag bei Moslems in erster Linie die Religion und erst in zweiter das Aussehen mit Mißtrauen betrachtet wer­den. Wie fühlen sich Afrikaner in unterschiedlichen Bereichen geschätzt oder abgelehnt?

 Allgemeine Einschätzung:

Haben die Österreicher Vorur­teile bezüglich Ihrer …. alle die meisten viele wenige niemand weiß nicht Vorurteils-häufigkeit
Hautfarbe 2 20 14 18 4   2,97
Armut 4 13 11 15 8 1 2,81
Denkensweise 2 13 14 14 11   2,64
Kultur   16 11 21 9   2,60
Religion   6 4 17 31   1,74

In absteigender Vorurteilshäufigkeit finden wir somit:

a) die Hautfarbe: nach Ansicht der Afrika­ner wer­den sie zuallererst we­gen ihrer Hautfarbe und der damit as­soziierten Vor­stel­lungen abge­lehnt. Jedoch wissen Afri­kaner durchaus zu unter­scheiden, in wel­chen Berei­chen die Haut­farbe von Vor- bzw. von Nachteil ist.

b) gleich danach folgt die Assoziie­rung der Afri­kaner mit Armut, mit der Rolle von ‚hilfsbedürftigen Personen, die stets fremder Un­terstützung be­dürfen‘. Afrikaner, die über mehr als 11000,– ö.S. mo­natlich verfügen, sind deut­lich weniger dieser Ansicht. Dies hängt wohl mit einer anderen Art des Auf­tretens, der Kleidung usw. zusammen. Man muß sich geradezu fragen, ob durch den ständigen Hin­weis auf die Armut des Kontinents nicht ein erhöhter Druck auf die Afrikaner gegeben ist, durch die Anhäu­fung verschiedener Statussymbole zu beweisen, daß der Kontinent nicht so bemitleidenswert arm ist wie be­richtet;

c) die Denkensweise;

d) die Kultur;

e) in religiöser Hinsicht fühlt sich die Mehrheit der Afrikaner durchaus respektiert, doch gilt es zu be­rücksichtigen, daß der Großteil der in Wien lebenden Afrikaner christlichen Glaubens ist. Etwas weni­ger als 1/4 der befragten Afrikaner sind Moslems. Diese beurteilen die hiesige religiöse Toleranz we­sentlich kritischer: Während nur 7% der Christen der Meinung sind, daß der Großteil der Österreicher Vorbehal­te wegen der Religion der Afrikaner hätten, sind ungefähr die Hälfte der Moslems dieser An­sicht.

 In Beziehungen erscheinende Vorurteile

Afrikaner zu sein, ist nicht in allen Arten von Beziehungen und Situationen in gleicher Weise hinderlich oder för­derlich:

Ist Ihre Hautfarbe ein Nachteil, wenn Sie …. immer meistens manchmal selten niemals Nachteils-koeffizient
mit einem Österreicher eine Freundschaft beginnen wollen? 2 6 20 13 17 2,36
mit einem Österreicher eine Lie­besbeziehung beginnen wollen? 3 4 15 16 14 2,35

In vielen, aber nicht in der Mehrzahl der Fälle, stellt die Hautfarbe ein Hindernis dar, wenn ein Afrikaner eine Freund­schaft oder eine Liebesbeziehung mit einem/-r ÖsterreicherIn aufbauen will. Hautfarbe in Verbindung mit dem Vorurteil der Armut führen häufig zur Einstufung als potentieller Sozialfall, weswegen oft auch ein größerer Widerstand der Eltern ge­gen eine Liebesbeziehung zu bemerken ist.

Ist die Beziehung jedoch nur von extrem kurzer Dauer und entstehen daraus keinerlei weitere Verpflichtungen, kann auf Grund anderer Vorur­teile die Hautfarbe sogar als Vorteil empfunden werden:

Ist Ihre Hautfarbe ein Vor- oder ein Nachteil, wenn Sie mit ei­nem/-r ÖsterreicherIn eine Nacht verbringen wollen? Anzahl
Nachteil 4
egal 32
Vorteil 12
weiß nicht 1

Eine klare Aussage: Die Hautfarbe ist bei sexuellen Kontakten eher ein Vorteil, denn ein Nachteil. Das Kli­schee vom Sexualübermen­schen Afrikaner schlägt voll durch und ist auch den Betroffenen großteils bewußt. Die Hautfarbe erleichtert es, mit jemandem ein kurzfristiges und unverbindliches Verhältnis zu haben, wäh­rend sie den Auf­bau einer Liebes- oder Freundschaftsbeziehung erschwert.

 Die Rolle der Hautfarbe bei flüchtigen Kontakten

Dabei wurde abgefragt, wie oft verschiedene Formen der Zustimmung bzw. der Ablehnung bei zufälligen Kon­takten auf der Straße vorkommen.

  Frequenz
Wenn Sie durch die Stadt gehen,  ….. täglich wöchentlich selten nie
werden Sie angesprochen 2 8 37 12
wird Ihnen Hilfe angeboten 1 3 38 16
kommt es zu Annäherungsversuchen 6 2 27 20
werden Sie geringschätzig angeblickt 10 9 28 8
sagt man abfällige Worte über Afrikaner 10 10 26 11
werden Sie beleidigt 3 8 35 14
werden Sie attackiert 12 48

Ein Fünftel der befragten Afrikaner ist bereits wegen seiner Hautfarbe attac­kiert worden. Geringschätzige Blicke und abfällige Worte treten im Leben unserer afrikanischer Gäste relativ häufig auf. Besonders bei unerwünsch­ter aber unvermeidlicher Nähe, wie z.B. in der Straßenbahn, scheint die Intensität und Häufigkeit abweisender Blicke zuzunehmen.

Die persönliche Sensibilität, vielleicht auch das Mißtrauen ist bei den Moslems wesentlich größer als bei den anderen Afrikanern. 2/3 aller befragten Moslems sind der Meinung, daß es zumindest einmal wöchentlich in ih­rer Gegenwart zum Ausdruck von Geringschätzung kommt, während nur 1/4 (27%) der Christen dieser Mei­nung sind. Die in Medien und im Bürgermund häufig gegen Moslems gerichteten negativen Einstellungen ha­ben offensichtlich zur Folge, daß sich diese eher als andere disktriminiert fühlen, auch dort, wo die Religion keine Rolle spielt.

Die Rolle der Hautfarbe bei der Wohnungssuche

Auf die Frage, wieviele Österreicher einen Afrikaner bei der Wohnungssuche von vornherein ablehnen wür­den, antworteten:

Es weisen bei Wohnungssuche ab .. alle die meisten viele wenige niemand weiß nicht
Anzahl 6 20 10 11 4 1

Etwa die Hälfte der Befragten glaubt, daß die überwiegende Mehrheit der Österreicher einen Afrikaner bei der Wohnungssuche abweist. Einmal abgewiesen, ersuchten viele Afrikaner österreichische Freunde, sich eben­falls um die Wohnung zu bewerben, und erkannten an deren Erfolg, daß sie als Fremde und Afrikaner abge­lehnt wurden.

Dennoch mag gerade die Abweisung bei der Wohnungssuche für den Afrikaner besonders verletzend sein, gilt doch das Zuverfügungstellen einer Wohnmöglichkeit in Afrika als Zeichen des Respekts vor der Würde des An­dern, wie man unter anderem aus folgenden Sprichwörtern der angesprochenen Bambarakultur in Mali ersehen kann:

dunan ni so tè yaala. Ein Fremder reist nicht mit seinem Haus herum, d.h. man muß ihm deshalb Unterschlupf gewähren.

si sòrò ka gèlèn siyòròko ye. Es ist schwerer, alt zu werden als eine Unterkunft zu finden.

Aber auch in Afrika muß der Fremde seine Grenzen kennen:

sontan te sògòma dònkili da. w. Der Hauslose (=Fremde) soll nicht das Lied des Morgens singen, d.h. wie ein Hahn alle aufwecken = er darf nicht alles tun, was ihm gefällt, er muß als Gast besondere Rücksicht auf die lokalen Gegebenheiten nehmen.

dunan ye nkòmi ye. a bi na tile bi tuma, a bi taa tlebò tuma. Der Fremde ist wie der Tau, er kommt in der Nacht und geht am Morgen.

Doch ist auch bei der Wohnungssuche ist das Auftreten und noch mehr die vom Österreicher vermutete Ein­kommensschicht von großer Bedeutung:

  Einkommen des Befragten
Bei Wohnungssuche weisen ab: -5000 5001-11000 11000+
alle 2 2 1
die meisten 7 11 1
viele 1 5 4
wenige 2 3 6
niemand 1 1 2
weiß nicht   1  
Abweisungsgrad 3,54 3,46 2,50

Mag auch die Hautfar­be von Öster­reichern als unangenehm empfunden werden, wenn der Afrikaner bes­ser verdient und sich dadurch eine höhere Miete lei­sten kann, so ist er eher willkom­men. In der oben angeführten Über­sicht sind ausschließlich die, die mehr als 11 000,– mo­natlich ver­dienen in der überwiegenden Mehr­heit der An­sicht, daß nur eine Minderheit der Österrei­cher bei der Wohnungssuche abweist.

1.2. Probleme in Freundschaften zwischen Afrikanern und Österreichern

Der Kontakt ist geschaffen, zwei Menschen finden sich sympathisch und eine Freundschaft könnte beginnen. Diese hat aber nur geringe Erfolgschancen, wenn sehr unterschiedliche Vorstellungen von den wichtigsten Elementen einer Freundschaft vorhanden sind. Die afrikanischen Gesprächspartner wurden gefragt, was für sie die 3 wichtigsten Elemente einer Freundschaft seien, wobei sie aus einer Liste vorgegebener Elemente aus­wählen konnten.

1.2.1. Die wesentlichen Elemente einer Freundschaft aus afrikanischer Sicht

gegens. Hil­fe Ehrlichkeit Vertrauen Interesse für Kultur des Anderen gegens. Re­spekt Loyalität Treue gegenseitige Besuche
30 30 30 29 19 9 7 7

Toleranz seelischer Beistand Verfügbarkeit in Notfällen gleiche Einstel­lungen gleiche Religion Ge-schenke
6 5 5 4 1 0

Wie aus der Übersicht ersichtlich, sind Ehrlichkeit, Vertrauen und gegenseitige Hilfe für die Befragten die wich­tigsten Elemente einer Freundschaft. Viele Afrikaner meinen, den Gefühlen bzw. der Sympathie eines Österrei­chers nicht trauen zu können, weil es oft zu einem für sie nicht vorhersehbaren Rückzug desselben kommt, was sie mit Mangel an Ehrlichkeit assoziieren. Vertrauen hängt eng mit Ehrlichkeit zusammen. Ge­genseitige Hilfe ist wesentlicher Bestandteil einer Gesellschaft, die ihren Mitgliedern keine ausgebaute soziale Sicherheit darbieten kann und somit eine Art Sozialversicherung; auch in Österreich, wo die Mehrzahl der Afrikaner über keine feste Anstellung und somit nicht über regelmäßige Einkünfte verfügen. Die Notwendigkeit zur gegenseitigen Hilfe in der afrikanischen Gesellschaft zeigen die folgenden Bambarasprichwörter:

bolo fila bè nyògòn ko ka jè. Zwei Hände waschen einander, um rein zu werden.

ni i ye dugaw ye mògò su kan, e ka a fò bò an kan, e kana a fò: bò mògò su kan. Wenn du Geier über dem Leichnam eines Menschen siehst, dann sag: „Geht von uns weg!“ und nicht „Geht vom Leichnam weg!“. D.h. Man soll sich mit einem Menschen in Not solidarisieren und identifizieren.

Interesse für die Kul­tur des Anderen ist wohl hier in Österreich für die Afrikaner von subjektiv größerer Bedeu­tung als in ihrem Heimatland, weil sie sich der Geringschätzung ihrer Zivilisation seitens der Österreicher be­wußt sind. In unse­ren Zeitschriften gibt es eine große Tendenz, viele Vorkommnisse in Afrika als ‚Stammes-konflikte‘ bzw. ‚Tribalismen‘ zu erklären. Wäre es da nicht naheliegend, daß der Afrikaner in Freund­schaften eher Menschen mit ‚gleichen Einstellungen‘, mit ‚gleicher Religion‘ suchen müßte? Gerade diese bei­den Elemente von Freundschaften liegen aber nur an dritt- und vorletzter Stelle der Wichtigkeitsskala. Dies be­trachte ich durch­aus als ein weiteres Indiz für eine wahrscheinlich richtigere Deutung von ‚Tribalismen‘ als Wirt­schaftskonflikte und -interessen, sind doch viele der Konflikte zwischen afrikanischen Völkern Konflikte ver­schiedener Wirt­schaftsformen um knapper gewordene Ressourcen (z.B. Viehzüchter vs. Bauern) .

  die wichtigsten Elemente einer Freundschaft  
Herkunfts-region Interesse für Kultur des Ande­ren gegens. Hilfe Seeli-scher Beistand Ehrlich-keit Treue Vertrauen gegens. Besuche Toleranz gegens. Respekt Verfüg-barkeit in Notfällen gleiche Einstel-lungen
Nordafrika 1 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0
Ostafrika 4 7 1 8 4 10 1 1 6 1 1
Südafrika 1 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0
Westafrika 21 19 4 17 2 17 6 2 10 2 2
Zentralafrika 2 4 0 4 1 3 0 2 2 1 1
                         

Interessanterweise steht bei Westafrikanern ‚Interesse für die Kultur des Andern‘ an erster, bei Ostafrikanern nur an 5. Stelle. Der Grund kann u.a. darin liegen, daß viele der größten (und auch die ältesten) schwarzafri­kanischen Königreiche in Westafrika beheimatet waren. Der Stolz auf diese Geschichte scheint nach meinem subjektiven Empfinden in Westafrika meist auch ausgeprägter als in Ostafrika zu sein und daher ist auch der stärkere Wunsch verständlich, daß der österreichische Gesprächspartner diesen Traditionen mehr Wertschät­zung entgegenbringen sollte.

1.2.2. Worauf man bei der Freundschaft zu einem Österreicher besonders achten muß

Mit zunehmender Erfahrung in Österreich legen sich Afrikaner Strategien zurecht, wenn sie Men­schen zu Freunden machen wollen. Worauf müssen sie bei der Anbahnung von Freundschaften in Österreich beson­ders achten?

a) auf große Reserviertheit des Österreichers (17x). Die zwischenmenschliche Distanz als Merkmal der österreichischen Kultur erlaubt keine schnelle Annäherung, die Akzeptanz der Privatsphäre des Andern kann über Gelingen und Nichtgelingen einer Freundschaft entscheiden. Allzu große Nähe soll nach Möglichkeit vermieden werden. Gefühle müssen gedrosselt werden, weil sich sonst Österreicher leicht überfordert fühlen. Ein Teil der Distanz wird auf Vorurteile Afrikanern gegenüber zurückgeführt, auf den Mangel an Information über afrikanische Kulturen und Mentalitäten, was in Arroganz und Urangst vor dem Fremden resultiert. Von großer Bedeutung ist die Gleichwertigkeit der Beziehung (materiell etc.), deren Fehlen die Ängste auf der österreichischen Seite schnell vergrößern kann;

b) andere Arten der Gesprächsführung, besonders die Tabuisierung  verschiedener Themen und In­toleranz bei der Gesprächsführung (9x). Man sollte mit Österreichern nicht allzuviel über Politik, über Rassismus sprechen. Man darf sich auch nicht allzuviele Fehler erlauben, weil sie sich und die Situa­tion zu ernst nehmen. Andererseits muß man bei offenen Gesprächen auch keine Rücksicht auf Al­ters­unterschiede nehmen;

Ich habe mich oft gefragt, warum es scheinbar so viel einfacher ist, mit einem Afrikaner eine herzli­che, amüsante Beziehung aufzubauen, als mit Österreichern. Ich glaube heute, daß dies mit der Rigidi­tät der Statusvergabe in afrikanischen Gesellschaften zu tun haben könnte. Auch heute noch, auch in afrikanischen Großstädten, wird dem Menschen, größtenteils auf Grund seines Alters, ein gewisser Prestigevorschuß zuteil. Diesen Bonus kann er nur in bescheidenen Maße und nur recht langsam ver­größern bzw. verkleinern. Dies hat zur Folge, daß er in der Kommunikation und in seinem sonstigen Aus­drucksverhalten auch freier agieren kann, weil sein Risiko wesentlich geringer als das eines Euro­päers ist. Er kommt weniger schnell auf der sozialen Leiter nach oben, aber auch weniger schnell nach unten. Ist es Zufall, daß Afrikaner sich z.B. auf der Tanzbühne meist sehr viel expressiver, ungezwun­gener verhalten als unsere Landsleute? Bei uns ist der erste, oberflächliche Kontakt oft mit einem Kräf­temes­sen gleichzusetzen. Visitkarten werden präsentiert, aus denen der Status zum Teil hervorgeht. In der folgenden Unterhaltung, meist eigentlich Diskussion, wird versucht, dem Anderen möglichst zu be­wei­sen, daß man sich zumindest auf dem gleichen, wenn nicht auf einem höheren Niveau befindet. Durch die große Gefahr, nicht seinem Wert entsprechend eingestuft zu werden, liegt die Taktik oft darin, pri­mär Fehler zu vermeiden und nur das scheinbar Sattelfeste zu präsentieren, was ein erheblich redu­ziertes Ausdrucksspektrum zur Folge hat, ob in Witz, ob in Gestik, ob in Mimik. Ist es unlogisch, daß ein Österreicher gehemmt tanzt, wenn er damit rechnen muß, daß ein Zuseher zu seinem Ge­sprächspart­ner sagt: „Schau Dir den an, wie blöd der tanzt!“? Insofern hat die österreichische Flexibili­tät bei der Statusvergabe Rigidität des Verhaltens zur Folge, während es bei vielen Afrikanern umge­kehrt zu sein scheint. Dieses Nichtverzeihen von Fehlern von Seiten der Österreicher stellt für viele Afrikaner ein Problem dar.

c) sonstige Wesenszüge (10x) wie Aggressivität, Ehrlichkeit, Brutalität, leichte Verletzbarkeit, Ras­sismus, Falschheit.

Vergleicht man die wesentlichen Elemente einer Freundschaft aus afrikanischer Sicht mit den Erfordernissen einer Freundschaftsbeziehung zu einem Österreicher, so fällt besonders der Widerspruch auf, daß für Öster­rei­cher die (auch materielle) Gleichwertigkeit von Beziehungen von großer Bedeutung ist (und damit auch die Wahrscheinlichkeit geringer wird, dem Anderen helfen zu müssen), während für Afrikaner, wegen ihrer schlech­teren Existenzabsicherung, es viel normaler ist, daß der, dem es momentan besser geht, dem Schlechterge­stellten unter die Arme greift und im umgekehrten Falle vom anderen unterstützt wird. Dieser Gegensatz muß fast zwingend zu Problemen führen.

1.3. Der einseitige Kulturaustausch

Wo Menschen verschiedener Kulturen aufeinandertreffen, könnte große gegenseitige Bereicherung als Pro­dukt entstehen. Wo Menschengruppen andere jedoch sträflich unterschätzen, wird die Qualität des Inputs der Ande­ren unterschätzt und dadurch negiert. Die Afrikaner dürften somit mehr von Österreich mitnehmen, als sie hin­terlassen.

 1.3.1. Was glauben die Afrikaner, von Österreich/-ern lernen zu können?

In welchen Bereichen finden sich die Elemente, die unsere afrikanischen Gäste als wertvoll empfinden und mit sich mitnehmen wollen? Worin fühlen sich sich durch unsere Kultur bereichert? Was glauben sie, von uns ler­nen zu können? Worin empfinden sie vielleicht auch Defizite ihrer eigenen Gesellschaften? Sie lernen von uns spezifisch:

a) Wissen über österreichische Kultur und Tradition (39x). Darunter sind alle Bestandteile österrei­chischen Lebens aufgezählt, wie Lebens-, Ernährungsweise, Lebenseinstellung, Musik, Architektur etc.

b) große Effizienz der Gesellschaft und des Individuums (19x). Als besonders positive Elemente werden hier Pünktlichkeit, vorausschauendes Planen, Zuverlässigkeit, Organisation, wirtschaftliches Denken, Sparsamkeit und Disziplin genannt;

c) nützliche Kenntnisse (12x). Hier werden spezifisch die Möglichkeiten, in Wissenschaft, Technik und Kultur Kenntnisse erlangen zu können, hervorgehoben;

d) Sozialsystem und gesellschaftlicher Aufbau (10x). Dabei wird auf das Sozial- und Bildungssy­stem hingewiesen, aber auch auf die Offenheit zwischen den Generationen sowie auf die relativ gut funktio­nierende Demokratie;

e) Eigenschaften (10x). Hier wird ein Bündel von meist mit Ordnung und Kontrolle zusammenhän­genden Eigenschaften subsummiert wie z.B. Ordnungssinn, Selbständigkeit, Selbstbeherrschung, Vor­sicht, Verantwortung, Sauberkeit etc.

Auffallend ist die nahezu völlige Absenz von Elementen, die mit seelischer Bildung, mit dem Charakter zu­sam­menhängen. Offensichtlich wird unsere Gesellschaft trotz all unserer Überlegenheitsgefühle in menschli­cher Hinsicht als sehr arm eingestuft. Unsere Rosinen, die übernehmenswert erscheinen, liegen eher in der Wis­sensvermittlung und der Organisation.

 1.3.2. Was sollten Österreicher von Afrikanern lernen?

Bei dieser Frage sollten Afrikaner beantworten, worin sie Defizite der österreichischen Gesellschaft sehen. Sie erblicken sie in:

a) der Einstellung zum Mitmenschen (40x). Besonders werden die Beziehungen außerhalb des Familienkerns als defizitär empfunden. Hier wird insbesonders der Mangel an Offenheit, an Toleranz, an Hilfsbereitschaft, am Sinn für Gemeinschaftsleben, Respekt und Hilfsbereitschaft für ältere Men­schen, Kontaktfreudigkeit hervorgehoben. Häufig erwähnt wurde auch die negative Einstellung dem und den Fremden gegenüber, die durch ungenügende Akzeptanz und Respektierung derselben, vie­len Vorurteilen, Mangel an Interesse für andere Kulturen gekennzeichnet ist. Auch der mangelnde Zu­sam­menhalt innerhalb der Familien wurde als verbesserungsfähig kritisiert;

b) afrikanische Landes- und Menschenkunde (34x). Es wird vielfach die Meinung vertreten, daß zu­wenig Wissen über Kultur und Denkweisen der Afrikaner in Österreich bekannt ist;

c) spezifische Eigenschaften (11x). Als Eigenschaften, die in Österreich eher als fehlend eingestuft werden, werden erwähnt: Sensibilität für Tanz und Musik, Religiösität, Spontanität, Lust am Leben, In­tegrationsfähigkeit etc.

1.4. Die defizitäre Gesellschaft – die erfüllten und die enttäuschten Er­wartungen

In der Regel hat der, der sich für längere Zeit in einem anderen Land niederläßt, auch mehr oder weniger prä­zise Vorstellungen, was ihn erwarten könnte. Ein Vergleich dieser Vorstellungen mit der in der Folge erlebten Realität gibt Auskünfte über mögliche Kulturschocks, persönliche Wichtigkeit bestimmter Bereiche und stellt gleichzeitig ein wichtiges Spiegelbild für das ‚Gastgeber‘-Land dar. In welchem Bereich erlebten die in Öster­reich lebenden Afrikaner ihre größten Enttäuschungen, wo wurden sie positiv überrascht?

1.4.1. Das Bild vom Österreicher vor der Ankunft und heute

Sind die Österreicher,  verglichen mit Ihren Erwartungen vor Ihrer Ankunft, .. wesentlich mehr mehr wie er­wartet weniger wesentlich weniger Übereinstimmung von Erwartung und Realität[5]
gastfreundlich? 3 6 15 25 7 2,52
reich? 2 11 28 11 3 2,96
rassistisch? 6 16 17 15 5 3,06
informiert über Afrika? 1 5 6 26 20 1,98
hilfsbereit? 2 9 10 30 5 2,51
offen für Neues? 2 9 13 18 14 2,41
Ist – gemessen an Ihren Erwartung-en – das Leben hier schwierig? 6 23 18 10 2 3,35

Die folgenden Erwartungshaltungen wurden am meisten enttäuscht:

1. die Österreicher sind wesentlich schlechter über Afrika informiert als gedacht;

2. sie sind wesentlich weniger offen für Neues;

3. wesentlich weniger gastfreundlich und viel weniger hilfsbereit;

4. das Leben hier ist für die meisten viel schwieriger als vermutet;

5. hingegen entsprach es eher den Erwartungen, daß die Österreicher (wie die anderen Europäer) rassistisch seien, im Durchschnitt machte man sich auch eher richtige Vorstellungen vom österreichischen Wohlstand.

Einige Zusammenhänge:

ad 3) die Angst und Abgrenzung des Österreichers vor dem Armen zeigt sich auch darin, daß das Urteil der über größere Einkünfte[6] verfügenden Afrikaner über die Gastfreundlichkeit des Österrei­chers deutlich positiver ausfällt als das der schlechtergestellten. Diejenigen, die der Meinung sind, daß die Österreicher gastfreundlicher als erwartet seien, verfügen im Schnitt über etwas mehr als 12.000,– ö.S., während die, die dem nicht zustimmen, durchschnittlich etwa 8500,– ö.S. monatlich bekommen. Die Angst des Österreichers vor dem Teilen verringert sich, wenn eine auch finanziell ebenbürtige Be­ziehung vorliegt (siehe auch 1.2.2.a);

ad 4) über je mehr Mittel ein Afrikaner hier verfügt, umso geringer wird seine subjektive Schwierig­keit der hiesigen Existenz. So verdienen die, die das Leben hier leichter als gedacht finden, im Schnitt knapp unter 12.500,– ö.S., während die, die es schwerer als erwartet beurteilen, monatlich über etwas weniger als 7.900,– ö.S. verfügen.

ad 5) Moslems scheinen auch hier wiederum negativere Urteile zu fällen.

Sind die Österreicher rassistisch? wes. mehr mehr wie erwartet weniger wes. weniger Übereinstimmung von Realität und Vorstellung
Christen 3 9 11 13 2 2,95
Moslems 2 6 2 1 1 3,58

Moslems werden oft nicht nur als Afrikaner, sondern auch als Angehörige des Islams abgewertet. Diese zweifache Degradierung sensibilisiert sie offensichtlich ganz beson­ders für alles, was bei weiterer Auslegung als ‚Rassismus‘ bezeichnet werden kann. Es ist auch denkbar, daß vieles, was eigentlich auf religiöser Ablehnung beruht, von ihnen als rassistisch gedeutet wird.

Sind die Österreicher hilfsbereit? wes. mehr mehr wie erwartet weniger wes. weniger Übereinstim­mung
Unterschicht       9   2,00
Mittelschicht 1 1 3 11 3 2,26
Oberschicht 1 6 6 10 2 2,76

Je höher die soziale Schicht in den Herkunftsländern, umso eher entspricht die erlebte Hilfsbereitschaft der Österreicher den Erwartungen. Dies läßt zumindest zwei Deutungsmöglichkeiten zu: a) die Oberschicht ist durch den leichteren Zugang zu Medien in ihren Heimatländern von vornherein besser informiert und erwartet sich dadurch weniger; b) da Mit­glieder der Oberschicht auch in Österreich über wesentlich höhere Mittel als et­wa Mitglieder der Unterschicht verfügen, können sie leichter in gleichwertige Beziehungen mit Österreichern eintreten. Es ist auch denkbar, daß es der Oberschicht durch leichteren Zugang zu Ausbildungswegen (Spra-che, Selbstdarstellung, Schulbildung etc.) leich­ter fällt, sich positiv darzustellen, und dadurch auch öfters Unterstützung bei ihren Vorhaben findet.

Ist der Österreicher offen für Neues?

Beherrschung der deutschen Sprache wes. mehr mehr wie erwartet weniger wes. weniger Übereinstimmung mit Realität
fließend 1 4 6 13 11 2,17
nicht fließend 1 5 7 5 1 3

Je schlechter die Afrikaner Deutsch sprechen, umso größer ist ihre Neigung, in den Aussagen der Österrei­cher Offenheit für andere Kulturen zu vermuten. Die Schuppen fallen offensichtlich erst mit steigender Sprach­kom­petenz von den Augen.

1.4.2. Was fehlt den Afrikanern besonders in Österreich, um sich heimisch zu füh­len?

a. gewohnte Bezugspersonen aus dem Herkunftsland (31x), insbesonders die Familie, die Eltern, Freunde, Frau und Bekannte;

b. herzliche und intensive zwischenmenschliche Beziehungen (23x). Insbesonders wird der Mangel an Geselligkeit der Österreicher hervorgehoben, ihre Kontaktangst, die fehlende Wärme und Sponta­ni­tät in den Beziehungen;

c. gewohnte kulturelle Elemente der Heimatregion (23x). Dazu zählen insbesonders Traditionen wie Feste, wie bestimmte Ernährungsarten, Musik, Tanz etc., aber auch eine beschaulichere und ruhigere Lebensweise, geprägt von positiver Weltsicht und größerem Humor;

d. gewohnte Elemente der natürlichen Umgebung (13x). Hierzu zählen insbesonders klimatische Faktoren wie höhere Durchschnittstemperaturen, Sonnentage, aber auch die spezifische Natur der Heimatländer;

e. existentielle Sicherheit (6x): darunter wird in erster Hinsicht ein stabiler und akzeptabler Arbeits­platz verstanden.

Auffallend ist hier, wie selten Elemente genannt werden, die zum Bereich des täglichen Existenzkampfes ge­hö­ren, wie Arbeit, sicheres Einkommen etc. Aus den Antworten läßt sich ein großes Maß an Einsamkeit der in Österreich lebenden Afrikaner herauslesen.

1.4.3. Was unterdrücken die Afrikaner in Österreich?

Ein Migrant muß, will er sich integrieren, Kompromisse mit dem Gastland schließen. Diese bestehen zum ei­nen in der Übernahme von Verhaltensformen des Gastlandes, zum Anderen im Ablegen von kulturellen Ge­wohnhei­ten. Auf welche Elemente ihrer Kultur und ihres Verhaltens verzichten Afrikaner in Österreich, um Konflikte mit Österreichern zu vermeiden?

a. kulturelle Gewohnheiten (43x). Insbesonders wird darunter die Möglichkeit verstanden, seinen Gefühlen und seiner Kreativität zusammen mit Gleichgesinnten Ausdruck geben zu können, wobei un­ter den Anlässen spezifisch Feste und Musikveranstaltungen (Tanz, Gesang) im afrikanischen Sinne verstanden werden. Aber auch Sprache, gewohnte Ernährung, Jagd, Fabeln erzählen nach dem Essen vor dem Feuer, beten mit Freunden und Familie werden erwähnt;

b. gemeinschaftliches Leben (32x). Hier wird besonders bedauert, daß dem Wunsch nach intensi­vem gegenseitigen Austausch nicht nachgegeben werden kann, nach Kontakten, bei welchen man auch ohne Voranmeldung Besuche abstatten kann, nach Fürsorglichkeit für das Schicksal des An­dern, nach Gastfreundschaft ohne Hintergedanken, nach Einbindung in eine Gemeinschaft;

G. Slezak und H. Trauner fanden in ihren Interviews, daß sich Afrikaner häufig bewußt ein richtiges Netzwerk sozialer Beziehungen um ihre Wohnstätte herum aufbauen, das ihnen ein Minimum an Heimatgefühl ermög­licht. Dies erfolgt durch den Einkauf bei stets den gleichen Kleinhändlern, in den gleichen Trafiken etc.

c. respektvoller und herzlicher Umgang mit dem Andern (14x). Die Antwortenden bedauern die man­gelnde Offenheit in den Beziehungen, die Absenz von Wärme und Hilfsbereitschaft, die körperli­che Di­stanz und Zurückhaltung der Österreicher und deren Mangel an Taktgefühl und Höflichkeit;

d. Spontanität (11x). Man kann in Österreich nur schwer seinen Gefühlen freien Lauf lassen, beim Spazierengehen singen, vielleicht auch einmal lauter sprechen; ständig wird man zur Selbstkontrolle angehalten.

 1.5. Ist angesichts dieser sehr negativen Bewertung, der Wunsch nach der Rückkehr mehr als ein Gedanke?

Materielle Probleme, Mangel an Geborgenheit, Geringschätzung durch viele österreichische Bürger und ande­re Enttäuschungen haben bei vielen keine sonderlich starke Beziehung zu Österreich geschaffen. Es wäre daher naheliegend, daß ein starker Wunsch besteht, so schnell wie möglich Österreich zu verlassen:

1.5.1. Geplante Aufenthaltsdauer in Österreich

Bis wann möchten Sie bleiben? Anzahl der Antworter
bis Studiumende 19
bis x Jahre/Ziel erreicht ist 14
für immer 3
bis Krankheitsende 1
bis Situation im Heimatland besser wird 1
weiß nicht 20

Für etwa ein Drittel der Befragten ist es unklar, wie lange sie bleiben wollen. Der Großteil möchte bleiben, bis er ein ganz bestimmtes Ziel erreicht hat: Das Studium abschließen, eine bestimmte Summe Geldes verdie­nen, um sich im Heimatland eine neue Existenz aufbauen zu können etc. Nur sehr wenige, nämlich 3 von 58 oder 5,17% aller Befragten, haben die feste Absicht, in Österreich zu bleiben. Es ist also für die Mehrzahl nicht un­bedingt attraktiv, in Österreich zu bleiben. Mit Ausnahme dieser drei würden alle, die Österreich verlassen möchten, am liebsten nach Afrika zurückkehren, ein Vorhaben, dessen Verwirklichung wohl stark von der dann in Afrika gegebenen sozioökonomischen Situation abhängen wird.

Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Schichten im Heimatland und damit die unterschiedliche Möglichkeit zu Zugängen zu priviligierteren Lebensformen in diesem hat natürlich Auswirkungen auf die Antworten:

Wie lange möchten Sie in Österreich bleiben? Oberschicht Mittelschicht und Unterschicht[7]
bis Krankheitsende 1  
bis Situation im Heimatland besser wird   1
bis Studiumende 12 6
für immer   2
weiß nicht 6 14
x Jahre 7 6

Während nur 23,1% der aus der Oberschicht Kommenden nicht wissen, wie lange sie in Österreich bleiben wollen, also vielleicht eine längere Aufenthaltsdauer ins Auge fassen, sind es bei Mit­tel- und Unterschicht 48,3%. Je besser – u.a. durch Zugehörigkeit zur Elite – die Chancen im Heimatland sind, sich zu etablieren, desto größer ist der Wunsch nach Rückwanderung.

 1.5.2. Pläne für die Zeit nach dem Studium

Möchten Sie nach dem  Studium in Österreich arbeiten? Anzahl
ja 11
vielleicht 14
nein 19

Ein Großteil der Studenten möchte Österreich nach dem Studium wieder verlassen. Nur 25% haben die Absicht, nach dem Studienabschluß in Österreich eine Arbeit zu suchen.

Die Chancen, im Heimatland eine Arbeit zu finden, können erhebliche Einflüsse auf die Rückkehrabsicht haben:

 

  Nach Studienabschluß in Heimatland
Möchten Sie nach dem Studium in Österreich arbeiten? keine guten Ar­beitschancen gute Arbeitsplatzchan­cen[8]  
ja 2 6  
vielleicht 2 7  
nein 8 5  
Arbeitswunschstärke[9] 1,5 2,06  

Diejenigen mit den größten Chancen, in ihren Heimatlän­dern ei­nen Arbeitsplatz zu finden (Informatiker, Techniker etc.), zeigen auch die größte Tendenz, in Österreich nach dem Studium arbei­ten zu wollen. Nur 4 von 12 (=33%) mit eher schlechten Berufs­chancen möchten nach dem Stu­dium in Österreich arbeiten, aber mehr 13 von 18, d.h. 72%, mit guten Berufschancen. Dafür könnte es zumin­dest zwei Erklärungen geben: a) die Hochqualifizierten und Begehrten sind in ihrer Ausbildung an den Umgang mit Tech­nologien gewöhnt, die in ihren Herkunftsländern kaum zu erhalten sind; b) die für die Herkunftsländer at­traktiven Berufe (Techniker etc.) sind häufig auch für den österreichischen Arbeitsmarkt inter­essant, was ihre Inte­gration in un­sere Gesellschaft erleichtert.

 1.5.3. In Österreich altern und sterben?

Können Sie sich vorstellen, in Österreich alt zu  werden? Anzahl der Antwortenden
ja 1
vielleicht 8
nein 48

Nur eine von 57 Personen kann sich sicher vorstellen, in Österreich alt zu werden. Insgesamt 15,8% halten es für mög­lich. Dies hängt u.a. wahrscheinlich auch mit der sehr unterschiedlichen Wertschätzung alter Menschen in Afrika und Österreich zusammen, worauf auch die folgenden Bambarasprichwörter hinweisen:

cèkòròba ka fisa a sòngò ye. Alte Menschen sind mehr wert als ihren (Markt-)Preis.

cèkòròba kan ye duga ye. Die Worte des Alten sind ein Segen.

còkòròba sinsin bere, o ka fisa sodalankolon ye. Selbst ein am Stock gehender Alter ist besser als eine leere Tür, er ist immer noch wertvoll.

kòrò ka na man di. Die Sauce des Alters schmeckt schlecht.

Zusammen mit den beiden vorausgehenden Antworten ergibt sich das Bild, daß Österreich als kulturell zu ver­schieden und auch menschlich als zu abweisend, vielleicht zu arm betrachtet wird, um ein Gefühl der Gebor­genheit und der Sicherheit zu vermitteln. Dennoch lassen studientechnische und materielle Gründe den Groß­teil der Afrikaner hier verharren, hoffend auf ein besseres Morgen, das nicht so schnell zu kommen scheint.

  Monatliche Einkünfte
Können Sie sich vorstellen, in Österreich alt zu werden? -5000 5001-11000 11000+
ja 1
vielleicht 1 3 3
nein 15 21 10

Wer seinen Existenzkampf besser bewältigt, für den ist es  eher vorstellbar, in Österreich alt zu werden. Wer besser verdient, sich also hier durchgesetzt hat, zeigt die größte Tendenz, hierzubleiben: Nämlich 4 von 14, die über 11000 ö.S. verdienen, gegenüber 1 von 16, die nicht mehr als 5000 ö.S. verdienen. Durch die doch relativ kleine Größe der hier verglichenen Gruppen ist hier jedoch eine gewisse Fehlermöglichkeit gegeben, auch wenn das Ergebnis durchaus in Einklang mit anderen hier aufgezählten zu bringen ist.

1.6. Abschließende Bemerkungen:

Manche der Leser dieses Artikels arbeiten in einem Bereich, in welchem sie mit Afrikanern zusam­mentreffen oder sich auf andere Art und Weise mit dem Kontinent und seinen Einwohnern beschäftigen. Spezifisch an sie ist der erste Teil gerichtet, der sich mit Bezeichnungen beschäftigt. Ich weiß aus vielen Gesprächen und eige­ner Erfahrung, daß viele unsicher sind, welche Begriffe sie verwenden können, um über Afrika und seine Men­schen zu sprechen. Sie haben Angst, Ausdrücke zu verwenden, welche Menschen aus diesem Erdteil verletzen könnten. Diese Angst wird durch (österreichische) Puristen noch erheblich verstärkt, welche mitun­ter dazu nei­gen, praktisch jede hier behandelte Bezeichnung rassistisch zu nennen. Für viele ist der Ausdruck ’schwarz‘ (neben seiner vereinfachenden Wiedergabe der Realität) negativ besetzt und daher abzu­lehnen. Man könnte ihnen vorschlagen, einen ersten kurzen Blick in die Welt afrikanischer Sprachen zu wer­fen, wo mit Farben ver­bundene Klassifizierungen in sehr vergleichbarer, wenn nicht oft deckungsgleicher Weise verwendet werden. Es war mir ein Anliegen, festzustellen, wie Afrikaner selbst angesprochen werden wollen, um die Normierung der in Frage kommenden Begriffe durch selbsternannte Richter oft fragwürdiger Kompe­tenz auszuschalten. Wenn ein Ausdruck gleichzeitig präzise ist und darüber hinaus auch noch in hohem Maße von den Betroffenen akzep­tiert wird, könnte er – meines Erachtens – ohne große Probleme verwendet werden.

Viele der präziseren Ausdrücke sind jedoch für Afrikaner negativ besetzt; ein bewußter geringfügiger Verzicht auf Trennschärfe des Ausdrucks mag mitunter einen Gewinn an Beziehungsqualität zum afrikanischen Mit­men­schen bringen. Hier gilt es Fall für Fall abzuwägen. Die Untersuchung zeigt auch deutlich, daß immer mehr Afrikaner Pro­bleme damit haben, daß – wenn auch oft in sehr gutgemeinter und hilfswilliger Weise – stets auf ih­re Armut hingewiesen wird. Afrika ist in der Meinung vieler längst zu dem armen Kontinent par excellence ge­wor­den, nicht nur zu ei­nem, der momentan gewisse Probleme hat. Im afrikanischen Sinne jetzt den Andern und Afrika so zu behan­deln (auch terminologisch), daß derjenige, dem es im Augenblick besser geht, dem Andern kurzfristig aushilft und später selbst Hilfe erwarten kann, wenn es ihm schlechter geht, erschiene mir weniger abwertend und sinnvoller. Der französische Ausdruck für Entwicklungshilfe ‚co-opération‘, Kooperation oder Zusammenarbeit, könnte durchaus da­für als Symbol dienen.

Für die, die sich für Menschen afrikanischer Kulturen interessieren und Freundschaft mit ihnen schließen wol­len, ist der zweite Abschnitt gedacht. Sie sollten sich bewußt sein, daß sie es mit Menschen zu tun haben, die schon des öfteren menschliche Enttäuschungen in Österreich erlebten und daher vielleicht schneller auf eine abweisende Haltung des Österreichers schließen, als es der Realität entspricht. Offene Worte, Kenntnis der spezifischen Erwartungen des Andern (die hier genauer beschrieben wurden), aber auch Hinweis auf eigene Bedürfnisse, die aber artikuliert werden sollten, können einen soliden Grund­stock für eine schöne Freundschaft darstellen. Afrikaner, die nahezu immer aus Vielvölkerstaaten kommen, verstehen sehr wohl, daß Menschen verschiedener Kulturen unterschiedliche Ansprüche haben. Viele Öster­reicher behandeln Afrikaner wie rohe Eier, weil sie Angst haben, sie zu verletzen. Statt einige – in sensibler Weise ausgedrückte – Worte zu sagen, die dem Afrikaner mitteilen, wo Österreicher andere Vorstellungen haben, ziehen sie sich still zurück und mei­nen, so humaner gehandelt zu haben. Gerade dadurch verletzen sie und schaffen Vorur­teile auf der anderen Seite. Gerade dadurch behandeln sie Afrikaner wie nicht erwach­sene, wie nicht gleich­wertige Menschen.

Die letzten Abschnitte sind unter anderem denen gewidmet, die die Defizite unserer eigenen Kultur durch die Augen der Anderen erkennen wollen. Aus afrikanischer Sicht mag das Urteil so lauten: Wirtschaftlich Elite, menschlich ein Entwicklungsland, dem man eigentlich helfen müßte. Müßte es nicht schockierend für uns sein, daß es für 85% der Afrikaner unvorstellbar ist, in Österreich alt zu werden? Was, diese ‚ungebildeten Primitiven‘ ziehen ihre Länder, in denen ihnen weder Luxusbad, noch Farbfernseher, noch Auto, noch Sozial­versicherung, und mitunter nicht einmal die Absicherung der täglichen Grunderfordernisse gewiß sind, vor? Wer ist da krank, wem müßte man helfen? Ich weiß es nicht.


[1]Erwin Ebermann ist Bildungsreferent des Afro-Asiatischen Instituts Wien sowie Universitätslektor (Afrikanistik, Soziologie). Diese Studie entstand als Nebenprodukt einer Lehrveranstaltung am Soziologischen Institut der Universität Wien im Studienjahr 1991/92. Besonders gedankt für ihre Mitwirkung bei der Datener­hebung und bei der Konzeption sei dabei insbesonders den Studentinnen Gabriele Slezak, Helene Trauner und Bettina Frislovics.

[2]In  dem bei Beginn der Studie vorliegenden Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über Ausländerbeschäftigung von Ende September 1991 wurden nur zwei afrikanische Länder aufgeführt: Ghana (416 Personen) und Nigeria (286 Personen). Die Zahl der insgesamt in Österreich offiziell arbeitenden Afrika­ner wurde auf etwa 4000 geschätzt, inklusive legaler sowie illegaler Familien- und Staatsangehörigen auf et­wa 10000. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau liegt bei den Ghanesen bei 365:51; bei den Nigerianern bei 174:41, insgesamt somit in einer Relation von 5,86:1 zugunsten der Männer. In Wien arbeiten aber etwa 2,5x soviele Nigerianer wie Ghanesen, sodaß die höhere Anzahl befragter Nigerianer in der Studie keinen Widerspruch zur Grundgesamtheit darstellt (215:80). Im Wintersemester 1991/92 gab es laut der  Studie der ÖFSE Wien vom Juli 1992 ‚Ausländische Studierende an österreichischen Universitäten‘ die überraschend geringe Anzahl von nur 458 schwarzafrikanischen Studierenden in Österreich. Darüber hinausgehend sind mir keine Informationen zur Schichtung der in Österreich lebenden Afrikaner bekannt, was den Versuch, eine re­präsentative Umfrage zu machen, erheblich erschwert.

[3]‚verletzend‘: 5 Punkte …. ‚in Ordnung‘: 1 Punkt. Daraus ergibt sich ein Durchschnitt von 3 Punkten, welcher weder besondere Zustimmung noch Ablehnung ausdrückt. Was darüber liegt, wird als abwertend, was darun­ter liegt, als positiv empfunden.

[4]‚verletzend‘: 5 Punkte … ‚wohlgesinnt‘: 1 Punkt.

[5]Berechnungsgrundlage: ‚Wesentlich mehr‘: 5 Punkte …. ‚wesentlich weniger‘: 1 Punkt. Bei (durchschnittlicher) Übereinstimmung von Erwartung und Realität wäre somit ein Durchschnitt von 3 Punkten zu erwarten. Über ‚3‘ hinausgehende Zahlen zeigen auf, daß man sich weniger, niedrigere, daß man sich mehr erwartete.

[6]Einkünfte können sein: eigener Verdienst, finanzielle Unterstützung seitens der Familie aus Afrika, Stipen­dien und sonstige Unterstützungen.

[7]Die Befragten wurden den verschiedenen sozialen Schichten  a) auf Grund der Position und des Berufs ihres Vaters; b) auf Grund der Höhe der monatlichen Hilfe aus dem Heimatland zugeteilt.

[8]Die betriebenen Studienrichtungen wurden in solche eingeteilt, die gute bzw. weniger gute Arbeitsplatzchan-cen in ihren Heimatländern erwarten lassen.

[9]‚ja‘: 3 Punkte, ‚vielleicht‘: 2 Punkte, ’nein‘: 1 Punkt. Bei einem ausgewogenem Arbeits- und Rückkehrwunsch-Verhältnis wäre eine Durchschnittszahl 2 zu erwarten.

 

 (Publiziert 1993 in ‚AAI-Wien: Treffpunkt Studienförderung‘, 3-22. Wien)

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